BGH, Urteil vom 23. November 2022 - XII ZR 96/21
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am:
23. November 2022
Sauer,Justizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 275 Abs. 1, 313 Abs. 1, 326 Abs. 1 und 4, 536 Abs. 1
a) Die durch die COVID-19-Pandemie bedingten Betriebsbeschränkungen eines Friseur- und Kosmetikbetriebsgeschäfts führen nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise unmöglich (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370).
b) Im Fall von Betriebsbeschränkungen, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruhen, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370).
c) Bei der Prüfung des normativen Tatbestandsmerkmals des § 313 Abs. 1 BGB ist entscheidend, ob die Folgen der Störung der Geschäftsgrundlage den Mieter so erheblich belasten, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für ihn zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Um dies beurteilen zu können, ist eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters erforderlich (im Anschluss an Senatsurteil von 13. Juli 2022 XII ZR 75/21 NJW-RR 2022, 1303).
BGH, Urteil vom 23. November 2022 - XII ZR 96/21 - OLG Frankfurt am Main, LG Frankfurt am Main
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2022 durch die Richter Guhling, Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[1] Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von Gewerberaummiete für die Monate Mai bis Juli 2020 in Höhe von insgesamt 12.000 € nebst Zinsen in Anspruch.
[2] Die Beklagten mieteten vom Kläger Gewerberäume zum Betrieb eines Friseursalons und einer Boutique sowie zur Erbringung von Kosmetikdienstleistungen. Die monatliche Miete beträgt 3.500 € zuzüglich einer monatlichen Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 500 €. Bis zum 31. Dezember 2020 hatten die Beklagten einen Teil der Räumlichkeiten zur Führung eines Betriebs zur Bartpflege untervermietet.
[3] Aufgrund der sich verbreitenden Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19-Pandemie) erließ die hessische Landesregierung am 22. März 2020 die Verordnung zur Beschränkung sozialer Kontakte und zur Anpassung von Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus (GVBl. S. 183 f.). Nach Art. 2 Nr. 1 a dieser Verordnung war den Beklagten die Nutzung der Mieträumlichkeiten im Zeitraum vom 23. März 2020 bis einschließlich 3. Mai 2020 für den Betrieb des Friseursalons und das Erbringen von Kosmetikdienstleistungen untersagt. In der Folgezeit mussten die Beklagten gemäß Art. 2 Ziffer 1 a der Neunten Verordnung zur Anpassung von Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 1. Mai 2020 der Hessischen Landesregierung (GVBl. S. 290 ff.) für den Betrieb ihres Friseursalons und des Kosmetikladens umfangreiche Auflagen einhalten, insbesondere war aufgrund des durch diese Verordnung nachträglich in § 1 der Vierten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 17. März 2020 (GVBl. S. 167 f.) eingefügten Absatzes 11 das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verpflichtend. Außerdem durften nur zwei statt vier Kunden gleichzeitig bedient werden. Das Boutiquegeschäft war aufgrund des § 1 Nr. 9 der Vierten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus bis einschließlich 19. April 2020 geschlossen.
[4] Die Miete für März 2020 zahlten die Beklagten vollständig. Bei der Miete für April 2020 brachten sie eine Gutschrift aus der Nebenkostenabrechnung für das Abrechnungsjahr 2018/2019 in Höhe von 1.522,57 € in Abzug, so dass sie nur einen Betrag in Höhe von 2.477,43 € überwiesen. Die Mieten für Mai, Juni und Juli 2020 zahlten die Beklagten nicht.
[5] Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 12.000 € nebst Zinsen zu verurteilen. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, für die Monate Mai bis Juli 2020 keine Miete zu schulden. Zudem stehe ihnen wegen des Wegfalls der vertraglich vereinbarten Nutzungsmöglichkeit ein Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum von 23. März 2020 bis 30. April 2020 gezahlten Miete sowie ein Anspruch auf Auszahlung des Betriebskostenguthabens für das Abrechnungsjahr 2018/2019 zu. Mit ihrer Gesamtforderung von 5.161,29 € haben sie hilfsweise die Aufrechnung gegen die Klageforderung erklärt.
[6] Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 12.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die vollständige Klageabweisung verfolgen.
Entscheidungsgründe:
[7] Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
[8] Der Kläger war im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten. Gleichwohl ist über die Revision der Beklagten nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden, da sich die Revision auf der Grundlage des von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (vgl. BGH Urteil vom 18. Juni 2021 V ZR 146/20 NZM 2021, 722 Rn. 4 mwN).
