BGH, Urteil vom 3. März 2021 - IV ZR 312/19

30.03.2021

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

3. März 2021

HeinekampAmtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


Verordnung (EG) Nr. 593/2008 Art. 7 Abs. 2 und Abs. 4; Verordnung (EG) Nr. 864/2007 Art. 4 Abs. 1, 19;


AuslPflVG § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 3;

EGBGB Art. 46d;

KfzPflVV § 2 Abs. 2;

StVG § 7 Abs. 1;

VVG § 78 Abs. 2, § 115 Abs. 1

Zur Anwendung deutschen Rechts auf den Innenausgleich zwischen dem deutschen Haftpflichtversicherer eines in Deutschland zugelassenen Zugfahrzeuges und dem tschechischen Haftpflichtversicherer eines in der Tschechischen Republik zugelassenen Anhängers nach einem Unfall des Gespanns im Oktober 2013 in Deutschland.


BGH, Urteil vom 3. März 2021 - IV ZR 312/19 - OLG Bamberg, LG Hof


Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterin Dr. Brockmöller und den Richter Dr. Götz auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2021

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg - 5. Zivilsenat - vom 22. Oktober 2019 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Die Parteien, zwei Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer, streiten um Regressansprüche der Klägerin, nachdem diese einen am 29. Oktober 2013 in Deutschland eingetretenen Verkehrsunfallschaden durch Zahlungen an Geschädigte reguliert hat. Zugrunde liegt der Unfall eines Schwertransportgespanns bestehend aus einem in Deutschland zugelassenen, bei der Klägerin versicherten Zugfahrzeug und einem in der Tschechischen Republik zugelassenen, bei der Beklagten, einem tschechischen Versicherungsunternehmen, versicherten Anhänger. Das Gespann war bei der Begegnung mit einem landwirtschaftlichen Gespann mit diesem kollidiert.

[2] Die Klägerin verlangt Erstattung der Hälfte der von ihr geleisteten Zahlungen sowie der ihr entstandenen Rechtsverteidigungskosten, insgesamt 5.870,49 € nebst Zinsen. Sie meint, nach dem hier maßgeblichen deutschen Recht sei die Beklagte als Versicherer des unfallbeteiligten Anhängers ihr gegenüber zum hälftigen Schadensausgleich nach § 78 Abs. 2 VVG (in der bis zum 16. Juli 2020 geltenden Fassung, im Folgenden nur § 78 Abs. 2 VVG) verpflichtet.

[3] Die Beklagte beruft sich darauf, dass das nach ihrer Auffassung hier anzuwendende tschechische Recht einen solchen Ausgleich nicht vorsehe.

[4] Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

[5] Die Revision hat keinen Erfolg.

[6] I. Das Berufungsgericht hat einen Innenausgleichsanspruch der Klägerin nach § 78 Abs. 2 VVG bejaht. Ausgangspunkt der Überlegungen zum Regressanspruch seien die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II", ABl. EU Nr. L 199 S. 40, nachfolgend Rom II-VO). Bei internationalen Unfallereignissen sei nach Art. 20 und 19 Rom II-VO sowohl für den Innenausgleich unter mehreren haftenden Schuldnern als auch für die Frage des gesetzlichen Forderungsübergangs nach Leistung eines Dritten an den Geschädigten jeweils das Recht anzuwenden, das den Anspruch des Gläubigers gegen den an ihn zunächst leistenden Schuldner beherrsche, hier mithin das deutsche Recht. Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 21. Januar 2016 (ERGO Insurance und Gjensidige Baltic, C-359/14, C-475/14, EU:C:2016:40 = NZV 2016, 217 ff. = VersR 2016, 797 ff.), der sich das Berufungsgericht anschließe, sei gegenüber dieser deliktsrechtlichen Betrachtung allerdings weiter zu beachten, dass die hier streitige Verpflichtung eines Versicherers ihre Grundlage in dem mit dem Versicherungsnehmer geschlossenen Versicherungsvertrag finde, weshalb zwischen den vertraglichen und den außervertraglichen Beziehungen zu differenzieren sei. Welche Halter oder Fahrer zum Schadensersatz verpflichtet seien, richte sich gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO im Regelfall nach dem Recht des Orts des Schadenseintritts. Nach Art. 15 Buchst. b Rom II-VO gelte dies auch für die Teilung des Schadens unter mehreren Parteien.

