BGH, Urteil vom 22. September 2020 - XI ZR 162/19

03.11.2020

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

22. September 2020

MazurkiewiczJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


VSBG § 36 Abs. 1 und 2


UKlaG § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 12

Richtlinie 2013/11/EU Art. 13 Abs. 2

Wenn ein Unternehmer sowohl eine Webseite unterhält als auch Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, müssen die Informationen nach § 36 Abs. 1 VSBG sowohl gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 VSBG auf seiner Webseite erscheinen als auch gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen werden.


BGH, Urteil vom 22. September 2020 - XI ZR 162/19 - KG Berlin-Schöneberg, LG Berlin


Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2020 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Joeres und Dr. Matthias, die Richterin Dr. Menges sowie den Richter Dr. Schild von Spannenberg

für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg vom 14. Februar 2019 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Urteilsformel lautet:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern in den zur Mitteilung der von ihr verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmten schriftlichen oder elektronischen Dokumenten nicht darüber zu informieren, ob eine Bereitschaft oder Verpflichtung zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle besteht.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist.

[2] Die beklagte Bank nimmt am Streitbeilegungsverfahren der deutschen genossenschaftlichen Bankengruppe teil. Sie unterhält eine Webseite, auf der sie u.a. ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen veröffentlicht. Diese enthalten keine Angaben zur Bereitschaft oder Verpflichtung der Beklagten zur Teilnahme an dem Streitbeilegungsverfahren. Diese Angaben finden sich im Impressum ihrer Webseite sowie in einem separaten Informationsblatt, das mit "Information zur außergerichtlichen Streitschlichtung" überschrieben ist und das die Beklagte ihren Kunden mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen aushändigt.

[3] Nach Ansicht des Klägers genügen die Informationen im Impressum auf ihrer Webseite und in dem Informationsblatt den Vorgaben des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) nicht. Der Kläger begehrt mit seiner Klage, dass die Beklagte es bei Meidung von Ordnungsmitteln unterlässt, Verbraucher in den von ihr verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht über die Bereitschaft oder Verpflichtung zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle zu informieren. Zudem verlangt er die Erstattung von Abmahnkosten.

[4] Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

[5] Die Revision ist unbegründet.

[6] I. Das Berufungsgericht hat seine unter anderem in WM 2019, 966 veröffentlichte Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

[7] Der Kläger habe gegen die Beklagte aus § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 UKlaG i.V.m. § 36 Abs. 1 und 2 VSBG einen Anspruch auf Unterlassung, Verbraucher in den von ihr verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht darüber zu informieren, inwieweit sie bereit oder verpflichtet ist, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, und welche Verbraucherschlichtungsstelle zuständig ist. Die Beklagte verstoße gegen § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG, weil diese Informationen nicht in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgeführt seien.

[8] Ein Unternehmer, der sowohl eine Webseite unterhält als auch Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, müsse dem Verbraucher die Informationen nach § 36 Abs. 1 VSBG sowohl auf seiner Webseite (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VSBG) als auch zusammen mit seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG) erteilen. Dem entspreche die Beklagte durch die Bereitstellung der Informationen im Impressum ihrer Webseite und durch die Übergabe eines separaten Informationsblattes nicht.

[9] Der Gesetzeswortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG sei nicht eindeutig und weiche von dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. Nr. L 165 vom 18. Juni 2013, S. 63; im Folgenden: Richtlinie 2013/11/EU) ab, der eine Information "in" den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorsehe. Nach dem Willen des Gesetzgebers bestünden die Informationspflichten aus § 36 VSBG bereits im Vorfeld eines Vertragsschlusses und damit unabhängig davon, ob ein Vertrag später geschlossen werde. Damit habe der Gesetzgeber ersichtlich eine Verknüpfung von Information und Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nicht aber eine Auslagerung der Informationen nach § 36 Abs. 1 VSBG in ein gesondertes Dokument gewollt. Er habe mit der gegenüber der Richtlinie 2013/11/EU abweichenden Formulierung in § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG berücksichtigt, dass die Informationen nach § 36 Abs. 1 VSBG keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB darstellten, da nach dieser Vorschrift nur solche Vertragsbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen gölten, die bei Vertragsschluss gestellt würden. Der Richtliniengeber sei demgegenüber von einem formalen Verständnis des Begriffs der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgegangen, zu dem diejenigen Dokumente gehörten, in denen die Bedingungen enthalten seien. Dieses formale Verständnis habe der Gesetzgeber mit der veränderten Formulierung in § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG bei der Umsetzung der Richtlinie aufgegriffen und damit in Übereinstimmung mit Art. 13 Abs. 2 Richtlinie 2013/11/EU zum Ausdruck gebracht, dass die Informationen Teil des schriftlichen oder elektronischen Dokuments sein müssten, in dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten seien.

[10] Eine Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG liege vor, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit einem Angebot an den Verbraucher übermittelt oder ­ wie vorliegend ­ auf der Webseite des Unternehmers veröffentlicht würden.

[11] II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 12, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG einen Anspruch auf Unterlassung, Verbrauchern die Informationen nach § 36 Abs. 1 VSBG nicht in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu erteilen.

[12] 1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 36 VSBG gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 UKlaG ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG darstellt und der Kläger gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG aktivlegitimiert und klagebefugt ist.

[13] 2. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Beklagte der Vorschrift des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG deswegen zuwiderhandelt, weil sie Verbrauchern die Informationen nach § 36 Abs. 1 VSBG nicht in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen erteilt. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG muss der Unternehmer die Informationen nach § 36 Abs. 1 VSBG zusammen mit seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen geben, wenn er Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet.

