BGH, Urteil vom 27. September 2022 - X ZR 35/22

06.12.2022

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

27. September 2022

SchönthalJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


FluggastrechteVO Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a


Der für den Fall der Annullierung eines Fluges in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO wahlweise vorgesehene Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten steht dem jeweiligen Fluggast auch dann zu, wenn er nicht Vertragspartner des Luftbeförderungsvertrags ist.


BGH, Urteil vom 27. September 2022 - X ZR 35/22 - LG Berlin, AG Wedding


Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2022 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, den Richter Dr. Grabinski, die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx sowie den Richter Dr. Rensen

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 102a des Landgerichts Berlin vom 25. Februar 2022 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Die Klägerin, die Ausgleichs- und Erstattungsforderungen auf der Grundlage der Fluggastrechteverordnung aufkauft, nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Erstattung von Flugscheinkosten in Anspruch.

[2] Die im Jahr 2017 geborene Zedentin war am 9. und 12. April 2020 zusammen mit ihren gesetzlichen Vertretern auf von der Beklagten durchzuführende Flüge von Berlin nach Rom und zurück gebucht. Die Gesamtkosten betrugen 412,06 Euro. Die Beklagte annullierte sowohl den Hin- als auch den Rückflug. Mit einer von ihren gesetzlichen Vertretern unterzeichneten Erklärung trat die Zedentin ihren Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten an die Klägerin ab.

[3] Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 137,35 Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten.

Entscheidungsgründe:

[4] Die zulässige Revision ist unbegründet.

[5] I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

[6] Die Klägerin habe gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO auf Zahlung des auf die für die Zedentin gebuchten Flüge entfallenden Preises in Höhe von 137,35 Euro. Die Zedentin habe den Anspruch mit der von ihren gesetzlichen Vertretern unterzeichneten Abtretungserklärung wirksam an die Klägerin abtreten können.