[7] Gleichzeitig stamme die Verpflichtung eines Haftpflichtversicherers aber aus einem Vertragsverhältnis mit einem Versicherungsnehmer. Deshalb sei nach den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom I"; ABl. EU Nr. L 177 S. 6, nachfolgend Rom I-VO) anhand des auf den jeweiligen Versicherungsvertrag anwendbaren Rechts zu klären, ob eine Leistungspflicht für den Versicherer bestanden habe. Ob der vorleistende Versicherer eine Regressforderung gegen den Versicherer des anderen Gespannteils habe, sei aus Art. 19 Rom II-VO abzuleiten. Dieser bestimme, dass ein Übergang der ursprünglichen Forderung des Geschädigten an den leistenden Dritten nach dem auch für die ursprüngliche Schadensersatzforderung des Geschädigten maßgeblichen Recht zu lösen sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung des Versicherers eine vertragliche sei und sich der Regressanspruch deshalb nach dem auf den Versicherungsvertrag gemäß Art. 7 Rom I-VO anzuwendenden Recht ergebe.

[8] Das bedeute hier, dass die Frage der Regresspflicht der Beklagten nach dem gemäß Art. 19 Rom II-VO zu bestimmenden Recht zu beantworten sei. Dies führe zur Anwendung des deutschen Rechts und zur Bejahung des Ausgleichsanspruchs in ausgeurteilter Höhe. Die Voraussetzungen des Art. 19 Halbsatz 1 Rom II-VO seien erfüllt. Die geschädigte GbR (nachfolgend Geschädigte) habe gegen die Halterin des Zugfahrzeugs des unfallbeteiligten Gespanns gerichtlich bereits festgestellte und zwischen den Parteien unstreitige Schadensersatzansprüche; es handele sich hierbei um eine Verpflichtung aufgrund eines außervertraglichen Schuldverhältnisses, welche sich aus dem gemäß Art. 4 Rom II-VO anwendbaren § 7 Abs. 1 StVG ergeben habe. Als Haftpflichtversicherer der Zugmaschine sei die Klägerin der Geschädigten zum Schadensersatz verpflichtet, was aus den nach Art. 4 Rom II-VO anwendbaren §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG folge. Unstreitig habe die Klägerin die Geschädigte aufgrund dieser Verpflichtung entschädigt.

[9] Nach Art. 19 Halbsatz 2 Rom II-VO und der vorzitierten hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH, der sich das Berufungsgericht anschließe, sei unter der Voraussetzung, dass auch die Beklagte als tschechischer Versicherer des in Tschechien zugelassenen Anhängers der Geschädigten zum Schadensersatz verpflichtet gewesen sei, dem für die Klägerin gegenüber der Geschädigten maßgebenden Recht zu entnehmen, ob und in welchem Umfang Regressansprüche zwischen den Versicherern des Gespanns bestünden.

[10] Die Beklagte sei gegenüber der Geschädigten schadensersatzpflichtig gewesen. Da sich diese Verpflichtung allerdings in erster Linie aus dem Vertragsverhältnis mit dem Versicherten ergebe, sei das auf ein solches Schuldverhältnis anzuwendende Recht nicht nach dem Deliktsstatut der Rom II-VO, sondern nach den Vorschriften der Rom I-VO zu bestimmen. Demnach könnte für den tschechischen Versicherer eines tschechischen Anhängers nach Art. 7 Abs. 2 Rom I-VO tschechisches Recht auch für die Frage einer (direkten) Haftung des Versicherers zur Anwendung kommen. Nach tschechischem Recht bestehe kein Anspruch des Geschädigten gegen den Halter eines von einer Zugmaschine gezogenen Anhängers, so dass danach auch ein Direktanspruch gegen den Anhängerversicherer ausscheide.

