BGH, Versäumnisurteil vom 26. Januar 2022 - XII ZR 79/20

30.03.2022

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

26. Januar 2022

Kappel,Justizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BGB § 273


Für die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts kann es genügen, dass der Beklagte unter Hinweis auf die von ihm gegenüber dem Anspruch erklärte Aufrechnung die Abweisung der Klage beantragt hat (im Anschluss an BGH Urteil vom 28. Juni 1983 ­ VI ZR 285/81 ­ NJW 1983, 2438).


BGH, Versäumnisurteil vom 26. Januar 2022 - XII ZR 79/20 - OLG Köln, LG Köln


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2022 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter

Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten und Widerklägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Juli 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als im ersten Absatz des Urteilstenors von einer Zug-um-Zug-Verurteilung hinsichtlich der Klageforderung abgesehen worden ist. Insoweit wird das Urteil wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird ­ unter Abweisung der Klage im Übrigen ­ verurteilt, an den Kläger 113.704,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 8.746,50 EUR seit dem 6. Oktober 2016, 6. November 2016, 6. Dezember 2016, 6. Januar 2017, 6. Februar 2017, 6. März 2017, 6. April 2017, 6. Mai 2017, 6. Juni 2017, 6. Juli 2017, 6. August 2017, 6. September 2017 und 6. Oktober 2017 Zug um Zug gegen Zahlung von sieben Milliarden iranische Rial an den Beklagten zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz, mit Ausnahme der Kosten des Teilvergleichs, die gegeneinander aufgehoben werden, haben der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4 zu tragen. Die Kosten der Revisionsinstanz trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Die Parteien streiten um wechselseitige Zahlungsansprüche aus einem Gewerberaummietverhältnis.

[2] Der Kläger war Vermieter, der Beklagte Mieter einer Gaststätte in Köln. In dem schriftlichen Mietvertrag war ein Vertragsbeginn zum 1. Oktober 2015 mit einer Mietzeit von zehn Jahren und einer monatlichen Gesamtmiete von brutto 8.746,50 € vereinbart. Ab Oktober 2016 zahlte der Beklagte die laufenden Mieten nicht mehr. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 9. November 2016 die fristlose Kündigung. Unter dem 22. November 2016 erklärte der Beklagte die Aufrechnung mit dem Rückzahlungsanspruch aus einer zusätzlichen Sicherheitsleistung in Höhe von 190.000 €, die er zuvor durch Zahlung von sieben Milliarden iranische Rial am 30. September 2015 erbracht habe. Diese sei im Hinblick auf die mietvertragliche Vereinbarung ohne Rechtsgrund erfolgt.

[3] Der Kläger hat zuletzt - nach Abschluss eines Teilvergleichs über die Räumung und über die Ablösesumme für das Inventar - beantragt, den Beklagten zur Zahlung rückständiger Miete in Höhe von 113.734,50 € sowie zur Zahlung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.217,45 €, jeweils nebst Zinsen, zu verurteilen.

[4] Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und den Kläger im Rahmen der erhobenen Widerklage zu verurteilen, an ihn 76.295,50 € zu zahlen.

[5] Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung verschiedener Zeugen hat das Landgericht den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 1.973,90 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Widerklage hat es den Kläger verurteilt, an den Beklagten 76.295,50 € nebst Zinsen zu zahlen. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklage in Höhe von 52.479 € in der Hauptsache erledigt hat. Im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen.

[6] Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 113.704,50 € nebst Zinsen zu zahlen. Ferner hat es den Beklagten verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.973,90 € zu zahlen. Auf die Widerklage hat das Oberlandesgericht den Kläger verurteilt, an den Beklagten sieben Milliarden iranische Rial nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen. Der Senat hat die Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts unter Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde im Übrigen insoweit zugelassen, als von einer Zug-um-Zug-Verurteilung hinsichtlich der Klageforderung abgesehen worden ist. Der Beklagte hat die Revision in diesem Umfang eingelegt.

