BGH, Versäumnisurteil vom 24. Januar 2019 - IX ZR 121/16
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am:
24. Januar 2019
PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
InsO § 143 Abs. 1 und 2; BGB §§ 99, 100, 102
Der Anfechtungsgegner kann mit seinem Anspruch auf Erstattung von Fruchtgewinnungskosten nur gegenüber dem Anspruch der Masse auf Herausgabe der vereinnahmten Mieten oder auf Wertersatz für diese Früchte aufrechnen, nicht aber gegenüber dem Wertersatzanspruch der Masse wegen einer unmöglich gewordenen Herausgabe der Immobilie.
BGH, Urteil vom 24. Januar 2019 - IX ZR 121/16 - Hanseatisches, OLG Hamburg, LG Hamburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Prof. Dr. Pape, die Richterin Möhring und den Richter Meyberg
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 20. Mai 2016 hinsichtlich des Zahlungsausspruchs in Nummer 1 des Tenors aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 1.872.735,12 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[1] Der Kläger ist Verwalter in dem am 15. Juni 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über den Nachlass der Mutter der Beklagten (nachfolgend: Erblasserin). Er macht Ansprüche aus Insolvenzanfechtung im Hinblick auf die Übertragung von Immobilien geltend.
[2] Die Erblasserin war Eigentümerin mehrerer Immobilien, deren Verwaltung die Beklagte gegen ein Entgelt in Höhe von monatlich 7.200 DM übernommen hatte. Mit notariellem Vertrag vom 24. August 2004 übertrug die Erblasserin die in der M. straße in H. gelegene Immobilie mit 46 vermieteten Wohnungen sowie die von der Beklagten selbst bewohnte Eigentumswohnung in der B. straße in H. auf die Beklagte. In § 3 des Vertrages war unter der Überschrift "Gegenleistung" unter anderem die Verpflichtung der Beklagten enthalten, weiterhin die Grundstücksverwaltung für namentlich aufgeführte Grundstücke der Erblasserin im bisherigen Umfang zu übernehmen. Allerdings sollte das hierfür bislang vertraglich vereinbarte Entgelt ab dem 1. September 2004 entfallen. Zum 1. September 2004 sollten zudem sämtliche Nutzungen und Lasten des Objekts in der M. straße auf die Beklagte übergehen. Am 3. Dezember 2004 erfolgte die Eigentumsumschreibung im Grundbuch auf die Beklagte.
[3] Am 28. September 2006 verstarb die Erblasserin. Die Erben schlugen die Erbschaft aus, am 7. November 2006 auch die Beklagte unter Hinweis auf eine Überschuldung des Nachlasses. Der Nachlasspfleger stellte am 10. Mai 2007 Insolvenzantrag. Mit notariellem Kaufvertrag vom 6. Februar 2008 veräußerte die Beklagte das Objekt in der M. straße zu einem Kaufpreis von 2.785.000 € an einen Dritten.
[4] Der Kläger meint, die Übertragung der beiden Immobilien an die Beklagte unterliege nach § 134 Abs. 1 InsO der Insolvenzanfechtung. Er verlangt Rückübertragung der Eigentumswohnung in der B. straße, Wertersatz für das weiterveräußerte Objekt M. straße und im Wege der Stufenklage die Herausgabe der aus der Vermietung dieses Objekts in der Zeit vom 7. November 2006 bis zum 6. Februar 2008 durch die Beklagte gezogenen Nutzungen. Die Beklagte wendet unter anderem ein, der Wertersatzanspruch sei um den Wert der von ihr für das Objekt M. straße erbrachten Verwaltungsleistungen zu mindern.
[5] Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte im Wege des Teilurteils zur Zahlung von Wertersatz in Höhe von 1.985.699,12 € nebst Zinsen, zur Rückübertragung der Eigentumswohnung und - auf der ersten Stufe - zur Auskunftserteilung verurteilt. Der Senat hat die Revision der Beklagten beschränkt auf die von ihr gegen den Zahlungsanspruch geltend gemachte Anrechnung erbrachter Verwaltungsleistungen bis zu einem Betrag von 112.964 € zugelassen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte insoweit die Abweisung der Zahlungsklage.
Entscheidungsgründe:
[6] Über die Revision der Beklagten ist, da der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 25. Oktober 2011
- VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 8 mwN).