[11] Dabei sei jedoch zu beachten, dass nach Art. 7 Abs. 4 Rom I-VO Sonderregeln für die Bestimmung des anzuwendenden Statuts bestünden, wenn es sich wie vorliegend um einen Versicherungsvertrag über Risiken handele, für welche ein Mitgliedstaat eine Pflichtversicherung vorsehe, wie dies in Deutschland nach § 1 Abs. 1 AusPflVG der Fall sei. Die von Art. 7 Abs. 4 Rom I-VO vorausgesetzte Diskrepanz zwischen den Versicherungsverträgen bestehe darin, dass abweichend von deutschem Recht (vgl. §§ 7 Abs. 1 StVG, 6 Abs. 3 AuslPflVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG) nach tschechischem Recht eine Haftung des Anhängerhalters und ein Direktanspruch des Geschädigten gegen dessen Versicherer nicht bestünden. Zwar beruhe das auf Unterschieden in den beiden Rechtsordnungen und nicht auf Unterschieden in den "Versicherungsverträgen" selbst. Dennoch unterfielen aber auch diese Unterschiede dem Begriff des "Versicherungsvertrags" nach Art. 7 Abs. 4 Buchst. a Rom I-VO. Aus dessen Regelungskontext ergebe sich, dass mit diesem Begriff nicht die vertragliche Gestaltung an sich, sondern die gesamte Haftungssituation gemeint sein müsse, wie sie sich auf vertraglicher und gesetzlicher Grundlage ergebe. Durch die im Satz 2 des Buchst. a angeordnete Geltung des Rechts des anderen Mitgliedstaats könne ein lediglich vertragliches Defizit denknotwendig nicht aufgefangen werden, was für die dargelegte Sichtweise spreche. Aus Sinn und Zweck der Regelung sowie dem Prinzip der praktischen Wirksamkeit folge dies ebenfalls.

[12] Wegen der aufgezeigten Diskrepanzen seien hier die von dem die Versicherungspflicht anordnenden Staat vorgeschriebenen besonderen Bestimmungen nicht gewahrt. Diese Situation werde von Art. 7 Abs. 4 Buchst. a Satz 2 Rom I-VO dadurch aufgelöst, dass vorrangig das Recht des Mitgliedstaates anzuwenden sei, der die Versicherungspflicht vorschreibe. Dies gelte auch, soweit das tschechische Recht nicht nur keinen Direktanspruch statuiere, sondern auch, soweit das tschechische Recht eine Haftung des Anhängerhalters erst gar nicht vorsehe. Jede andere Betrachtung liefe dem Sinn und Zweck des Art. 7 Abs. 4 Buchst. a Satz 2 Rom I-VO zuwider. Denn die Sicherstellung eines (vertraglichen) Direktanspruchs des Geschädigten gegen einen Versicherer liefe ins Leere, wenn kein Anspruch gegen den Fahrzeughalter bestünde, hinsichtlich dessen die direkte Mithaftung des Versicherers durch die Sonderregelung begründet würde. Dass Art. 3 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. EU Nr. L 263 S. 11) den Mitgliedstaaten die Pflicht auferlege, für eine Versicherung (auch) von Anhängern für Unfälle im europäischen Ausland Sorge zu tragen, wäre überflüssig und unverständlich, wenn es eine hierdurch abzusichernde Haftung des Anhängerhalters nicht gäbe oder sie durch die Mitgliedstaaten - wenn auch von ihnen selbst in der eigenen Rechtsordnung nicht vorgesehen - nicht wenigstens dem Grunde nach bei Auslandsunfällen akzeptiert würde.