[9] I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
[10] Die Mieten für Mai, Juni und Juli 2020 seien nicht wegen eines während der Mietzeit entstandenen Mangels gemindert gewesen. Die behördlich angeordneten Einschränkungen hätten sich nicht objektbezogen, sondern lediglich auf den Betrieb der Beklagten als Mieter ausgewirkt. Ein Mangel der Mietsache habe sich auch nicht daraus ergeben, dass die Räumlichkeiten zum Zweck des Betriebs eines Friseur- und Kosmetikgeschäfts mit einer Boutique angemietet worden seien. Aufgrund der baulichen Gegebenheiten des Mietobjekts sei den Beklagten in den Räumlichkeiten die Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit grundsätzlich unverändert möglich gewesen. Auch sei die Überlassung des Mietobjekts an sich nicht untersagt gewesen. Vielmehr sei durch die behördlichen Anordnungen lediglich die Art der Nutzung des Mietobjekts und die Art des dort stattfindenden Publikumsverkehrs einschränkend geregelt gewesen. Dem Kläger sei seine vertraglich geschuldete Leistung in der Zeit vom 1. Mai 2020 bis einschließlich 31. Juli 2020 auch nicht ganz oder teilweise unmöglich iSv § 275 Abs. 1 BGB gewesen. Diese Regelung sei nach Überlassung der Mietsache an die Beklagten nicht mehr anwendbar und werde von den speziellen mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften verdrängt. Im Übrigen sei es dem Kläger trotz der behördlichen Einschränkungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie möglich gewesen, den Beklagten den Gebrauch der Mietsache zu gewähren.
[11] Der Mietvertrag sei auch nicht wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB anzupassen. Zwar sei die Geschäftsgrundlage des Mietvertrags durch die Folgen der COVID-19-Pandemie schwerwiegend gestört gewesen. Auch könne davon ausgegangen werden, dass die Parteien den Vertrag mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Möglichkeit einer solchen Pandemie bedacht hätten. Dennoch könnten die Beklagten auf der Grundlage ihres Vorbringens und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Anpassung des Mietvertrags nicht verlangen. Bei der Beurteilung, ob das Festhalten am unveränderten Vertrag für die Beklagten unzumutbar sei, seien deren wirtschaftliche Verhältnisse zu berücksichtigen, wobei es allerdings nicht zwingend erforderlich sei, dass die Beklagten in ihrer wirtschaftlichen Existenz tatsächlich gefährdet seien. Durch die Schließung des Friseur- und Kosmetiksalons in dem Zeitraum vom 30. März 2020 bis zum 4. Mai 2020 hätten die Beklagten zwar zunächst keine Umsätze erzielen können. Ab dem 20. April 2020 hätten sie jedoch das Boutiquegeschäft und ab dem 4. Mai 2020 den Betrieb des Friseur- und Kosmetikgeschäfts unter Auflagen wieder aufnehmen können. Der Vortrag der Beklagten, wonach es im Zeitraum von April 2020 bis August 2020 im Vergleich zu April 2019 bis August 2019 zu einem Umsatzrückgang von 26,56 % gekommen sein solle, spreche dagegen, dass es in dem Zeitraum ab dem 4. Mai 2020 überhaupt zu relevanten Umsatzrückgängen im Vergleich zum Vorjahr gekommen sei. Diese Annahme werde durch die Überlegung gestützt, dass auch die zweite Option für die Überbrückungshilfe II, nämlich ein Umsatzrückgang von 50 % in zwei aufeinanderfolgenden Monaten von April bis August 2020, nicht erreicht worden sei. Absolute Zahlen für das Jahr 2020 sowie die Zahlen des Vorjahres hätten die Beklagten nicht genannt. Zudem hätten sie in dem relevanten Zeitraum durch die Untervermietung eines Teils der Räumlichkeiten jedenfalls Mieteinnahmen in Höhe von 550 € monatlich erzielt. Öffentlich-rechtliche Hilfszahlungen hätten die Beklagten für die genannten Zeiträume nach ihren Angaben zwar nicht erhalten. Im Übrigen hätten die Beklagten aber nichts zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen im Jahr 2020 insgesamt, insbesondere zum Maß ihrer Liquidität und zur Höhe des erzielten Gewinns, vorgetragen. Schließlich hätten sie auch nicht konkret zu ihrer Kostenstruktur, insbesondere zu ihren Personalkosten und zu möglichen Veränderungen bei einzelnen relevanten Kostenpositionen während der Schließungszeiten, vorgetragen. Deshalb sei selbst unter der Annahme, dass der Vortrag der Beklagten zutreffe, eine Herabsetzung der Bruttokaltmiete für die Monate Mai bis Juli 2020 nicht angemessen. Angesichts des Fehlens jeglicher Angaben zur Höhe der Gesamtumsätze sei auch die Angabe, in den Monaten von Mai bis Juli 2020 seien Einkünfte in Höhe von 28.500 € weggefallen, nicht im Rahmen der Unzumutbarkeitsbetrachtung zu berücksichtigen.
