BGH, Urteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 121/17

16.05.2018

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

27. Februar 2018

OlovcicJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: ja

BGHR: ja


BGB § 823 Abs. 1 (L), HGB § 353 Satz 1


Eine Geldschuld aus unerlaubter Handlung ist nicht gemäß § 353 Satz 1 HGB ab Fälligkeit zu verzinsen, auch wenn sie im Zusammenhang mit einem beiderseitigen Handelsgeschäft entstanden ist.


BGH, Urteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 121/17 - OLG Jena, LG Gera


Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch und die Richterin Dr. Oehler

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 22. Februar 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zu 2 zur Zahlung eines Betrages von 112.241,74 € an Zinsen aus dem Zeitraum vor dem 6. August 2009 verurteilt worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Die Klägerinnen nehmen - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - die Beklagte zu 2 auf Zahlung von Zinsen in Anspruch.

[2] Die Klägerin zu 2 produziert Fensterprofile aus Kunststoff. Sie ist eine Tochtergesellschaft der Klägerin zu 1, einer Firmen-Holding. Diese ist Eigentümerin der Anlage und des Fabrikgeländes, die sie an die Klägerin zu 2 verpachtet hat.

[3] Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 bestellte 1997 bei der Beklagten zu 2, die ihren Firmensitz in Italien hat, zwei Kunststoffmischer. Die Beklagte zu 2 lieferte diese Ende 1997 an die Betriebsstätte der Klägerin zu 2 und wirkte an der Inbetriebnahme mit. Die Steuerung für die beiden Mischer lieferte die Beklagte zu 1. Am 11. Juli 2005 kam es zu einem Störfall an der Steuereinheit der Mischer. Die Klägerin zu 2 beauftragte die Beklagte zu 1, die Störungen im Wege der Fernwartung zu beheben. Der sich gerade in Betrieb befindliche Mischer schaltete sich nicht ab, wodurch es zu einer Überhitzung des Kunststoffmaterials kam, der Produktionsprozess im Mischer außer Kontrolle geriet und Chlorwasserstoff austrat. Dieser bildete in Verbindung mit der Luftfeuchtigkeit Salzsäure, die sich auf Geräten, Kabeln, Rohrleitungen und im Gebäude verteilte. Mit Schreiben vom 27. Juli 2009 forderten die Klägerinnen die Beklagten unter Fristsetzung bis zum 5. August 2009 zum Ersatz der durch den Störfall entstandenen Schäden auf.

[4] Mit ihrer Klage haben die Klägerinnen neben den eigentlichen Schadensbeseitigungskosten und Verzugszinsen verlangt, an die Klägerin zu 2 Zinsen in Höhe von 112.241,74 € (im Folgenden: weiterer Zinsanspruch) aus dem Zeitraum vor dem 6. August 2009, also vor Beginn des Verzuges, zu zahlen. Sie stützen diese Forderung einerseits als Fälligkeitszinsen auf § 353 Satz 1 HGB, ordnen sie andererseits als Schadensersatzforderung ein.

[5] Das Landgericht hat der Klage auf Schadensersatz weitgehend stattgegeben, den weiteren Zinsanspruch aber abgewiesen, da insoweit schlüssiger Vortrag fehle. Auf die Berufungen der Klägerinnen und der Beklagten hat das Oberlandesgericht mit Grundurteil vom 29. April 2015 festgestellt, dass die Beklagten dem Grunde nach verpflichtet seien, der Klägerin zu 2 die Schäden zu ersetzen, die durch den Störfall an der Mischeranlage am 11. Juli 2005 entstanden seien. Die Beklagte zu 2 hafte den Klägerinnen nach § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz für die eingetretenen Schäden an der Anlage und den Fabrikräumlichkeiten, der Klägerin zu 1 wegen des Substanzschadens, der Klägerin zu 2 wegen Verletzung ihres Besitzrechts. Der vertragliche Schadensersatzanspruch der Klägerin zu 1 aus Art. 45 Abs. 1 CISG sei verjährt. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision gegen dieses Grundurteil hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 23. August 2016 (Az.: VIII ZR 125/15) zurückgewiesen.

