BGH, Urteil vom 27. März 2023 - VIa ZR 1140/22

16.05.2023

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

27. März 2023

WendtJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


ZPO § 319 Abs. 1, § 511 Abs. 2 Nr. 1


Zur Erledigung der Berufung im Fall der Berichtigung des erstinstanzlichen Urteils.


BGH, Urteil vom 27. März 2023 - VIa ZR 1140/22 - OLG Schleswig, LG Kiel


Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2023 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Menges als Vorsitzende, die Richterin Dr. Krüger, die Richter Dr. Götz, Dr. Rensen und die Richterin Wille

für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 8. Juli 2022 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Der Kläger erwarb im Oktober 2017 bei einem Händler ein gebrauchtes Fahrzeug des Typs Audi A6 Allroad Quattro 3.0 TDI mit einer Laufleistung von 161.850 Kilometern zum Preis von 25.300 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 897 ausgestattet. Der Motor verfügte über eine Prüfzykluserkennung, die das Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässig beanstandete.

[2] Mit seiner Klage hat der Kläger Schadensersatz in Höhe von zuletzt 15.289,19 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.072,77 € nebst Zinsen begehrt.

[3] Mit Urteil vom 8. Juli 2021, dem Kläger zugestellt am 15. Juli 2021, hat das Landgericht dem Kläger Schadensersatz in Höhe von 6.914,94 € und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten über 633,94 € nebst Zinsen zugesprochen sowie den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Die Kosten des Rechtsstreits hat es zu 55 % dem Kläger und zu 45 % der Beklagten auferlegt. Den zugesprochenen Schadensersatz hat das Landgericht ermittelt, indem es von dem mit 23.500 € angesetzten Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung von 16.585,06 € in Abzug gebracht hat. Dabei hat es die Nutzungsentschädigung in der Weise errechnet, dass es den Betrag von 23.500 € mit 74.501 zurückgelegten Kilometern multipliziert und diesen Wert auf der Grundlage einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung von 350.000 Kilometern durch eine zu erwartende Restlaufleistung von 113.649 Kilometern dividiert hat. Die Höhe der zu ersetzenden Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von bis zu 7.000 € ermittelt.

[4] Der Kläger hat am 26. Juli 2021 beantragt, das landgerichtliche Urteil dahin zu berichtigen, dass ihm ein Betrag von 15.282,06 € zugesprochen werde und die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Am 13. August 2021 hat er Berufung eingelegt. Nachdem das Landgericht mit Beschluss vom 18. August 2021 den Tenor seines Urteils in der Hauptsache antragsgemäß berichtigt hat, hat der Kläger die Berufung innerhalb der verlängerten Begründungsfrist für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

[5] Das Berufungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass die Berufung erledigt ist. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Klägers weiter. Der ordnungsgemäß geladene Kläger war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Beklagte beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

Entscheidungsgründe:

[6] Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Über das Rechtsmittel ist trotz der Säumnis des Klägers nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch kontradiktorisches Urteil zu entscheiden, weil sich die Revision als unbegründet erweist (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2022 - X ZR 35/22, NJW 2023, 50 Rn. 10; Urteil vom 13. Oktober 2022 - X ZR 1/22, juris Rn. 14).

[7] I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

[8] Die einseitige Erklärung der Erledigung der Berufung sei zulässig, weil der Kläger nur auf diese Weise seiner Kostenlast entgehen könne. Die Berufung habe sich erledigt, weil sie zunächst zulässig gewesen und später infolge des Berichtigungsbeschlusses unzulässig geworden sei. Der Kläger habe anfangs ein Rechtsschutzbedürfnis an der Berufung gehabt, auch wenn die Fehlerhaftigkeit der zugesprochenen Geldsumme durch eine Berichtigung nach § 319 ZPO habe beseitigt werden können. Zwar habe der ausgeurteilte Betrag offensichtlich auf einem Rechenfehler beruht. Der Kläger habe jedoch nicht sicher sein können, dass sein Berichtigungsantrag vollen Erfolg haben werde, weil er nicht habe ausschließen können, dass das Landgericht auch die Gesamtlaufleistung aufgrund eines Schreibversehens auf 300.000 Kilometer berichtigen werde. Infolge der Berichtigung des angefochtenen Urteils auf den vom Kläger erstrebten Betrag sei seine für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Beschwer nachträglich entfallen. Erst durch den Berichtigungsbeschluss sei die tatsächliche Ungewissheit über den Ausgang des Berichtigungsverfahrens beseitigt worden, auch wenn die Berichtigung rechtlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des erstinstanzlichen Urteils zurückgewirkt habe.