[7] Die Revision hat Erfolg. Sie führt im angefochtenen Umfang zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
[8] I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt: Infolge der Anfechtbarkeit der Grundstücksübertragung nach § 134 InsO sei die Beklagte gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 818 Abs. 2 BGB zur Herausgabe des Veräußerungserlöses für das Objekt M. straße abzüglich der übernommenen Grundschulden und der vertragsgemäß erbrachten Gegenleistungen verpflichtet. Nicht abzuziehen oder anzurechnen sei hingegen der Wert einer Verwaltung des Objekts durch die Beklagte selbst. Bei einer solchen Verwaltung handele es sich nicht um Verwendungen auf das Grundstück, sondern bestenfalls um Aufwendungen für eine Fruchtziehung aus dem Grundstück. Die mit der Verwaltung erbrachten Arbeitsleistungen der Beklagten hätten einem Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks nicht entgegengehalten werden können. Das sei auch bei dem geltend gemachten Wertersatzanspruch aus § 818 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen, der an die Stelle des Herausgabeanspruchs getreten sei. Auf die Voraussetzungen des § 143 Abs. 2 Satz 2 InsO komme es deshalb nicht an.
[9] II. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Verfahrensfehlerhaft hat das Berufungsgericht über die Kosten der von der Beklagten erbrachten Verwaltungsleistungen durch Teilurteil entschieden. Der Erlass eines Teilurteils war nicht statthaft.
[10] 1. Ein Teilurteil gemäß § 301 ZPO darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist insbesondere dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über die sonstigen Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Dies gilt auch, soweit es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht gemäß § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13 f; vom 20. Juni 2013 - VII ZR 103/12, NZBau 2013, 565 Rn. 12).
[11] 2. Eine solche Gefahr besteht. Die vom Berufungsgericht durch das Teilurteil entschiedene Frage, wie die von der Beklagten für die Immobilie M.
straße erbrachte Verwaltungstätigkeit rechtlich einzuordnen ist, ist auch für den noch nicht entschiedenen rechtshängigen Teil des Verfahrens entscheidungserheblich. Denn der mit der Stufenklage verfolgte Anspruch der Masse auf Nutzungsherausgabe hängt der Höhe nach hiervon ab. Es ist möglich, dass das Berufungsgericht im weiteren Verfahren über die Stufenklage diese Frage - sei es aufgrund neuen Vortrags, sei es auf Grund einer geänderten Rechtsauffassung - abweichend beurteilt. An seine bisherige Bewertung, diese Verwaltungstätigkeit sei keine Verwendung auf das Grundstück, sondern bestenfalls eine Aufwendung für die Fruchtziehung aus dem Grundstück, ist das Berufungsgericht nicht gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2013, aaO Rn. 13 mwN).
[12] 3. Das angefochtene Urteil kann dementsprechend keinen Bestand haben. Es ist wegen des in dem Erlass eines unzulässigen Teilurteils liegenden Verfahrensfehlers aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und der Rechtsstreit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
[13] III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
[14] 1. Das Berufungsgericht wird Feststellungen dazu zu treffen haben, welche Tätigkeiten die Beklagte im Hinblick auf die ihr übertragene Immobilie M.
straße in dem Zeitraum erbracht hat, für den der Kläger Herausgabe gezogener Nutzungen verlangt. Hierbei wird es Verwendungen auf die Immobilie im Sinne der §§ 994 ff BGB von den Kosten für die Gewinnung von Früchten aus der Immobilie im Sinne des § 102 BGB abzugrenzen haben. Soweit es die Aufwendung der eigenen geldwerten Arbeitsleistung, die Anbahnung, Betreuung und Abwicklung von Mietverhältnissen sowie den auf die Immobilie bezogenen Kontakt mit Behörden und Versorgungsbetrieben betrifft, dürfte eine Einordnung als Fruchtgewinnungskosten in Betracht kommen. Gleiches gilt, soweit es um Tätigkeiten bei der Aufnahme und Abwicklung von Schäden oder Reparaturen oder die Prüfung von Reparaturrechnungen geht, die zwar einen Bezug zum Objekt haben, im Schwerpunkt aber im Zusammenhang mit oder bei der Fruchtziehung selbst angefallen sind.
[15] 2. Soweit die Aufwendungen als Fruchtgewinnungskosten einzuordnen sind, dürfte ihre Berücksichtigung allein im Wege der Aufrechnung gegen den Anspruch der Masse auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder auf den an dessen Stelle getretenen Wertersatzanspruch der Masse in Betracht kommen.