[12] Die Klageforderung sei auch nicht durch Aufrechnung teilweise erloschen, weil den Beklagten entsprechende Gegenforderungen nicht zustünden. Denn die Zahlungen der Miete für die Monate März und April 2020 seien mit Rechtsgrund erfolgt. Die Miete für März 2020 sei schon deshalb nicht nach § 313 Abs. 1 BGB anzupassen, weil die Beklagten die geschuldete Miete monatlich im Voraus gezahlt hätten und sich die vom 23. März 2020 an eingetretenen betrieblichen Einschränkungen auf die wirtschaftliche Fähigkeit der Beklagten, künftige Mieten zu zahlen, nicht ausgewirkt haben könnten. Die Miete für April 2020 sei nicht anzupassen, da die Beklagten auch diese unter Verrechnung mit einer Betriebskostenrückerstattung im Voraus gezahlt hätten und die Schließung im April 2020 nur zu einem Umsatzrückgang von insgesamt ca.1015 % geführt habe.
[13] II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Der Kläger hat gegen die Beklagten gemäß § 535 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Miete für die Monate Mai bis Juli 2020. Weder war die Miete in diesem Zeitraum nach § 536 Abs. 1 BGB gemindert noch sind die Beklagten nach § 326 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit der von dem Kläger geschuldeten Leistung (§ 275 Abs. 1 BGB) teilweise von ihrer Zahlungsverpflichtung frei geworden. Ihnen steht zudem kein Anspruch aus § 313 Abs. 1 BGB auf Anpassung des Mietvertrags dahingehend zu, dass sie von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Miete befreit sind. Schließlich bleibt die von den Beklagten erklärte Aufrechnung ohne Erfolg, weil sie auch für die Monate März und April 2020 nicht berechtigt waren, die Miete einzubehalten bzw. zurückzufordern.
[14] 1. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Miete weder in den Monaten Mai bis Juli 2020 noch in dem der Aufrechnung zugrundeliegenden Zeitraum nach § 536 Abs. 1 BGB gemindert war, weil die durch die Verordnungen der hessischen Landesregierung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bewirkten Einschränkungen der Nutzbarkeit der Mietsache nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands iSv § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB geführt haben.
[15] a) Der Senat hat nach Erlass des angegriffenen Urteils entschieden, dass Einschränkungen der Nutzbarkeit einer Mietsache, die durch die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie angeordneten hoheitlichen Maßnahmen bedingt sind, nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB führen (vgl. Senatsurteile BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn. 29 ff. und vom 16. Februar 2022 XII ZR 17/21 NJW 2022, 1378 Rn. 22 f.). Diese Einschränkungen beruhen nämlich nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache, sondern knüpfen an den Geschäftsbetrieb des Mieters mit dem sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an, der eine verstärkte Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus begünstigt und der aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt bzw. beschränkt werden sollte. Durch die Verordnungen wurde weder den Beklagten die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume im Übrigen noch dem Kläger tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stand daher grundsätzlich weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung (vgl. Senatsurteile BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn. 34 f. und vom 16. Februar 2022 XII ZR 17/21 NJW 2022, 1378 Rn. 22).
[16] Danach führten die durch die hoheitlichen Maßnahmen der hessischen Landesregierung zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie bewirkten Beschränkungen des Geschäftsbetriebs der Beklagten nicht zu einem Mangel der Mietsache iSv § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB.