[6] Mit Urteil vom 22. Februar 2017 hat das Oberlandesgericht der Klage hinsichtlich der Hauptforderung stattgegeben und die Beklagten darüber hinaus verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin zu 2 weitere 112.241,74 € an Fälligkeitszinsen zu zahlen. Die Revision hat es zur Klärung der Frage zugelassen, ob § 353 HGB auch auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung Anwendung finde.

[7] Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte zu 2 ihren Antrag auf Abweisung des weiteren Zinsanspruchs weiter.

Entscheidungsgründe

[8] I. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf das Grundurteil einen Anspruch der Klägerinnen gegen die Beklagte zu 2 gemäß § 353 HGB auf Zahlung weiterer Zinsen an die Klägerin zu 2 aus dem Zeitraum vor dem 6. August 2009 bejaht. Die Haftung der Beklagten zu 2 folge aus § 823 Abs. 1 BGB; der weitere Zinsanspruch ergebe sich aus § 353 HGB, da die durch die Beklagte zu 2 begangene unerlaubte Handlung sich vorliegend als Handelsgeschäft darstelle. Zwar sei eine unerlaubte Handlung dann kein Handelsgeschäft, wenn sie sich auf die Verletzung der allgemeinen Handlungspflichten gegenüber Dritten beschränke. Anders sei die Situation jedoch, wenn die unerlaubte Handlung im Zusammenhang mit einer geschäftlichen Beziehung erfolge. Der geschäftliche Charakter des Verhaltens entfalle nicht dadurch, dass (auch) ein deliktisches Verhalten vorliege. Vielmehr sei in einer solchen Situation eine einheitliche Betrachtung angezeigt; eine künstliche Trennung wäre sachwidrig. Für die Einordnung einer Handlung als geschäftliches Verhalten im Sinne der §§ 343, 353 HGB komme es allein auf den geschäftlichen Bezug an. Liege ein solcher vor, sei auf einen Anspruch aus unerlaubter Handlung, die im Rahmen einer Geschäftsbeziehung begangen werde, § 353 HGB anwendbar.

[9] Die unerlaubte Handlung der Beklagten zu 2 habe in einem solchen inneren Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft gestanden, nämlich dem im April 1997 geschlossenen Vertrag mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1. Die Beklagte zu 2 habe ihre Pflichten aus diesem Vertrag verletzt, indem sie die technisch notwendige stromunabhängige Notabschaltung für den Mischer nicht eingebaut und überdies durch unberechtigtes Anbringen des CE-Kennzeichens suggeriert habe, dass die Maschine den einschlägigen Sicherheitsstandards entspreche.

[10] Einer Haftung der Beklagten zu 2 aus Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG habe nur entgegengestanden, dass der Schadensersatzanspruch nicht durchsetzbar gewesen sei, weil die Beklagte zu 2 sich mit Erfolg auf die Verjährungseinrede berufen habe. Bei einem solchen Zusammentreffen von vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüchen, die auf demselben einheitlichen Lebensvorgang fußten, gebiete es der innere Sachzusammenhang, auch auf den Anspruch aus unerlaubter Handlung § 353 HGB anzuwenden.

[11] II. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht stand. Die Revision führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein weiterer Zinsanspruch gegen die Beklagte zu 2 vor Eintritt des Verzuges nicht bejaht werden. Entgegen seiner Auffassung ist der gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB nicht gemäß § 353 Satz 1 HGB zu verzinsen.

[12] 1. Nach § 353 Satz 1 HGB sind Kaufleute untereinander berechtigt, für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern. Die Frage, ob diese Vorschrift auch auf Schadenersatzansprüche zwischen Kaufleuten aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB anwendbar ist, ist - soweit ersichtlich - bisher höchstrichterlich nicht entschieden.

