BGH, Versäumnisurteil vom 26. September 2022 - VIa ZR 124/22

06.12.2022

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

26. September 2022

WendtJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1a


Die Verjährung wird nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB nur gehemmt, wenn ein Verbraucher einen Anspruch zur Musterfeststellungsklage anmeldet.


BGH, Urteil vom 26. September 2022 - VIa ZR 124/22 - OLG Dresden, LG Chemnitz


Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2022 durch die Richterin Dr. Menges als Vorsitzende, die Richterinnen Möhring, Dr. Krüger, Wille und den Richter Liepin

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11a. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Dezember 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Der Kläger kaufte unter der Firma "M. " bei einem Händler am 24. Mai 2013 einen VW Tiguan Sport & Style 4 Motion 2,0 TDI als Neufahrzeug für brutto 37.503 € (netto 31.515,13 €). In das Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA 189 eingebaut. Der Motor enthielt eine Software, die auf dem Prüfstand vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in den stickoxid-optimierten Modus 1 wechselte (Umschaltlogik). Die Software wurde im Herbst 2015 öffentlich bekannt und vom Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet.

[2] Der Kläger hat gegen die Beklagte am 11. September 2020 Klage erhoben und beantragt, sie zur Zahlung von 25.422,63 € zuzüglich Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs und zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.077,74 € nebst Verzugszinsen zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 22.482,05 € nebst Prozesszinsen und zur Zahlung weiterer Prozesszinsen für die Zeit ab Zustellung der Klage bis zum 24. November 2021 aus einem weiteren Betrag in Höhe von 742,60 € Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt und festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache wegen eines Teilbetrags in Höhe von 1.214,49 € erledigt sei. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie die vollständige Zurückweisung der Berufung des Klägers begehrt.

Entscheidungsgründe:

[3] Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war. Inhaltlich ist das Urteil jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).

[4] I. Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt:

[5] Der Kläger habe gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB. Der Anspruch bestehe entsprechend seinem Antrag, bei dem der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger einen Vorteil in Höhe der gesetzlichen Umsatzsteuer bereits zu seinen eigenen Lasten eingerechnet habe, im Umfang des Nettokaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile, die auf 9.033,08 € zu schätzen seien, mithin in Höhe von 22.482,05 € Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs. Der Anspruch aus §§ 826, 31 BGB sei jedoch gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt. Der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2015 begonnen. Der Kläger habe zwar unstreitig seine Forderung zur Musterfeststellungsklage vor dem Oberlandesgericht Braunschweig (4 MK 1/18) angemeldet. Die Verjährung sei indessen nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt worden, weil der Kläger das Fahrzeug nicht als Verbraucher, sondern als Unternehmer erworben habe.

[6] Der Kläger habe jedoch gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 826, 852 BGB. Erlangt habe die Beklagte den Betrag, der ihr über ihre Vertragshändlerin vom Kaufpreis des Klägers zugeflossen sei, nämlich 85% des Nettokaufpreises, also 26.787,86 €. Allerdings sei der Anspruch aus §§ 826, 852 BGB auf den Betrag dessen, was der Kläger in unverjährter Zeit nach §§ 826, 31 BGB habe verlangen können, also auf 22.482,05 €, begrenzt. Weitere Abzüge könne die Beklagte nicht vornehmen. Die Klägerin könne die Zahlung von Prozesszinsen verlangen, und zwar nicht nur aus dem in der Hauptsache ausgeurteilten Betrag, sondern auch aus einem weiteren Betrag in Höhe von 742,60 €, weil zum Zeitpunkt der Klagezustellung der Schadensersatzanspruch höher gewesen sei. Weiter sei der Erledigungsantrag in beantragter Höhe begründet.

[7] II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

[8] 1. Noch rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs des Klägers gemäß §§ 826, 31 BGB (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316; Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16) die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegensteht (§ 214 Abs. 1 BGB), weil die Anmeldung des Anspruchs des Klägers zur Musterfeststellungsklage die Verjährung nicht innerhalb der laufenden Verjährungsfrist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt hat und die Erhebung der Klage im September 2020 nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu einer Hemmung der zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufenen dreijährigen Verjährungsfrist führen konnte.