[9] II. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Berufung des Klägers erledigt ist. Eine Erledigung des Rechtsmittels ist gegeben, wenn ein ursprünglich zulässiges und begründetes Rechtsmittel nachträglich unzulässig

oder unbegründet wird (BGH, Urteil vom 30. September 2009 - VIII ZR 29/09, NJW-RR 2010, 19 Rn. 10; Beschluss vom 29. März 2018 - I ZB 54/17, NJW-RR 2019, 317 Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

[10] 1. Die Berufung des Klägers war ursprünglich zulässig.

[11] a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger durch das landgerichtliche Urteil bei Einlegung des Rechtsmittels (formell) in Höhe von mehr als 600 € beschwert war (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Entgegen der Ansicht der Revision steht der Beschwer des Klägers nicht entgegen, dass der Berichtigungsbeschluss auf den Zeitpunkt des Erlasses des landgerichtlichen Urteils zurückwirkt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. Dezember 1983 - V ZR 21/83, BGHZ 89, 184, 186; Urteil vom 14. Juli 1994 - IX ZR 193/93, BGHZ 127, 74, 81; Urteil vom 20. November 2018 - II ZR 12/17, NJW 2019, 993 Rn. 15, insoweit in BGHZ 220, 207 nicht abgedruckt).

[12] Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erledigung ist derjenige des Eintritts des tatsächlichen Ereignisses, das zum Wegfall der Beschwer und damit zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels führt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 268/02, BGHZ 155, 392, 398; Urteil vom 5. März 2014 - IV ZR 102/13, juris Rn. 12; Beschluss vom 8. März 2022 - XI ZR 571/21, AG 2022, 443 Rn. 10; Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 91a Rn. 34; Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl., § 91a Rn. 44). Dieses Ereignis besteht vorliegend in dem während des Berufungsverfahrens ergangenen Berichtigungsbeschluss. Der Beschluss hat zur Folge, dass der Tenor des landgerichtlichen Urteils rückwirkend auf Zahlung von 15.282,06 € lautet, so dass der Berufung nachträglich die Grundlage entzogen worden ist (zur Feststellung der Wirksamkeit der Klagerücknahme vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 219/97, NJW 1998, 2453, 2454; zur Rücknahme des Haftbefehlsantrags vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2018 - I ZB 54/17, NJW-RR 2019, 317 Rn. 13; zur Rücknahme des Vollstreckungsauftrags vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2018 - I ZB 24/17, DGVZ 2019, 79 Rn. 12; zur Aufrechnung vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 268/02, BGHZ 155, 392, 398; zur Testamentsanfechtung aA BGH, Urteil vom 25. Juni 2003 - IV ZR 285/02, NJW 2003, 3268, 3270).

[13] b) Als rechtsfehlerfrei erweist sich auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger anfangs über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung verfügte.

[14] aa) Aus der Beschwer durch das angefochtene Urteil ergibt sich regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis des Rechtsmittelführers für die Anrufung der höheren Instanz (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1971 - IV ZR 26/70, BGHZ 57, 224, 225; Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04, NJW 2005, 3773, 3774). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur ausnahmsweise, wenn der gesetzlich vorgesehene Rechtsmittelweg unnötig beschritten wird, weil das verfolgte Begehren auf einem einfacheren und kostengünstigeren Weg zu erlangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1971, aaO; Urteil vom 11. Oktober 2005, aaO; Urteil vom 30. September 2009 - VIII ZR 29/09, NJW-RR 2010, 19 Rn. 20). Auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg darf die betroffene Partei jedoch nicht verwiesen werden (BGH, Urteil vom 30. September 2009, aaO; zur Klage vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2022 - I ZR 180/21, NJW-RR 2023, 66 Rn. 16 mwN). Ein schnelleres und billigeres Mittel des Rechtsschutzes lässt das berechtigte Interesse für ein Rechtsmittel deshalb nur entfallen, sofern es wenigstens vergleichbar sicher oder wirkungsvoll alle erforderlichen Rechtsschutzziele herbeiführen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2013 - III ZR 156/12, BGHZ 197, 147 Rn. 10; Beschluss vom 10. Februar 2016 - IV AR (VZ) 8/15, NJW-RR 2016, 445 Rn. 10 mwN).