[13] In der Folge richte sich der Ausgleichsanspruch gemäß Art. 19 Rom II-VO nach dem Recht, das für den Anspruch zwischen dem Geschädigten und dem leistenden Versicherer anwendbar sei. Das sei hier nach Art. 4 ff. Rom II-VO und Art. 7 ff. Rom I-VO das deutsche Recht. Denn sowohl der Schadensort als auch der Sitz der Klägerin lägen in Deutschland. Mithin ergebe sich aus Art. 19 Rom II-VO, dass auch nach deutschem Recht zu beurteilen sei, ob und in welchem Umfang die Klägerin bei der Beklagten Regress nehmen könne. Dass der leistende Versicherer eines Gespannteils beim Versicherer des anderen Gespannteils nach § 78 Abs. 2 VVG (in der Regel hälftigen) Regress nehmen könne, folge aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Voraussetzungen einer Doppelversicherung seien hier gegeben.

[14] Der Ausgleichung sei hier ein unstreitiger Betrag von 12.102,98 € zugrunde zu legen, dessen Hälfte rechnerisch 6.051,49 € betrage, jedoch von der Klägerin nur in der zugesprochenen Höhe von 5.870,49 € geltend gemacht werde. Ein hälftiger Innenausgleich sei hier geboten, weil beide Versicherungsverträge deckungsgleich gewesen seien.

[15] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

[16] Der von der Klägerin erhobene Ausgleichsanspruch unterliegt der Beurteilung nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Das ergibt die Auslegung der Rom II-VO und der Rom I-VO.

[17] 1. Mit den beiden Verordnungen wurden, wie sich jeweils aus deren Art. 1 ergibt, die Kollisionsnormen für vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen harmonisiert. Das auf diese Arten von Schuldverhältnissen anzuwendende Recht ist ­ vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 23 und 25 Rom I-VO und Art. 27 und 28 Rom II-VO ­ anhand der Vorschriften einer der beiden Verordnungen zu bestimmen (EuGH, Urteil vom 21. Januar 2016, ERGO Insurance und Gjensidige Baltic, C-359/14, C-475/14, EU:C:2016:40 = VersR 2016, 797 Rn. 37). Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 2009/103/EG vom 16. September 2009 (ABl. EU Nr. L 263 vom 7. Oktober 2009 S. 11) legt für Regressforderungen zwischen Versicherern keine besonderen Kollisionsnormen im Sinne von Art. 23 Rom I-VO oder Art. 27 Rom II-VO fest (vgl. EuGH aaO Rn. 38-40). Solche speziellen Bestimmungen sind hier auch anderweitig nicht ersichtlich.

[18] a) Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Rom I-VO und der Rom II-VO sind die dort verwendeten Begriffe "vertragliches Schuldverhältnis" und "außervertragliches Schuldverhältnis" autonom und in erster Linie unter Berücksichtigung der Systematik und der Ziele dieser Verordnungen auszulegen (vgl. EuGH aaO Rn. 43 m.w.N.). Danach bezeichnet der Begriff "vertragliches Schuldverhältnis" im Sinne von Art. 1 Rom I-VO eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung, während die Rom II-VO, wie sich aus ihrem Art. 2 ergibt, auf Schuldverhältnisse anzuwenden ist, die sich aus einem Schaden, d.h. sämtlichen Folgen einer unerlaubten Handlung, einer ungerechtfertigten Bereicherung, einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen ergeben (vgl. EuGH aaO Rn. 44, 45). Mithin ist unter einem "außervertraglichen Schuldverhältnis" im Sinne der Rom II-VO ein Schuldverhältnis zu verstehen, das seinen Ursprung in einem der in Art. 2 dieser Verordnung angeführten Ereignisse hat (vgl. EuGH aaO Rn. 46).