[13] Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 10. Juli 1986 (I ZR 102/84, NJW-RR 1987, 181, 183) lediglich entschieden, dass der für Handelsgeschäfte geltende gesetzliche Zinssatz von 5 % nach § 352 HGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung - selbst wenn sie im Zusammenhang mit einem beiderseitigen Handelsgeschäft entstanden sind - keine Anwendung findet. Diese Entscheidung steht im Einklang mit weiteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, wonach Bereicherungsansprüche zwischen Kaufleuten (BGH, Urteil vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420, 1423; ebenso: Reichsgericht, Urteil vom 23. Mai 1919 - II 376/18, RGZ 96, 53, 57) und insolvenzrechtliche Rückgewähransprüche aus § 37 KO a.F. (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - IX ZR 167/86, NJW 1987, 2821, 2823, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 101, 286 ff.) auch dann keine Ansprüche aus beiderseitigen Handelsgeschäften im Sinne des § 352 HGB darstellen, wenn das zugrunde liegende Rechtsgeschäft oder die angefochtene Rechtshandlung ein solches war. Hinsichtlich der ebenfalls im Vierten Buch geregelten Rügeobliegenheit unter Kaufleuten (§ 377 HGB) hat der Bundesgerichtshof eine Anwendbarkeit auf deliktische Ansprüche verneint (BGH, Urteil vom 16. September 1987

- VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 343 f.).

[14] Die Auffassung im Schrifttum ist geteilt: Ein Teil des Schrifttums geht davon aus, dass Ansprüche aus unerlaubter Handlung zumindest dann Forderungen aus Handelsgeschäften sein können, wenn die unerlaubte Handlung in einem inneren Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft steht (EBJS/Joost, 3. Aufl., HGB § 343 Rn. 16; Hefermehl in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl., § 343 Rn. 13; Wagner in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., § 343 Rn. 5; Koller in Staub, HGB, 4. Aufl., § 343 Rn. 4; so wohl auch v. Godin in RGR Komm. z. HGB, 2. Aufl., § 343 Anm. 14). Dies wird vor allem dann angenommen, wenn der in der unerlaubten Handlung liegende Realakt auf ein Handelsgeschäft bzw. auf das Vorhandensein eines rechtsgeschäftlichen Kontakts zwischen den Parteien bezogen ist (BeckOK HGB/Lehmann-Richter, 15.1.2018, HGB, § 353 Rn. 9, § 343 Rn. 11), da in diesen Fällen eine einheitliche Behandlung aller Ansprüche, die auf demselben Lebenstatbestand beruhten, geboten und eine künstliche Trennung sachwidrig sei (Hefermehl in Schlegelberger, HGB, 5. Aufl., § 343 Rn. 13). Die Gegenansicht definiere den Begriff des Handelsgeschäfts zu eng. Ein Handelsgeschäft im Sinne der §§ 343, 344 HGB liege nicht nur bei zum Betrieb des Handelsgewerbes gehörenden Rechtsgeschäften, sondern auch bei bloßen Rechtshandlungen, mithin also bei jedem zum Betrieb des Handelsgewerbes zu rechnenden rechtserheblichen Verhalten vor. Führe nun eine derartige Rechtshandlung zu einem gesetzlichen Anspruch, so habe dieser seine Grundlage in einem Handelsgeschäft (EBJS/Kindler, HGB, 3. Aufl., § 352 Rn. 11, 13).