[15] Auf dieser Grundlage wird in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum vertreten, für die Einlegung der Berufung bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn ein Berichtigungsantrag nach § 319 Abs. 1 ZPO einen ebenso sicheren Weg zur Korrektur des unrichtigen erstinstanzlichen Urteils darstelle. Hiervon sei auszugehen, wenn die Fehlerhaftigkeit des Urteils zweifelsfrei auf einer offenbaren Unrichtigkeit beruhe und die betroffene Partei deshalb sicher sein könne, dass der Fehler berichtigt werde (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 5. November 2020 - 22 U 222/19, juris Rn. 36 f.; OLG Karlsruhe, MDR 2003, 523; OLG Köln, NJOZ 2012, 403, 403 f.; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 1221, 1222; LG Berlin, Beschluss vom 13. Juli 2021 - 67 S 101/21, juris Rn. 1; BeckOK ZPO/?Elzer, 47. Edition [Stand: 1. Dezember 2022], § 319 Rn. 67; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 319 Rn. 18; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 319 Rn. 17; aA [Grundsatz der Meistbegünstigung] OLG Köln, FamRZ 1998, 1239; OLG München, Urteil vom 16. September 2014 - 9 U 4050/12, juris Rn. 19; Hunke in Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl., § 319 Rn. 18).

[16] bb) Im Streitfall kann offenbleiben, ob diese Ansicht Zustimmung verdient (dagegen wohl BGH, Urteil vom 21. Juli 2017 - V ZR 72/16, NZM 2017, 853 Rn. 11; Beschluss vom 9. November 1977 - VIII ZB 34/77, VersR 1978, 139). Dagegen spricht, dass sich für die betroffene Partei ein Berichtigungsantrag nicht als ebenso wirkungsvoll wie eine Berufung darstellt. Sie kann mit einem Berichtigungsantrag - anders als mit der Berufung (§ 707 Abs. 1, § 719 Abs. 1 ZPO) - eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten erstinstanzlichen Urteil nicht erreichen. Außerdem ist ein den Berichtigungsantrag zurückweisender Beschluss - anders als ein die Berufung zurückweisendes Urteil (§ 542 Abs. 1, § 543 Abs. 1 ZPO) - nicht anfechtbar (§ 319 Abs. 3 ZPO).

[17] Vorliegend stellte der Berichtigungsantrag des Klägers jedenfalls keinen ebenso sicheren Weg wie die eingelegte Berufung dar, um die gewünschte Korrektur des landgerichtlichen Urteils zu erreichen. Aus dem angefochtenen Urteil ergab sich nicht unzweifelhaft, dass der dem Kläger zugesprochene Betrag von 6.914,94 € wegen evidenter Fehlerhaftigkeit der errechneten Nutzungsentschädigung im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO offenkundig unrichtig und auf 15.282,06 € zu berichtigen war. Das angefochtene Urteil wies nicht unmittelbar aus, dass die in die Berechnung der Nutzungsentschädigung eingestellte Restlaufleistung anhand der Laufleistung im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs und nicht - wie geschehen - anhand der ebenfalls angeführten Laufleistung im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung ermittelt werden sollte. Zudem war der Betrag von 6.914,94 € nicht nur im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Urteils ausgewiesen, sondern diente erkennbar auch als Gegenstandswert für die vom Landgericht als erstattungsfähig angesehenen Rechtsanwaltskosten und als Grundlage für die vorgenommene Kostenteilung. Unter diesen Umständen konnte der Kläger nicht sicher sein, dass das Landgericht den Betrag von 6.914,94 € nicht als auf einer fehlerhaften Willensbildung beruhend (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 - XI ZB 7/13, NJW 2014, 3101 Rn. 8), sondern als evidenten Verlautbarungsfehler ansehen und das angefochtene Urteil deshalb umfassend berichtigen werde.

[18] 2. Die Berufung des Klägers ist nachträglich unzulässig geworden. Infolge der Berichtigung des landgerichtlichen Urteils im Laufe des Berufungsverfahrens sind die erforderliche Beschwer des Klägers und damit auch sein Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung entfallen. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger diesem Umstand dadurch Rechnung tragen konnte, dass er die Berufung für erledigt erklärt hat.