[19] b) Im Streitfall bestehen zwischen den Parteien und ihren jeweiligen Versicherten vertragliche Schuldverhältnisse im Sinne der Rom I-VO. Dagegen besteht zwischen den beiden Parteien selbst kein vertragliches Schuldverhältnis. Die Schadensersatzpflicht der Unfallbeteiligten beruht auf dem Verkehrsunfall, einem deliktischen Ereignis, das losgelöst von den Versicherungsverträgen der Parteien zu ihren jeweiligen Versicherten zu betrachten ist (vgl. EuGH aaO Rn. 48). Für den eingeklagten Regressanspruch der Klägerin ist zum einen entscheidend, ob sowohl die bei ihr versicherten Personen als auch die bei der beklagten Versicherten gegenüber der Geschädigten zum Schadensersatz verpflichtet waren (vgl. EuGH aaO Rn. 50, 53, 55), zum anderen ist zu klären, ob der Klägerin nach Regulierung des Unfallschadens ein Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte zusteht und wie dieser Anspruch nach den Bestimmungen der Rom I-VO und der Rom II-VO einzuordnen ist (vgl. EuGH aaO Rn. 56).

[20] 2. Danach hat das Berufungsgericht zutreffend zunächst das für die Schadensersatzpflicht der Versicherten der Klägerin gegenüber der Geschädigten maßgebende Recht nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO bestimmt (vgl. EuGH aaO Rn. 48, 50, 51). Insoweit ist, da die besonderen Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 und 3 Rom II-VO hier nicht erfüllt sind, auf das durch den Unfall entstandene außervertragliche, deliktische Schuldverhältnis das Recht des Staates anzuwenden, in dem der durch den Unfall verursachte Schaden eingetreten ist (vgl. EuGH aaO Rn. 51 ff.), das ist hier das Recht der Bundesrepublik Deutschland.

[21] 3. Erfüllt nach einem durch ein Gespann verursachten Unfallschaden einer der für die Zugmaschine oder den Anhänger eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer die Schadensersatzforderung des Geschädigten, so ist für die Frage, ob ihm danach ein Ausgleichsanspruch gegen den anderen Haftpflichtversicherer zusteht, entscheidend, ob auch dessen Versicherte dem Geschädigten auf Schadensersatz hafteten und ob der andere Haftpflichtversicherer, hier die Beklagte, insoweit eintrittspflichtig war (vgl. EuGH aaO Rn. 50).

[22] Deshalb ist zunächst danach zu fragen, ob auch deren Versicherte, d.h. der Halter oder Fahrer des in der Tschechischen Republik zugelassenen Anhängers, dem Geschädigten zum Schadensersatz verpflichtet waren. Diese Schadensersatzpflicht beruht auf dem Unfall und stellt mithin ein außervertragliches Schuldverhältnis im Sinne der Rom II-VO dar, weshalb das darauf anzuwendende Recht nach Art. 4 dieser Verordnung zu bestimmen ist. Da im Streitfall die in Art. 4 Abs. 2 und 3 Rom II-VO genannten besonderen Umstände nicht vorliegen, beurteilt sich auch die Haftpflicht des Anhängerhalters oder -fahrers gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom

II-VO nach deutschem Recht, da der Unfallschaden in Deutschland eingetreten ist (vgl. dazu EuGH aaO Rn. 50-52).

[23] 4. Zu Unrecht nimmt die Revision im Weiteren an, die mit der Klage verfolgte Ausgleichspflicht der Beklagten sei demgegenüber nach tschechischem Recht zu bestimmen.

[24] a) Allerdings hat der EuGH (aaO Rn. 64) ausgeführt, die Rom I-VO und die Rom II-VO seien dahin auszulegen, dass das auf eine Regressklage des Versicherers einer Zugmaschine, der den Schaden der Opfer eines vom Fahrer verursachten Unfalls beglichen habe, gegen den Anhängerversicherer anzuwendende Recht nach Art. 7 Rom I-VO bestimmt werde, wenn die nach den Art. 4 ff. Rom II-VO maßgeblichen deliktischen Haftungsnormen eine Aufteilung der Schadenspflicht vorsähen. Denn die Eintrittspflicht der Versicherer habe ihren Ursprung in den jeweiligen Versicherungsverträgen (vgl. S 9 EuGH aaO Rn. 54). Das darauf anzuwendende Recht ist somit im Grundsatz nach den Vorschriften der Rom I-VO zu bestimmen.