[16] Ersatz ihres Aufwandes dürfte die Beklagte nur im Wege eines eigenständigen Anspruchs gegen die Insolvenzmasse geltend machen können. Auch soweit § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO für die Haftung des redlichen Empfängers einer unentgeltlichen Leistung auf das Bereicherungsrecht verweist, scheidet ein unmittelbarer Abzug des Wertes der eigenen Arbeitsleistung bei der Bemessung des bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruchs der Masse gemäß § 818 Abs. 2 und 3 BGB aus. In Betracht kommt nur ein selbständiger Gegenanspruch der Beklagten aus Verwendungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1999 - X ZR 42/97, BGHZ 140, 275, 283).
[17] Bei der Haftung nach Normalmaß gemäß § 143 Abs. 1 InsO kann sich der Anspruch aus § 102 BGB ergeben. Nach dieser Vorschrift kann der zur Herausgabe von Früchten Verpflichtete Ersatz der auf die Gewinnung dieser Früchte verwendeten Kosten insoweit verlangen, als sie einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entsprechen und den Wert der Früchte nicht übersteigen. Einem hierauf gestützten Erstattungsanspruch der Beklagten stünde es nicht entgegen, wenn sich der Anspruch der Masse nicht mehr auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen, sondern nur noch auf Wertersatz hierfür richtete. Die § 102 BGB zugrundeliegende Wertung, aus Gründen der Billigkeit stets demjenigen die Gewinnungskosten zuzuweisen, dem auch der wirtschaftliche Wert der gezogenen Früchte zukommt (Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1899, Band III, S. 499; Staudinger/Stiepel, BGB, 2017, § 102 Rn. 1 f und 7; MünchKomm-BGB/Stresemann, 7. Aufl., § 102 Rn. 1), trifft in gleicher Weise für den an die Stelle des Fruchtherausgabeanspruchs tretenden und die schuldrechtliche Zuweisung der Früchte in §§ 99 ff BGB fortschreibenden Sekundäranspruch zu (vgl. auch RG, JW 1938, 3040, 3042). Mit ihm verfolgt der Fruchtgläubiger jedenfalls wirtschaftlich sein Interesse an der ihm zugewiesenen Fruchtziehungsbefugnis als Teil seiner umfassenden Verwertungsbefugnis weiter, verlangt also weiterhin die Herausgabe von Früchten im Sinne des § 102 BGB.
[18] 3. Die Erklärung der Beklagten, der Wert ihrer Immobilienverwaltungstätigkeit müsse mindernd berücksichtigt werden, ist zumindest als konkludente Aufrechnungserklärung auszulegen, die sich auch auf den mit der Stufenklage verfolgten Herausgabeanspruch der Masse hinsichtlich der gezogenen Nutzungen bezieht. Insoweit stünde einer Aufrechnung § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht entgegen. Der Anspruch auf Erstattung von Fruchtgewinnungskosten kann eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO begründen. Er soll sowohl auf der Grundlage des § 102 BGB als auch im Rahmen der Verwendungskondiktion eine ungerechtfertigte Bereicherung des Fruchtgläubigers in Gestalt derjenigen Kosten abschöpfen, deren Aufwendung die Gewinnung der dem Fruchtgläubiger schuldrechtlich zugewiesenen Früchte erst ermöglicht hat. Die Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO trägt einem solchen Bereicherungsverbot Rechnung (vgl. Schmidt/Thole, InsO, 19. Aufl., § 55 Rn. 37) und erfasst die Fälle einer Massebereicherung, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt (BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - IX ZR 228/02, BGHZ 155, 199, 205 mwN; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2010, § 55 Rn. 198). Der Bereicherungsgläubiger darf diese wieder aus der Masse abziehen (Schmidt/
Thole, aaO). Die Masse erlangt den Wert der ersparten Fruchtgewinnungskosten allerdings nicht bereits mit der Rückgewähr der Immobilie oder dem an deren Stelle getretenen Wertersatzanspruch, sondern erst mit der Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder mit der Zahlung eines an deren Stelle tretenden Wertersatzes (vgl. im Falle von Verwendungen auf die anfechtbare Sache Jaeger/
Henckel, InsO, § 143 Rn. 149; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 143 Rn. 66), gleich ob es um Zeiträume vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Kayser Lohmann Pape
Möhring Meyberg