[15] Nach anderer Auffassung ist zwar der Begriff des Geschäfts im Sinne von § 343 Abs. 1 HGB nach allgemeiner Meinung weiter zu fassen als derjenige des Rechtsgeschäfts bzw. der Willenserklärung im Sinne von §§ 104 bis 185 BGB (vgl. dazu nur Oetker/Pamp, HGB, 5. Aufl., § 343 Rn. 4; Roth in Koller/

Kindler/Roth/Morck, HGB, 8. Aufl., § 343 Rn. 3). Keine Geschäfte in diesem Sinne sollen aber unerlaubte Handlungen sein (vgl. Oetker/Pamp, HGB, 5. Aufl., § 343 Rn. 8; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl., § 343 Rn. 1; HK-HGB/Ruß, 7. Aufl., § 343 Rn. 1; Klappstein in Heidel/Schall, HGB, 2. Aufl., § 343 Rn. 3; Roth in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, 8. Aufl., § 343 Rn. 3; MünchKommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 343 Rn. 5; zweifelnd Heymann/Horn, HGB, 2. Aufl., § 343 Rn. 9). Kritisiert wird insbesondere, dass das Differenzierungsmerkmal, wonach die unerlaubte Handlung dann Handelsgeschäft sein soll, wenn der Vorgang in einem "inneren Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft" steht, zu unbestimmt sei und auch nicht konsequent durchgehalten werde. So würden Schadensersatzansprüche nach einem Unfall des Kaufmanns auf der Geschäftsfahrt nicht darunter gefasst (vgl. Oetker/Pamp, HGB, 5. Aufl., § 343 Rn. 8).

[16] 2. Der Senat schließt sich im Ergebnis der letztgenannten Auffassung an. Dass ein Vertragspartner im Zusammenhang mit Handelsgeschäften unerlaubte Handlungen begehen kann, macht diese und die aus ihnen resultierenden gesetzlichen Schuldverhältnisse nicht selbst zu Handelsgeschäften (MünchKomm

HGB/K. Schmidt, 3. Aufl. 2013, HGB § 343 Rn. 5). Entscheidend ist dafür neben der oben dargestellten berechtigten Kritik, dass § 353 Satz 1 HGB im Hinblick auf seine bereits für rechtsgeschäftliche Ansprüche von Kaufleuten untereinander zweifelhaft (gewordene) ratio legis eng auszulegen ist.

[17] § 353 Satz 1 HGB sieht abweichend von den für Nichtkaufleute geltenden allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Regelungen, wonach bei Fehlen anderweitiger Abreden Zinsen ab Eintritt des Verzuges bzw. der Rechtshängigkeit geschuldet werden, unter Kaufleuten eine Verzinsung bereits vom Tage der Fälligkeit an vor. Eine entsprechende Regelung enthielt bereits Art. 289 ADHGB, mit der der Gesetzgeber auf der Grundlage von Zinsgebräuchen im Kaufmannswesen eine gesetzliche Verzinsung aus kaufmännischer Gepflogenheit übernommen hatte (vgl. Oetker/Pamp, HGB, 5. Aufl., § 353 Rn. 1; Kindler, Gesetzliche Zinsansprüche im Zivil- und Handelsrecht, 1996, S. 34, 167). § 353 Satz 1 HGB ist nach allgemeiner Meinung Ausdruck des handelsrechtlichen Entgeltprinzips, demzufolge der Kaufmann "nichts umsonst tut" (Kindler in EBJS, HGB, 3. Aufl., § 353 Rn. 2 mwN). Die Regelung soll auf der Erfahrungstatsache beruhen, dass ein Kaufmann ihm zustehendes Geld stets nutzbringend anlegen wird (vgl. dazu und auch zum Folgenden ausführlich Kindler, aaO Rn. 2 ff.). Sie wird auch mit der gegenüber dem Privatmann größeren Bedeutung der Liquidität des Kaufmanns begründet (vgl. Klappstein in Heidel/Schall, HGB, 2. Aufl., § 353 Rn. 1; MünchKommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 353 Rn. 1). Ausgehend von der Perspektive des kaufmännischen Geldgläubigers wird im Zinsanspruch eine Entschädigung für die Vorenthaltung des Kapitals gesehen und dieser als ein Schadensersatzanspruch qualifiziert (vgl. Kindler, aaO Rn. 2; Canaris in Staub, HGB, 4. Aufl., § 353 Rn. 3 jeweils mwN; Heymann/Horn, HGB, 2. Aufl., § 353 Rn. 1). Nach anderer Auffassung ausgehend von der Perspektive des Geldschuldners stellt sich der Fälligkeitszins als Entgelt für die bei diesem präsumtiv eingetretene Kapitalnutzung dar und ist deshalb als bereicherungsrechtlicher Vermögensausgleich einzustufen (vgl. die Darstellung bei Kindler, aaO Rn. 3; Canaris in Staub, aaO Rn. 4; BeckOK HGB/Lehmann-Richter, 15.1.2018, § 353 Rn. 1 jeweils mwN). Nach vermittelnder Auffassung begründet § 353 Satz 1 HGB einen Anspruch sui generis, in dem sich bereicherungs- und schadensersatzrechtliche Aspekte miteinander verbinden (vgl. Canaris in Staub aaO Rn. 5).