[7] Inhaber des Anspruchs auf Erstattung von Flugscheinkosten nach Art. 8 FluggastrechteVO sei der jeweilige Fluggast, unabhängig davon, wer den Beförderungsvertrag geschlossen und den Flugpreis gezahlt habe. Zwar sei der Wortlaut der Vorschrift insoweit nicht eindeutig, da dem Fluggast danach allein das Wahlrecht zwischen den verschiedenen Unterstützungsleistungen eingeräumt werde, aber nicht geregelt sei, an wen etwa zu erstattende Flugscheinkosten auszukehren seien. Indessen seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Begriff "Fluggast" in diesem Zusammenhang in einem anderen Sinn zu verstehen sein solle als im Rahmen der sonstigen Anspruchsgrundlagen der Fluggastrechteverordnung. So seien nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO die Unterstützungsleistungen im Sinne von Art. 8 FluggastrechteVO dem Fluggast anzubieten, ohne dass es darauf ankomme, ob ein Dritter den Flug gebucht habe. Ferner sei unstreitig, dass der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO dem von einer Annullierung betroffenen Fluggast ebenfalls unabhängig von vertraglichen Beziehungen zum ausführenden Luftfahrtunternehmen zustehe. Der in der Literatur teilweise vertretenen Ansicht, dass die Wahl der Erstattung der Flugscheinkosten einen Rücktritt vom Vertrag bewirke und diesen in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandle, sei nicht zu folgen. Die Erwägungsgründe 10 und 17 der Fluggastrechteverordnung sprächen allein von einer Rückerstattung des Flugpreises, stellten aber insoweit keinen Bezug zu einem Vertragsverhältnis her, sondern verfolgten vorrangig den Zweck, dem Fluggast einen Ausgleich für die durch eine Annullierung entstehenden Unannehmlichkeiten zu gewähren. Gegen eine Anknüpfung des Erstattungsanspruchs an die Stellung als Vertragspartei spreche auch, dass die weiteren Unterstützungsleistungen nach Art. 8 und 9 FluggastrechteVO unmittelbar vor Ort gegenüber dem Fluggast zu erbringen seien, wo regelmäßig das ausführende, aber nicht notwendig das vertragschließende Luftfahrtunternehmen greifbar sei. Auch bei einer Flugpauschalreise stünden Ansprüche nach Art. 8 FluggastrechteVO dem Reisenden als Fluggast im Sinne der Fluggastrechteverordnung zu, auch wenn zwischen ihm und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen keine Vertragsbeziehung bestehe. Ebenso sei bei einer Gruppen- oder Familienreise, die von einer Person gebucht und gezahlt worden sei, jeder einzelne Reiseteilnehmer für Ansprüche nach Art. 8 FluggastrechteVO aktivlegitimiert. Die Fluggastrechteverordnung begründe für den Fluggast gesetzliche Ansprüche, so dass es auf vertragliche Ansprüche nicht ankomme. Für eine effektive Durchsetzung der Ansprüche nach Art. 8 FluggastrechteVO sei das faktische Verhältnis zwischen Reisendem und ausführendem Luftfahrtunternehmen entscheidend. Eine Aufspaltung der Inhaberschaft hinsichtlich der einzelnen Ansprüche nach Art. 8 und 9 FluggastrechteVO erscheine künstlich und systemfremd. Dass ein Fluggast, der keine Flugscheinkosten aufgewendet habe, gleichwohl Inhaber des Erstattungsanspruchs nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO sein könne, werde auch aus der Regelung in Art. 8 Abs. 2 FluggastrechteVO deutlich. Danach könnten auch Pauschalreisende, vorbehaltlich sich aus der Pauschalreise-Richtlinie ergebender Ansprüche, die Ansprüche nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO geltend machen, obwohl bei einer Pauschalreise im Außenverhältnis das Reiseunternehmen für den Erwerb des Flugscheins einzustehen habe. Dies zeige, dass der Verordnungsgeber nicht den Vertragspartner des Luftverkehrsunternehmers, sondern den Fluggast als Anspruchsinhaber ansehe. Im Übrigen ergebe sich auch aus der in Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO verwendeten Passivform (Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde), dass es nicht auf die Person des Erwerbers ankomme.

[8] Dass derjenige, der den Beförderungsvertrag (auch für Dritte) geschlossen habe, im Falle einer Annullierung die Rückzahlung der Flugscheinkosten auch auf vertraglicher Grundlage wegen Nichterfüllung des Vertrags verlangen könne, erfordere nicht, dass auch der Erstattungsanspruch nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO nur demjenigen Fluggast zuzusprechen sei, der den Flugpreis entrichtet habe. Das in Anspruch genommene Luftfahrtunternehmen könne sich insoweit auf die Erfüllungswirkung von Leistungen nach der Fluggastrechteverordnung berufen und so der Gefahr einer mehrfachen Inanspruchnahme begegnen. Der Buchende könne gegebenenfalls im Innenverhältnis von demjenigen Fluggast, dem das Luftfahrtunternehmen die Flugscheinkosten erstattet habe, Ausgleich verlangen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die isolierte Geltendmachung und Abtretung des Anspruchs nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO durch einen Fluggast, dessen Flug von einem Dritten gebucht und Gegenstand einer Buchung von Flügen für mehrere Personen war, nicht rechtsmissbräuchlich.

[9] II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

[10] 1. Trotz der Säumnis der Klägerin ist nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch kontradiktorisches Urteil zu entscheiden, weil sich die Revision als unbegründet erweist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1967 - V ZR 112/64, NJW 1967, 2162, juris Rn. 9).

[11] 2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht.

[12] a) Der für den Fall der Annullierung eines Fluges in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO wahlweise vorgesehene Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten steht dem Fluggast auch dann zu, wenn er nicht Vertragspartner des Luftbeförderungsvertrags ist.