[14] a) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG bereits dadurch verwendet, dass sie diese auf ihrer Webseite bereitstellt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Webseite zum Abschluss von Verbraucherverträgen genutzt wird (vgl. EuGH, WM 2020, 1302 Rn. 28 - Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände; vgl. zu § 1 UKlaG Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, AGB-Recht, 12. Aufl., § 1 UKlaG Rn. 24; a.A. zu § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 18. Dezember 2017 ­ 3 U 184/17, n.V. Umdruck S. 7; LG Düsseldorf, Urteil vom 14. Februar 2018 ­ 12 O 131/17, n.V. Umdruck S. 4). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union (nachfolgend Gerichtshof) nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, beschränkt Art. 13 Richtlinie 2013/11/EU die darin vorgesehene Informationspflicht nicht auf die Fälle, in denen der Unternehmer die Verträge mit den Verbrauchern über seine Webseite abschließt (EuGH, WM 2020, 1302 Rn. 28 - Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände).

[15] b) Frei von Rechtsfehlern ist weiter die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte die Anforderungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG deswegen nicht erfüllt, weil sie die Informationen nach § 36 Abs. 1 VSBG nicht in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufführt.

[16] Wie der Gerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, bestimmt Art. 13 Abs. 2 Richtlinie 2013/11/EU, der durch § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG umgesetzt worden ist (vgl. BR-Drucks. 258/15, S. 41, 91; BT-Drucks. 18/5089, S. 36, 74), dass die Informationen "in" den Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgeführt werden (EuGH, WM 2020, 1302 Rn. 24 ff. - Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände). Auch im Schrifttum wird überwiegend - teilweise ohne nähere Begründung - davon ausgegangen, dass die Informationen "in" den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein müssen (vgl. Greger in Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, 2. Aufl., § 36 VSBG Rn. 15; Hakenberg, EWS 2016, 312, 317; Koch, WuB 2019, 376, 377; Koschmieder/Ziegenhagen, MMR 2018, 282, 286; ebenso Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Verbraucherschlichtung, Ein Leitfaden für Unternehmen, Stand: November 2016, S. 8, abrufbar unter www.bmjv.de).

[17] c) Die Verpflichtung zur Erteilung der Informationen nach § 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 VSBG entfällt schließlich nicht deswegen, weil die Beklagte eine Webseite unterhält und die Informationen gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 VSBG auf der Webseite im Impressum erscheinen.

[18] Wenn ein Unternehmer ­ wie hier ­ sowohl eine Webseite unterhält als auch Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, müssen die Informationen nach § 36 Abs. 1 VSBG, wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, sowohl auf seiner Webseite erscheinen (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VSBG) als auch gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen werden (vgl. Braun/Weiser in Althammer/Meller-Hannich, VSBG, § 36 Rn. 31; Greger in Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, 2. Aufl., § 36 VSBG Rn. 12; Roder in Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, § 7 Rn. 16; Koschmieder/Ziegenhagen, MMR 2018, 282, 286; Ueberfeldt, DStR 2017, 900, 903; Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Verbraucherschlichtung, Ein Leitfaden für Unternehmen, Stand: November 2016, S. 8, abrufbar unter www.bmjv.de; a.A. Ring, Das neue VSBG in der anwaltlichen Praxis, § 2 Rn. 539; Steike in Borowski/Röthemeyer/Steike, VSBG, § 36 Rn. 13). Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, da die Ziffern 1 und 2 des § 36 Abs. 2 VSBG nicht durch das Wort "oder", sondern durch ein Komma getrennt sind, wodurch eine Aufzählung von Pflichten begründet wird, die nebeneinander zu erfüllen sind, wenn ihre Voraussetzungen jeweils vorliegen. Ein solches Verständnis entspricht zudem dem Willen des Gesetzgebers, nach dem die Pflichten aus § 36 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VSBG kumulativ zu erfüllen sind (BR-Drucks. 258/15, S. 92; BT-Drucks. 18/5089, S. 75), und ist unionsrechtskonform (vgl. EuGH, WM 2020, 1302 Rn. 29 f. - Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände).

[19] 3. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten findet seine Rechtsgrundlage in § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 UWG (Senatsurteile vom 7. Juni 2011 ­ XI ZR 388/10, BGHZ 190, 66 Rn. 41, vom 9. Mai 2017 ­ XI ZR 308/15, BGHZ 215, 23 Rn. 55 und vom 10. September 2019 ­ XI ZR 7/19, BGHZ 223, 130 Rn. 27) und wird der Höhe nach von der Revision nicht angegriffen.

[20] III. Die vom Kläger für den Fall der Zuwiderhandlung gegen einen Unterlassungstitel nach § 890 ZPO beantragten Ordnungsmittel sind ­ abweichend von der Urteilsformel des Berufungsgerichts ­ nicht anzudrohen, weil die titulierte Pflicht der Beklagten nicht in einer Unterlassung, sondern in einer unvertretbaren Handlung besteht, die nach § 888 ZPO durch Zwangsmittel zu vollstrecken ist. Ein Unterlassungsantrag liegt nicht schon dann vor, wenn dem Wortlaut des Antrags nach eine Unterlassung formuliert wird. Der Antrag muss vielmehr seinem Inhalt nach eine Unterlassung bezwecken (OLG Köln, WPR 2017, 864, 865). Das ist hier nicht der Fall. Der Antrag des Klägers ist lediglich in die Form eines Unterlassungsantrags gekleidet. Tatsächlich wird mit ihm eine negative Unterlassung und damit in der Sache die Vornahme einer Handlung

begehrt, nämlich die Aufnahme der Informationen nach § 36 Abs. 1 VSBG in die von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Der Kläger begehrt damit eine nicht vertretbare Handlung, bei der gemäß § 888 Abs. 2 ZPO eine Androhung der Zwangsmittel nicht stattfindet.

Ellenberger Joeres Matthias

Menges Schild von Spannenberg

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