[17] b) Ein Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich auch nicht aus dem im vorliegenden Fall vereinbarten Mietzweck der Räumlichkeiten zur "Nutzung als Friseur- und Kosmetiksalon und einer Boutique". Denn ohne besondere, hier nicht vorgetragene Umstände gehören nur rechtliche Umstände, die die körperliche Beschaffenheit, den Zustand oder die Lage der Mietsache betreffen oder Einfluss auf sie haben, zu der vom Vermieter geschuldeten Leistung. Für öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen, Verbote oder Gebrauchshindernisse, die sich wie hier aus betriebsbezogenen Umständen ergeben oder in der Person des Mieters ihre Ursache haben, hat der Vermieter hingegen ohne eine anderslautende Vereinbarung nicht einzustehen (vgl. Senatsurteile BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn. 36 mwN und vom 16. Februar 2022 XII ZR 17/21 NJW 2022, 1378 Rn. 23). Allein in der vertraglichen Festlegung eines bestimmten Nutzungszwecks kann eine solche Vereinbarung nicht gesehen werden.
[18] 2. Die Beklagten sind auch nicht deshalb von ihrer Verpflichtung zur Mietzahlung teilweise befreit, weil dem Kläger in den maßgeblichen Zeiträumen seine vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand ganz oder teilweise unmöglich gewesen wäre (§§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB). Wie bereits ausgeführt, war es dem Kläger sowohl in den Monaten Mai bis Juli 2020 als auch in der Zeit, in der die Beklagten den Betrieb ihres Friseur- und Kosmetiksalon vollständig einstellen mussten, nicht unmöglich, ihnen den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren. Der Kläger hat daher auch während der Zeit dieser Gebrauchsbeschränkungen die von ihm gemäß § 535 Abs. 1 BGB geschuldete Leistung erbracht. Eine Einstandspflicht für den Fall von hoheitlich angeordneten Betriebsuntersagungen und -beschränkungen im Falle einer Pandemie hatte er mangels einer entsprechenden Vereinbarung nicht übernommen (vgl. Senatsurteil BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn. 40).
[19] 3. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht schließlich einen Anspruch der Beklagten auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB dahingehend verneint, dass die geschuldete Miete wegen der pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkungen herabgesetzt wird.
[20] a) Für den Fall einer Geschäftsschließung oder -beschränkung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, hat der Senat entschieden, dass ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich in Betracht kommt (Senatsurteile BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn. 41 ff. und vom 16. Februar 2022 XII ZR 17/21 NJW 2022, 1378 Rn. 27 ff.).
[21] b) Obwohl in den Fällen einer pandemiebedingten Betriebsschließung oder -beeinträchtigung die sogenannten realen und hypothetischen Elemente des § 313 Abs. 1 BGB regelmäßig erfüllt sind, kommt ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Vertragsanpassung nur in Betracht, wenn auch das sogenannte normative Element des § 313 Abs. 1 BGB gegeben ist. Denn die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB berechtigt für sich genommen noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr verlangt die Vorschrift als weitere Voraussetzung, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Das ist nur dann der Fall, wenn ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (vgl. Senatsurteil BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn. 53 mwN). Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat allerdings nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn. 59 mwN).
[22] aa) Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf einer umfassenden Abwägung nach § 313 Abs. 1 BGB, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Dabei ist zunächst von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung oder -einschränkung und deren Dauer entstanden sind. Diese werden bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die fragliche Zeit der Schließung oder Nutzungseinschränkung bestehen. Zu berücksichtigen kann auch sein, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern (vgl. Senatsurteil BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn. 58).
[23] Allerdings müssen die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf pandemiebedingten hoheitlichen Maßnahmen beruhen, die den jeweiligen Betrieb konkret erfassen. Dies sind etwa die Anordnungen von Betriebsschließungen oder in Bezug zur Geschäftsfläche gesetzte Begrenzungen der Personenzahl. In Betracht kommt auch die Beschränkung des Zugangs auf Personen mit einem bestimmten Impfstatus ("2G" oder "2G+") ohne die jedermann eröffnete Möglichkeit, die Zugangsberechtigung auch durch einen Test zu erlangen. Denn damit werden potenzielle Kunden vollständig oder jedenfalls zum Teil vom Besuch des Ladengeschäfts ausgeschlossen, ohne dies kurzfristig selbst beeinflussen zu können. Von der Berücksichtigung im Rahmen des § 313 Abs. 1 BGB ausgenommen sind hingegen diejenigen Entwicklungen, die eine anderweitige Ursache haben und damit keine unmittelbare Folge der pandemiebedingten Beschränkungen darstellen. Dies gilt etwa für eine im Zuge der Pandemie zu beobachtende möglicherweise auch durch eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beeinflusste allgemeine Kaufzurückhaltung der Kunden, sofern diese nicht durch die die Geschäftsräume betreffenden Maßnahmen der Schließung oder Einschränkung verursacht ist. Insoweit geht es nämlich um dem Verwendungsrisiko des Mieters zuzuordnende Umstände der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2022 XII ZR 17/21 NJW 2022, 1378 Rn. 31 mwN).