[18] Welcher Auffassung für die hier zu beantwortende Frage zu folgen ist, kann offen bleiben. Die unterschiedlichen Betrachtungsweisen helfen nicht darüber hinweg, dass die ratio legis der Norm schwer zu erfassen und aus heutiger Sicht in Bezug auf das Zinsrecht eine Ungleichbehandlung von Kaufleuten und Nichtkaufleuten kaum nachzuvollziehen ist (vgl. zur Kritik der Norm Kindler, Gesetzliche Zinsansprüche im Zivil- und Handelsrecht, 1996, S. 59, 167; Kindler in EBJS aaO Rn. 5; Canaris in Staub aaO § 353 Rn. 6 f.; aA MünchKommHGB/K. Schmidt, aaO Rn. 3; BeckOK HGB/Lehmann-Richter, 15.1.2018, § 353 Rn. 2), da bereits die Annahme der höheren Produktivität des Geldes in den Händen von Kaufleuten fraglich erscheint (vgl. dazu Kindler, Gesetzliche Zinsansprüche im Zivil- und Handelsrecht, 1996, S. 59). Im Hinblick auf diese Bedenken ist jedenfalls eine enge Auslegung der Norm geboten, die einer Erstreckung auf Forderungen aus unerlaubter Handlung entgegensteht.

[19] Dieses Ergebnis fügt sich ein in die dargestellte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 352 HGB (BGH, Urteile vom 10. Juli 1986 - I ZR 102/84, NJW-RR 1987, 181, 183; vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420, 1423; vom 9. Juli 1987 - IX ZR 167/86, NJW 1987, 2821, 2823).

[20] Für dieses Ergebnis spricht auch, dass es sich bei dem Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung regelmäßig um eine echte Anspruchskonkurrenz handelt mit der Folge, dass jeder Anspruch nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurteilen ist und seinen eigenen Regeln folgt (vgl. BGH, Urteile vom 16. September 1987 - VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 344; vom 17. Dezember 1991 - I ZR 212/89, BGHZ 116, 297, 300; vom 28. November 1994 - VIII ZR 44/94, IPrax 1996, 124, 125; Senatsurteil vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 201; BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 - KZR 27/13, NJW 2014, 3089 Rn. 53; vom 19. Oktober 2004 - X ZR 142/03, NJW-RR 2005, 172). Dies gilt auch für die Zuordnung der gesetzlichen Zinsansprüche.

[21] III. Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts insoweit keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil es - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob und inwieweit sich der geltend gemachte Anspruch der Klägerinnen gegen die Beklagte auf Ersatz der Finanzierungskosten aus anderen Rechtsgründen, insbesondere als Ersatz von Herstellungsaufwand gem. § 823 Abs. 1, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt. Ein Kontokorrentkredit soll in Anspruch genommen worden sein, um im Rahmen der Schadensbeseitigung angefallene Rechnungen begleichen zu können.

Ein solcher Anspruch ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zumindest nicht ausgeschlossen.

Galke Wellner von Pentz

Offenloch Oehler

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