Entscheidungsgründe:

[7] Die Revision ist im Umfang ihrer Einlegung begründet. Sie führt zur im Tenor ersichtlichen Abänderung des Urteils des Oberlandesgerichts. Über das Rechtsmittel ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Revisionsverhandlung nicht anwaltlich vertreten war; inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis des Klägers, sondern auf einer umfassenden Würdigung des Sach- und Streitstandes (Senatsversäumnisurteil vom 07. November 2018 ­ XII ZR 109/17 ­ NZM 2019, 824 Rn. 3 mwN).

[8] 1. Das Oberlandesgericht hat insoweit ausgeführt, der Beklagte könne die Leistung der mangels Gleichartigkeit nicht durch Aufrechnung erloschenen Forderung auch nicht nach § 273 Abs. 1 BGB verweigern. Er habe - trotz richterlichen Hinweises - nicht das Zurückbehaltungsrecht wegen seines auf sieben Milliarden iranische Rial gerichteten Rückzahlungsanspruch ausgeübt. Die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht sei eine Willenserklärung, die der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zugänglich sei. Ausdrücklich habe der Beklagte sich darauf nicht berufen. Auch konkludent könne nicht angenommen werden, dass er die Leistung im Hinblick auf ein Leistungsverweigerungsrecht abgelehnt hätte. Soweit überwiegend bei Gleichartigkeit der Leistungsgegenstände in der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts zugleich die Erklärung der Aufrechnung gesehen werde, könne dies für den umgekehrten Fall nicht gelten. Andernfalls könnte der Kläger seiner Rechte aus § 273 Abs. 3 BGB beschnitten werden.

[9] 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[10] a) Das Oberlandesgericht hat allerdings zu Recht ausgeführt, dass es an der nach § 387 BGB erforderlichen Aufrechnungslage fehlt. Nach der Rechtsprechung des Bundgerichtshofs sind eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld (Valutaschuld) und eine auf Deutsche Mark lautende Geldschuld nicht gleichartig (Urteil vom 7. April 1992 ­ X ZR 119/90 ­ WM 1993, 2011). Nichts anderes gilt bei Anwendung des § 387 BGB auch für eine in ausländischer Währung geschuldete Forderung gegenüber einer auf Euro gerichteten Geldschuld.

[11] b) Auch dann, wenn - wie hier - die Wirksamkeit einer Aufrechnung daran scheitert, dass die wechselseitig geschuldeten Leistungen ihrem Gegenstand nach nicht gleichartig sind (§ 387 BGB), kann die erklärte Aufrechnung jedoch ein Zurückbehaltungsrecht begründen. Denn wenn der Beklagte unter Hinweis auf die von ihm erklärte Aufrechnung die Abweisung der Klage beantragt hat, kann hierin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts und damit der Antrag erblickt werden, ihn nur zur Erfüllung Zug um Zug zu verurteilen (BGH Urteil vom 28. Juni 1983 ­ VI ZR 285/81 ­ NJW 1983, 2438, 2439 mwN).

[12] Die Feststellungen des Oberlandesgerichts, wonach der Beklagte bei unstreitiger Klageforderung im Hinblick auf die Gegenforderung Klagabweisung beantragt und zugleich im Wege der (hilfsweisen) Widerklage Zahlung der Restforderung begehrt hat, tragen im Rahmen des hier vorliegenden innerlich zusammengehörigen einheitlichen Lebenssachverhalts die Rechtsfolge, dass der Beklagte mit seiner - unwirksamen - Aufrechnungserklärung konkludent auch ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht hat.

[13] Dann hat die Klage nur Zug um Zug gegen Zahlung der Gegenforderung Erfolg, was auch den wirtschaftlichen Interessen des Beklagten entspricht (vgl. BGH Urteil vom 28. Juni 1983 ­ VI ZR 285/81 ­ NJW 1983, 2438 mwN).

[14] 3. Weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Dose Schilling Nedden-Boeger

Botur Guhling

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