[24] Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, sind bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn. 59 mwN). Zudem ist zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang der Mieter in der Zeit der Nutzungsbeschränkung Aufwendungen erspart hat.
[25] bb) Grundsätzlich obliegt es der Vertragspartei, die sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage beruft, nachzuweisen, dass ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Im Falle einer pandemiebedingten Geschäftsschließung oder -einschränkung muss deshalb der Mieter darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Nachteile, die eine vollständige Mietzahlung für diesen Zeitraum unzumutbar machen, ihm durch die Maßnahme entstanden sind, und welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um drohende Verluste auszugleichen. Behauptet der Mieter, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er sich um mögliche Hilfeleistungen vergeblich bemüht hat. Gelingt ihm dies nicht, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er die staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten. Wendet hingegen der Vermieter ein, dass die vom Mieter behaupteten Verluste auf von der COVID-19-Pandemie (vollständig) unabhängigen Umständen beruhen, trifft ihn hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Auf dieser Grundlage hat das Gericht in tatgerichtlicher Verantwortung und unter Berücksichtigung von § 287 ZPO für den konkreten Einzelfall die Voraussetzungen des § 313 BGB festzustellen und gegebenenfalls eine Vertragsanpassung vorzunehmen (Senatsurteil BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn. 61 f. mwN).
[26] c) Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts aus Rechtsgründen im Ergebnis nicht zu beanstanden.
[27] aa) Allerdings ist das Berufungsgericht, worauf die Revision zu Recht hinweist, bei seinen Erwägungen zu § 313 Abs. 1 BGB zu Unrecht davon ausgegangen, dass die wirtschaftlichen Folgen von hoheitlichen Betriebsbeschränkungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie allein das Verwendungsrisiko des Mieters betreffen. Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden, dass es über das gewöhnliche, von ihm regelmäßig allein zu tragende Verwendungsrisiko des Mieters hinausgeht, wenn eine enttäuschte Gewinnerwartung auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie einer Betriebsschließung oder -einschränkung für einen gewissen Zeitraum beruht. Denn mit der COVID-19-Pandemie hat sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne eine entsprechende vertragliche Regelung nicht erfasst wird. Diese Systemkrise mit ihren weitreichenden Folgen hat vielmehr zu einer Störung der großen Geschäftsgrundlage geführt. Das damit verbundene Risiko kann regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2022 XII ZR 17/21 NJW 2022, 1378 Rn. 30 mwN). Trotz dieses fehlerhaften Ansatzes hat das Berufungsgericht jedoch letztlich im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats richtig erkannt, dass der Mieter bei einer Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache, die auf einer pandemiebedingten Betriebsschließung oder -einschränkung beruht, dann eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Maßnahme verlangen kann, wenn ihm ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Ob dies der Fall ist, bedarf einer umfassenden Abwägung nach § 313 Abs. 1 BGB, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Auch dies hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt.
[28] bb) Dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten nicht für ausreichend angesehen hat, um die Unzumutbarkeit eines Festhaltens an dem unveränderten Vertrag zu begründen, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
[29] Entgegen der Auffassung der Revision waren die Beklagten gehalten, zur Begründung ihres Anspruchs auf Vertragsanpassung umfassend zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der pandemiebedingten Beschränkungen ihres Geschäftsbetriebs in den streitgegenständlichen Zeiträumen vorzutragen. Bei der Prüfung des normativen Tatbestandsmerkmals des § 313 Abs. 1 BGB ist entscheidend, ob die Folgen der Störung der Geschäftsgrundlage den Mieter so erheblich belasten, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für ihn zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (vgl. Senatsurteil BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn. 53 mwN). Um dies beurteilen zu können, ist eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters erforderlich (vgl. Senatsurteil von 13. Juli 2022 XII ZR 75/21 NZM 2022, 802 Rn. 45). Denn nur dann ist dem Gericht die Prüfung möglich, ob dem Mieter trotz der eingetretenen Störung der Geschäftsgrundlage eine vollständige Zahlung der geschuldeten Miete zumutbar ist oder ob eine Vertragsanpassung erfolgen muss.