[19] a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine auf ein Rechtsmittel bezogene einseitige Erledigungserklärung jedenfalls dann zulässig, wenn hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht, weil nur auf diese Weise eine angemessene Kostenentscheidung erzielt werden kann (BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 219/97, NJW 1998, 2453, 2454; Beschluss vom 20. Januar 2009 - VIII ZB 47/08, NJW-RR 2009, 855 Rn. 4; Beschluss vom 20. Dezember 2018 - I ZB 24/17, DGVZ 2019, 79 Rn. 10; Beschluss vom 26. August 2020 - XII ZB 243/19, FamRZ 2020, 1941 Rn. 8), und zudem das die Zulässigkeit oder Begründetheit des Rechtsmittels erledigende Ereignis als solches außer Streit steht (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2018, aaO; Beschluss vom 26. August 2020, aaO).

[20] b) Vorliegend ermöglichte nur eine auf die Berufung bezogene Erledigungserklärung des Klägers eine angemessene Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens.

[21] Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger, nachdem infolge der Urteilsberichtigung seine erforderliche Beschwer entfallen war, ohne eine Erledigungserklärung der durch die Verwerfung seiner Berufung als unzulässig drohenden Kostenlast (§ 97 Abs. 1 ZPO) ausgesetzt war. Bei einer Rücknahme des Rechtsmittels hätte er trotz der anfänglichen Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils die Kosten des Berufungsverfahrens tragen müssen (§ 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Demgegenüber hätte die Beklagte das wegen der Fehlerhaftigkeit des landgerichtlichen Urteils eingeleitete Berufungsverfahren und ihre mit Blick auf die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels drohende Kostenlast vermeiden können, wenn sie frühzeitig den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe des zutreffend berechneten Betrags von 15.282,06 € anerkannt oder nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils und Zugang des Berichtigungsantrags die Klageforderung in dieser Höhe zeitnah erfüllt hätte. Bei einer solchen Sachlage erscheint es angemessen, den Kläger durch die Zulassung der auf die Berufung bezogenen einseitigen Erledigungserklärung von den Kosten des Berufungsverfahrens zu entlasten und eine Kostenentscheidung zulasten der Beklagten zu ermöglichen.

[22] c) Dieser Beurteilung steht entgegen der Annahme des Berufungsgerichts die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 1994 (IX ZR 193/93, BGHZ 127, 74) nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit einer auf die Berufung bezogenen einseitigen Erledigungserklärung bei einer nachträglichen Berichtigung des erstinstanzlichen Urteils nicht generell abgelehnt. Er hat eine entsprechende Anwendung des § 91a ZPO lediglich für die Fallgestaltung verneint, dass die Berufung von einem erstinstanzlich verurteilten Dritten eingelegt worden ist, der infolge eines Berichtigungsbeschlusses und des damit einhergehenden rückwirkenden Wegfalls seiner Parteistellung letztlich nie als Partei des Rechtsstreits gegolten hat (BGH, Urteil vom 14. Juli 1994, aaO, S. 82). Soweit der Bundesgerichtshof in diesem Fall eine Kostentragungspflicht des Klägers als unbillig angesehen hat, beruhte dies darauf, dass der Kläger die Klage gegen die richtige Partei gerichtet und der Berichtigung des erstinstanzlichen Urteils zeitnah zugestimmt hatte, während der Dritte die Berufung lange vor Ablauf der ihm (mangels wirksamer Zustellung des angefochtenen Urteils) zur Verfügung stehenden sechsmonatigen Rechtsmittelfrist eingelegt hatte (BGH, Urteil vom 14. Juli 1994, aaO, S. 83). Ein vergleichbarer Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben. Vielmehr hat der Kläger versucht, mithilfe seines Berichtigungsantrags eine Korrektur des landgerichtlichen Urteils vor Ablauf der Berufungsfrist zu erreichen.

[23] d) Für die Erledigung des Rechtsmittels kommt es nicht darauf an, ob die auf die Zuerkennung eines Betrags von 15.282,06 € gerichtete Berufung des Klägers in der Sache Erfolg gehabt hätte. Die materielle Rechtskraft des Berichtigungsbeschlusses schließt eine Prüfung der Begründetheit der Berufung aus (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1984 - III ZR 95/82, NJW 1985, 742, 743).

[24] III. Danach ist die Revision der Beklagten auf ihre Kosten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Nichterhebung der für das Berufungs- und das Revisionsverfahren angefallenen Gerichtskosten nach § 21 Abs. 1 Satz 1 oder 3 GKG liegen im Streitfall nicht vor, weil die Beklagte die Rechtsmittelverfahren und die dadurch entstandenen Kosten durch Erfüllung der berechtigten Klageforderung hätte vermeiden können (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2005 - XII ZR 217/04, NJW-RR 2005, 1230).

Menges Krüger Götz

Rensen Wille

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