[13] aa) Die Frage, wer für den Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO aktivlegitimiert ist, wird in der Instanzrechtsprechung unterschiedlich beantwortet.

[14] Zum Teil wird die Auffassung vertreten, Inhaber des Anspruchs seien nur Personen, die den Flug selbst gebucht und damit Vertragspartei des Beförderungsvertrags geworden seien und als solche auch den Flugpreis entrichtet hätten (LG Berlin, Urteil vom 24. März 2022 - 19 S 9/21, juris; AG Bremen, Urteil vom 20. April 2021 - 9 C 30/21, NJW-RR 2021, 782; AG Eilenburg, Urteil vom 14. Mai 2021 - 2 C 706/20, BeckRS 2021, 12201).

[15] Nach anderer Auffassung steht der Anspruch dem von der Annullierung betroffenen Fluggast zu, unabhängig davon, ob er oder ein Dritter den Beförderungsvertrag geschlossen und den Flugpreis gezahlt hat (LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 2-24 T 35/21, NJW 2022, 1026; AG Erfurt, Urteil vom 23. Dezember 2020 - 4 C 1495/20, juris; ebenso BeckOGK/Steinrötter FluggastrechteVO, Stand: 1. April 2022, Art. 8 Rn. 62; BeckOK/Degott FluggastrechteVO, Stand: 1. Juli 2022, Art. 8 Rn. 50; Scharnetzki, jurisPR-IWR 4/2022 Anm. 5).

[16] bb) Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu.

[17] (1) Art. 8 Abs. 1 FluggastrechteVO, der nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO bei Annullierung eines Fluges Anwendung findet, räumt Fluggästen ein Wahlrecht zwischen anderweitiger Beförderung und der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Art. 7 Abs.3 FluggastrechteVO genannten Modalitäten zu dem Preis ein, zu dem der Flugschein erworben wurde.

[18] Nach dem Wortlaut der Vorschrift steht das Wahlrecht dem betroffenen Fluggast zu. Dies spricht dafür, dass dem Fluggast auch der von ihm gewählte Anspruch zusteht.

[19] Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet insoweit nicht zwischen den einzelnen Ansprüchen. Dies spricht dafür, dass dem Fluggast gegebenenfalls auch der Anspruch auf Erstattung der Flugkosten zusteht.

[20] (2) Dieses Ergebnis ist systematisch folgerichtig.

[21] Die dem Fluggast im Falle einer Annullierung nach Art. 5 Abs. 1 FluggastrechteVO zustehenden Ansprüche auf Ausgleichszahlungen, Unterstützungsleistungen und Betreuungsleistungen sind gesetzliche Ansprüche.

[22] Diese Ansprüche setzen zwar eine bestätigte Buchung und damit in der Regel einen Beförderungsvertrag voraus. Sie ergeben sich aber nicht aus dem Beförderungsvertrag, sondern unmittelbar aus der Verordnung.

[23] Schuldner dieser Ansprüche ist das jeweils ausführende Luftfahrtunternehmen. Dies ist nicht zwingend das Unternehmen, das den Beförderungsvertrag mit dem Fluggast geschlossen hat (BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 - X ZR 71/10, BGHZ 188, 85 = NJW 2011, 2056 Rn. 26; Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, NJW 2010, 1070 Rn. 18; Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 78/08, NJW 2009, 2740 Rn. 13).

[24] Vor diesem Hintergrund erscheint es konsequent, wenn auch die Aktivlegitimation nicht von der Stellung als Vertragspartner des Beförderungsvertrags abhängt.

[25] Hinsichtlich der Ansprüche auf Unterstützungs- und Betreuungsleistungen liegt dies schon deshalb auf der Hand, weil es der Fluggast ist, der diese Leistungen im Falle einer Annullierung oder Verspätung benötigt - unabhängig davon, wer den Beförderungsvertrag geschlossen hat.