[25] b) Im Weiteren hat der EuGH aber angenommen, dass dennoch die Art. 4 ff. Rom II-VO wegen der in Art. 19 Rom II-VO getroffenen Regelung für die Bestimmung des Rechts maßgebend sein können, nach dem sich eine mögliche Teilung der Haftung zwischen den haftpflichtigen Personen und ihren jeweiligen Haftpflichtversicherern bestimme (vgl. S 9 EuGH aaO Rn. 59, 60).

[26] aa) In Art. 19 ("Gesetzlicher Forderungsübergang") Rom II-VO ist geregelt, dass dann, wenn ­ wie hier die Klägerin ­ ein Dritter die aufgrund eines außervertraglichen Schuldverhältnisses zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner bestehende Forderung aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung befriedigt, das für diese Verpflichtung des Dritten gegenüber dem Gläubiger maßgebende Recht bestimme, ob und in welchem Umfang der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner nach dem für deren Beziehungen maßgebenden Recht geltend zu machen berechtigt ist.

[27] bb) Der EuGH hat deshalb ausgeführt, dass in Fällen wie dem Streitfall der Zugmaschinenversicherer nach Schadensersatzleistung an den Geschädigten einen Regressanspruch gegen den Anhängerversicherer geltend machen könne, soweit das nach Art. 7 Rom I-VO auf den Versicherungsvertrag anzuwendende Recht einen Eintritt des (vorleistenden) Versicherers in die Rechte des Geschädigten vorsehe (EuGH aaO Rn. 60). Als Erstes sei daher zu prüfen, wie der an den Geschädigten zu leistende Schadensersatz gemäß dem nach der Rom II-VO zu ermittelnden nationalen Recht zwischen Fahrer und Halter der Zugmaschine einerseits und dem Anhängerhalter andererseits aufzuteilen sei (EuGH aaO Rn. 61). Als Zweites müsse sodann nach Art. 7 Rom I-VO das auf die Versicherungsverträge der klagenden Versicherer anzuwendende Recht bestimmt werden, um festzustellen, ob und in welchem Umfang diese Versicherer aus abgeleitetem Recht die Ansprüche des Geschädigten gegenüber dem Anhängerversicherer geltend machen könnten (EuGH aaO Rn. 62).

[28] cc) Diese Ausführungen des EuGH lassen den Schluss zu, dass der Gerichtshof auch Fälle, in denen nach deutschem Recht ein Innenausgleich der beteiligten Versicherer nach den Regeln der Mehrfachversicherung (§ 78 VVG, vgl. dazu Senatsurteil vom 27. Oktober 2010 ­ IV ZR 279/08, BGHZ 187, 211 Rn. 22 ff. zu § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.) erfolgt, als von Art. 19 Rom II-VO erfasst ansieht, wenngleich diese Vorschrift zumindest dem Wortlaut ihrer Überschrift nach einen Übergang der Schadensersatzforderung des Geschädigten auf den eintretenden Haftpflichtversicherer voraussetzt. Dafür spricht, dass der EuGH darauf abstellt, ob die nach Art. 4 ff. Rom II-VO anzuwendenden Haftungsnormen eine Aufteilung der Schadensersatzpflicht vorsähen (EuGH aaO Rn. 64), dass weiter Art. 15 Buchst. b Rom II-VO das nach dieser Verordnung zu ermittelnde Recht unter anderem als für "jede" Teilung der Haftung maßgeblich bezeichnet und die deutschen Bestimmungen über die Mehrfachversicherung zu einer Aufteilung der Entschädigung führen. Dementsprechend hat auch der Oberste Gerichtshof der Republik Litauen im Anschluss an die von ihm veranlasste Entscheidung des EuGH vom 21. Januar 2016 (aaO) angenommen, die Frage der Teilung der Haftpflicht zwischen zwei litauischen Versicherern nach einem Unfall eines litauischen Gespanns in Deutschland bestimme sich nach deutschem Recht (OGH Litauen, Beschluss vom 6. März 2016 - 3K-3-187-701/16, BeckRS 2016, 17751, Rn. 40).