[30] Vorliegend haben die Beklagten jedoch nur vorgetragen, dass in den Monaten Mai bis Juli 2020 Einkünfte in Höhe von 28.500 € weggefallen seien, dass es in dem Zeitraum von April bis August 2020 zu einem Umsatzrückgang in Höhe von 26,56 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gekommen sei und sie keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten hätten. Dass das Berufungsgericht diesen Vortrag für die Darlegung der Unzumutbarkeit nicht für ausreichend erachtet hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, weil diese Angaben nicht genügen, um die wirtschaftliche Situation der Beklagten in den streitgegenständlichen Zeiträumen in der erforderlichen Weise beurteilen zu können. So bleibt aufgrund des Vorbingens der Beklagten unklar, ob und in welchem Umfang Einsparungen während der pandemiebedingten Betriebsbeschränkungen vorgenommen werden konnten und wie sich der behauptete Umsatzrückgang auf das Geschäftsergebnis der Beklagten ausgewirkt hat. Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Beklagten in dieser Zeit zusätzliche Einkünfte durch Untervermietung in Höhe von 500 € erzielt haben.
[31] 4. Schließlich hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Klageforderung nicht durch die von den Beklagten erklärte Aufrechnung ganz oder teilweise erloschen ist.
[32] Soweit das Berufungsgericht einen Anspruch der Beklagten auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB für die Monate März und April 2020 mit der Begründung abgelehnt hat, die Miete sei für diesen Zeitraum schon deshalb nicht anzupassen, weil sie von den Beklagten im Voraus entrichtet worden sei, ist dies allerdings, worauf die Revision zu Recht hinweist, rechtsfehlerhaft.
[33] Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Störung der Geschäftsgrundlage eines Austauschvertrags grundsätzlich dann nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn der Vertrag beiderseits vollständig erfüllt worden ist (vgl. BGH Urteil vom 15. November 2000 VIII ZR 324/99 NJW 2001, 1204, 1206 mwN). Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen wie einem Mietvertrag kommt regelmäßig eine Anpassung des Vertragsinhalts an die veränderten Verhältnisse nur für die Zukunft in Betracht (vgl. BGHZ 58, 355 = NJW 1972, 1577, 1579 und BGH Urteil vom 21. April 1983 I ZR 201/80 NJW 1983, 2143, 2144). Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Liegen bei einem Mietvertrag die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage vor, kann der Vertrag grundsätzlich auch rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eintritts der Vertragsstörung angepasst werden, wenn einer der Vertragsparteien die Aufrechterhaltung der erbrachten Leistung nicht zumutbar ist. Wenn dies der Fall ist, muss die erbrachte Leistung zurückgewährt werden (vgl. BeckOGK/Martens [Stand: 1. Oktober 2022] BGB § 313 Rn. 139 f.; MünchKommBGB/Finkenauer 9. Aufl. § 313 Rn. 98; vgl. auch BGH Urteil vom 7. Juli 2004 VIII ZR 192/03 NJW 2004, 3115, 3116).
[34] Die Entscheidung des Berufungsgerichts zu diesem Punkt stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar. Denn es hat eine aufrechenbare Gegenforderung der Beklagten wegen Störung der Geschäftsgrundlage auch mit der Begründung abgelehnt, dass sich die ab dem 23. März 2020 eingetretenen pandemiebedingten Betriebsbeschränkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beklagten in diesem Monat kaum ausgewirkt haben könnten. Einen Anspruch auf Vertragsanpassung für den Monat April 2020 hat das Berufungsgericht mit der Begründung abgelehnt, dass die Betriebsschließung in diesem Monat nur zu einem Umsatzrückgang von 10-15 % geführt habe. Hiergegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern, zumal wie bereits ausgeführt die Beklagten für sämtliche streitgegenständlichen Zeiträume keinen ausreichenden Vortrag dazu gehalten haben, dass ihnen eine vollständige Zahlung der geschuldeten Miete unzumutbar gewesen ist.
Guhling Klinkhammer Schilling
Günter Botur