[26] Ebenso verhält es sich beim Anspruch auf anderweitige Beförderung. Diese tritt an die Stelle der an sich geschuldeten Beförderung, die der Fluggast aufgrund der bestätigten Buchung beanspruchen konnte. Folglich kann auch der Anspruch darauf nicht davon abhängen, dass der Fluggast zusätzlich Vertragspartner des Beförderungsvertrags ist.

[27] Hinsichtlich des Erstattungsanspruchs kann konsequenterweise nichts anderes gelten. Auch dieser Anspruch hat seine Grundlage in der Verordnung. Er ist ebenfalls gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen gerichtet.

[28] Der Erstattungsanspruch kann zudem eng mit den anderen Ansprüchen verwoben sein. So kann ein Fluggast, der bereits einzelne Reiseabschnitte zurückgelegt hat, nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO zusätzlich zu einer Erstattung der Flugscheinkosten den Rückflug zum ersten Abflugort verlangen. Auch dies spricht dafür, dass der Fluggast hinsichtlich aller ihm zur Wahl stehenden Leistungen aktivlegitimiert ist.

[29] (3) Entgegen der Auffassung der Revision spricht die Regelung in Art. 8 Abs. 2 FluggastrechteVO nicht gegen, sondern für dieses Ergebnis.

[30] Gemäß Art. 8 Abs. 2 FluggastrechteVO können auch Fluggäste, deren Flüge Bestandteil einer Pauschalreise sind, die Ansprüche nach Art. 8 Abs. 1 FluggastrechteVO geltend machen. Der Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten ist lediglich für den Fall ausgeschlossen, dass er sich aus der Pauschalreise-Richtlinie ergibt. Dies bedeutet umgekehrt, dass Pauschalreisende die Erstattung ihrer Flugkosten verlangen können, wenn die Voraussetzungen der Pauschalreise-Richtlinie für einen Erstattungsanspruch nicht erfüllt sind (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2019 - C-163/18, NJW-RR 2019, 940 Rn. 30; vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts in dieser Sache, Rn. 45).

[31] Dies steht, wie auch der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt hat, in Einklang mit der Entstehungsgeschichte von Art. 8 Abs. 2 FluggastrechteVO. Der Unionsgesetzgeber sah zwar den Schutz nach der Pauschalreise-Richtlinie als grundsätzlich ausreichend an. Er wollte Fluggäste, deren Flug Bestandteil einer Pauschalreise ist, aber nicht vollständig vom Anwendungsbereich der Verordnung ausschließen (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2019 - C-163/18, NJW-RR 2019, 940 Rn. 32). Entscheidend dafür war die Erwägung, dass die Verordnung die Fluggäste mit klar definierten, unmittelbaren Rechten ausstattet (Geänderter Vorschlag für eine Verordnung vom 4. Dezember 2002, KOM(2002) 717 endgültig, S. 5 unter 2).

[32] (4) Der Umstand, dass sich aus dem Beförderungsvertrag und der Verordnung zwei Ansprüche auf Erstattung der Flugkosten für zwei unterschiedliche Gläubiger ergeben können, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

[33] Wie bereits oben dargelegt wurde, gehört es zur Systematik der Verordnung, dass die darin vorgesehenen Ansprüche nicht nur für oder gegen Personen bestehen können, die Vertragspartner des Beförderungsvertrags sind. Ob eine von einem Beteiligten gegenüber dem Fluggast erbrachte Leistung auf Ansprüche des Fluggastes oder Dritter gegen andere Beteiligte anzurechnen ist, hängt ähnlich wie bei der Anrechnung der in Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO vorgesehenen Ausgleichsleistung auf Schadensersatzansprüche nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO davon ab, ob die Ansprüche auf dasselbe Ziel gerichtet sind.

[34] b) Im Streitfall war danach ursprünglich die Zedentin aktivlegitimiert. Diese hat den Anspruch nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wirksam an die Klägerin abgetreten.