[29] Nach der Entscheidung des EuGH (aaO Rn. 62) ist zuletzt nach Art. 7 Rom I-VO das auf den Versicherungsvertrag der Klägerin anzuwendende Recht für die Frage maßgeblich, ob und in welchem Umfang der klagende Versicherer Ausgleichsansprüche gegen den anderen Versicherer geltend machen kann. Gemäß Art. 7 Rom I-VO unterliegt im Streitfall das Versicherungsverhältnis der Klägerin mit dem Halter des in Deutschland zugelassenen Zugfahrzeuges deutschem Recht. Denn nach der gemäß Art. 7 Abs. 6 Rom I-VO i.V.m. Art. 310 und Anhang VII der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit ("Solvabilität II"; ABl. EU Nr. L 335 S. 1, nachfolgend Solvabilität II-RL) hier maßgeblichen Begriffsbestimmung in Art. 13 Nr. 13 Buchst. b Solvabilität II-RL bezeichnet der Ausdruck "Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist" bei der Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art den Zulassungsmitgliedstaat (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2020 ­ IV ZR 62/19, r+s 2020, 333 Rn. 21 m.w.N.).

[30] c) Letztlich kann die Frage, ob der im deutschem Recht nach den Regeln der Mehrfachversicherung mögliche Innenausgleich der beteiligten Versicherer der Regelung des Art. 19 Rom II-VO unterfällt, im Streitfall offenbleiben, so dass insoweit auch ein neuerliches Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht veranlasst ist. Denn auch dann, wenn man das auf den Innenausgleich anzuwendende Vertragsrecht allein nach Art. 7 Rom I-VO (ohne Rückgriff auf Art. 19 Rom II-VO) bestimmt, ergibt sich im Streitfall die Anwendung deutschen Rechts.

[31] Geht man entsprechend der Entscheidung des EuGH vom 21. Januar 2016 (aaO Rn. 54) davon aus, dass die Eintrittspflicht eines Versicherers in Fällen wie dem Streitfall ihren Ursprung in dem Versicherungsvertrag hat, richtet sich das anwendbare Recht nach Art. 7 Rom I-VO (vgl. EuGH aaO Rn. 58, 62). Auch danach ist hier deutsches Recht anzuwenden.

[32] aa) Denn Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO eröffnet den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Versicherungsverträge über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, die Möglichkeit zu bestimmen, dass auf den Versicherungsvertrag das Recht dieses Mitgliedstaats anzuwenden ist (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2020 ­ IV ZR 62/19, r+s 2020, 333 Rn. 16; zum Charakter der Bestimmung BeckOGK/Lüttringhaus, Rom I-VO Art. 7 Rn. 148 [Stand: 1. Februar 2020]; Staudinger in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 52; NK-BGB/Leible, 3. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 61; Staudinger/Armbrüster, (2016) Rom I-VO Art. 7 Rn. 27). Von dieser Ermächtigung ist in Deutschland durch Art. 46d EGBGB (vormals Art. 46c EGBGB) Gebrauch gemacht worden (vgl. BT-Drucks. 16/12104 S. 6, 10; 18/10822 S. 22). Nach Art. 46d Abs. 1 EGBGB unterliegt ein Versicherungsvertrag über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, dem Recht dieses Staates, sofern dieser dessen Anwendung vorschreibt. Art. 46d Abs. 2 EGBGB bestimmt, dass ein über eine Pflichtversicherung abgeschlossener Vertrag deutschem Recht unterliegt, wenn die gesetzliche Verpflichtung zu seinem Abschluss auf deutschem Recht beruht.