[35] 3. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO in Höhe von 137,35 Euro auch im Übrigen gegeben sind.

[36] III. Für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV besteht kein Anlass.

[37] Die Frage nach der Aktivlegitimation für einen Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO ist angesichts der Systematik und des Zwecks der einschlägigen Regelungen derart offenkundig zu beantworten, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt ("acte clair", vgl. dazu EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 - C.I.L.F.I.T.).

[38] Wie bereits oben dargelegt wurde, hat der Unionsgesetzgeber im Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 2 FluggastrechteVO die in der Verordnung vorgesehenen Ansprüche als unmittelbare Ansprüche des Fluggasts ausgestaltet. Dementsprechend geht der Gerichtshof davon aus, dass auch einem Pauschalreisenden der Erstattungsanspruch aus Art. 8 Abs. 1 FluggastrechteVO zusteht, sofern sich aus der Pauschalreise-Richtlinie kein Erstattungsanspruch ergibt. Die Kommission führt in ihren Informationen über die Verbraucherrechte bei Flugannullierungen ebenfalls aus, dass Fluggäste den Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung, wie beispielsweise der Pauschalreise-Richtlinie, grundsätzlich auch dann unmittelbar gegenüber dem Luftfahrtunternehmen geltend machen können, wenn sie den Flug über einen Vermittler gebucht haben.

[39] Zweifel daran, dass für einen Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO auch derjenige Fluggast aktivlegitimiert ist, der nicht Vertragspartner des Beförderungsvertrags ist, ergeben sich auch nicht aus den Regelungen in Art. 2 Buchst. b und Art. 3 Abs. 5 Satz 2 FluggastrechteVO. Diese Vorschriften nehmen zwar auf die Vertragsbeziehung zwischen Fluggast und Luftfahrtunternehmen Bezug. Sie betreffen aber lediglich die Passivlegitimation eines Luftfahrtunternehmens für Ansprüche eines Fluggastes nach der Verordnung, und bestimmen insoweit, dass diese gerade nicht von der Stellung als Vertragspartner des Beförderungsvertrags abhängt.

[40] Auch der Verweis der Revision auf Art. 15 Abs. 1 FluggastrechteVO vermag keine Zweifel daran zu begründen, dass der für den Fall einer Annullierung eines Fluges in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO wahlweise vorgesehene Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten dem Fluggast unabhängig von seiner Stellung als Vertragspartner zusteht. Die Vorschrift, die den Ausschluss oder die Beschränkung von sich aus der Verordnung ergebenden Verpflichtungen der Luftfahrtunternehmen gegenüber Fluggästen untersagt, ist vielmehr ebenfalls ein Beleg dafür, dass sich die dem Fluggast im Falle einer Annullierung nach Art. 5 Abs. 1 FluggastrechteVO zustehenden Ansprüche nicht eine Stellung des Fluggastes als Vertragspartner voraussetzen.

[41] Dass die Frage in der Instanzrechtsprechung dennoch unterschiedlich beurteilt wird, begründet vor diesem Hintergrund keine relevanten Zweifel an der Richtigkeit des oben aufgezeigten Verständnisses.

[42] Angesichts dessen erscheint eine Vorlage auch nicht deshalb angezeigt, weil das Zentrale Stadtbezirksgericht Pest, Ungarn (Beschluss vom 12. Januar 2022, Rechtssache C-51/22) den Gerichtshof um Vorabentscheidung der Frage ersucht hat, ob ein Fluggast den Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten auch dann unmittelbar gegenüber dem Luftfahrtunternehmen geltend machen kann, wenn er den Flugschein mit Hilfe eines als Vermittler handelnden Dritten gebucht hat und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Vermittler als bevollmächtigter Vertreter des Luftfahrtunternehmens gehandelt hat oder ein Reiseveranstalter ist.

[43] IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Bacher Grabinski Kober-Dehm

Marx Rensen

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