[33] bb) So liegt es hier. Denn § 1 AusIPflVG verpflichtet den Halter eines ausländischen Anhängers, für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung zu nehmen. Nach der aufgrund von § 4 PflVG erlassenen Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung (KfzPflVV) muss die Versicherung Schadenersatzansprüche umfassen, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden (§ 2 Abs. 1 KfzPflVV). Als mitversicherte Person bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 3 KfzPflVV auch den Fahrer, wobei die Vorschrift nicht zwischen motorisierten Fahrzeugen und Anhängern unterscheidet (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2010 ­ IV ZR 279/09, BGHZ 187, 211 Rn. 14). Vorstehendes gilt gemäß § 4 AusIPflVG entsprechend für ausländische Fahrzeuge und Anhänger. Der Versicherungsvertrag muss den für die Versicherung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit regelmäßigem Standort im Inland geltenden gesetzlichen Bestimmungen über Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes sowie über die Mindestversicherungssummen entsprechen (vgl. dazu LG Kassel, Urteil vom 15. März 2019 ­ 4 O 2024/17, BeckRS 2019, 27700 Rn. 31; Wilms, DAR 2012, 68, 70).

[34] cc) Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob Art. 7 Abs. 4 Rom I-VO dahin auszulegen ist, dass das Recht desjenigen Mitgliedstaates maßgebend sei, mit dem der Vertrag am engsten verbunden sei, oder ob nach Art. 7 Abs. 5 Rom I-VO auch im Rahmen von Art. 7 Abs. 4 Rom I-VO eine Statutenspaltung dahingehend eintrete, dass für jedes Teilrisiko jeweils das Recht des Belegenheitsstaates gelte, stellt sich nicht. Sie würde sich nur dann stellen, wenn sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Tschechische Republik dasselbe Risiko einer Versicherungspflicht unterwürfen (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2020 ­ IV ZR 62/19, r+s 2020, 333 Rn. 18). Das ist hier aber gerade nicht der Fall. Denn wie die Vorinstanzen mit sachverständiger Hilfe ohne Rechtsfehler festgestellt haben, besteht nach tschechischem Recht abweichend von der deutschen Rechtslage weder eine Halterhaftung des Anhängerhalters gegenüber dem Geschädigten noch ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Anhängerversicherer.

[35] Insoweit ist auch keine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV i.V.m. Art. 19 Abs. 3 Buchst. b Alt. 1 EUV veranlasst.

[36] 5. Nach allem ist der Streitfall sowohl was die Frage der Haftung des Halters des Anhängers gegenüber der Geschädigten als auch die Frage des Innenausgleichs der Parteien untereinander betrifft, nach deutschem Recht zu beurteilen. Maßgeblich für den am 29. Oktober 2013 geschehenen Unfall ist die Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1653).

[37] Danach steht ­ wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen und der Senat im Urteil vom 27. Oktober 2010 (IV ZR 279/08, BGHZ 187, 211 Rn. 8 ff.) im Einzelnen dargelegt hat ­ nach einem von einem Gespann verursachten Unfall dem den Schaden eines geschädigten Dritten regulierenden Haftpflichtversicherer der Zugmaschine ­ hier der Klägerin ­ nach den Vorschriften über die Doppel- bzw. Mehrfachversicherung ein hälftiger Innenausgleich gegen den Haftpflichtversicherer des Anhängers ­ hier die Beklagte ­ zu. Das Revisionsvorbringen gibt zu einer Änderung dieser Senatsrechtsprechung keinen Anlass.

Felsch Harsdorf-Gebhardt Prof. Dr. Karczewski

Dr. Brockmöller Dr. Götz

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