[9] a) Der Anspruch aus §§ 826, 31 BGB verjährt gemäß § 195 BGB in drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

[10] b) Beide Voraussetzungen lagen spätestens mit dem Schluss des Jahres 2016 vor. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB entstand mit Abschluss des Kaufvertrags im Jahr 2013. Das Berufungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die subjektiven Merkmale des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bis zum Schluss des Jahres 2016 gegeben waren. Insoweit zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Kläger habe nicht erheblich bestritten, dass er bereits im letzten Quartal 2015 Kenntnis vom "Diesel-" bzw. "Abgasskandal" im Allgemeinen gehabt habe (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 365/21, NJW 2022, 1311 Rn. 17; Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 396/21, VersR 2022, 899 Rn. 18 f.). Es kann dahinstehen, ob der Kläger - wie vom Berufungsgericht angenommen - seine Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs bereits im Jahr 2015 nicht erheblich bestritten hat, denn das Berufungsgericht hat durch Verweis auf den entsprechenden Vortrag der Beklagten hinreichende Feststellungen dazu getroffen, dass der Kläger jedenfalls im Jahre 2016 die konkrete Betroffenheit seines Fahrzeugs ohne grobe Fahrlässigkeit hätte kennen müssen. Weiter hatte der Kläger Kenntnis von der Relevanz dieser Betroffenheit für seine Kaufentscheidung, wobei diese Kenntnis nicht gesondert festgestellt werden muss, sondern naturgemäß beim Geschädigten vorhanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 692/21, MDR 2022, 559 Rn. 30-32; Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 396/21, VersR 2022, 899 Rn. 16, 26, 27).

[11] c) Die Verjährung wurde auch nicht, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat, durch die Erhebung der Musterfeststellungsklage und die Anmeldung des Anspruchs des Klägers im Jahr 2018 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt.

[12] aa) Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger seinen Schadensersatzanspruch am 31. Dezember 2018 zu dem zu der Musterfeststellungsklage gegen die Beklagte vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Klageregister angemeldet hat (§ 608 Abs. 1 ZPO). Die Musterfeststellungsklage wurde - worauf es für den Zeitpunkt der Hemmung alleine ankommt (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - VI ZR 1118/20, BGHZ 231, 1 Rn. 24; Urteil vom 19. Oktober 2021 - VI ZR 189/20, MDR 2022, 97 Rn. 16; Urteil vom 27. Januar 2022 - VII ZR 303/20, WM 2022, 440 Rn. 11) - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (vgl. auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 23. November 2018 - 4 MK 1/18, juris Rn. 1) der Beklagten vor dem 15. November 2018 zugestellt.

[13] bb) Der Kläger hat seinen Anspruch gegen die Beklagte aber nicht wirksam zum Klageregister angemeldet, weil er den Anspruch als Unternehmer und nicht als Verbraucher erworben hat und die Anmeldung eines Anspruchs durch einen Unternehmer von § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB nicht erfasst wird.

[14] (1) Der Wortlaut der Regelungen des Musterfeststellungsverfahrens im Buch 6 der Zivilprozessordnung und deren Systematik ergeben, dass die Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage nur Verbrauchern eröffnet ist.

[15] Nach § 608 Abs. 1 ZPO können Verbraucher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die von den Feststellungszielen abhängen, zur Eintragung in das Klageregister anmelden. Nach § 613 Abs. 1 Satz 1 ZPO bindet ein rechtskräftiges Musterfeststellungsurteil das zur Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen einem angemeldeten Verbraucher und dem Beklagten berufene Gericht, soweit dessen Entscheidung die Feststellungsziele und den Lebenssachverhalt der Musterfeststellungsklage betrifft. Außerdem ist nach § 613 Abs. 2 ZPO unter diesen Voraussetzungen ein Verfahren bis zur Entscheidung über die Musterfeststellungsklage auszusetzen, wenn ein Verbraucher nach Klageerhebung seinen Anspruch oder sein Rechtsverhältnis zum Klageregister anmeldet. Nach § 148 Abs. 2 ZPO kann ein Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei. Danach haben Unternehmer keinen Zugang zum Musterfeststellungsverfahren und können wirksam Forderungen nicht zum Klageregister anmelden.

[16] (2) Der Kläger ist, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, in Bezug auf die angemeldete Forderung gegen die Beklagte kein Verbraucher im Sinne der §§ 606 ff., § 29c Abs. 2 ZPO, wobei unerheblich ist, dass allein aus der Unternehmereigenschaft des Klägers nach § 2 UStG nicht ohne weiteres auf seine Qualifikation als Unternehmer in anderen Regelungszusammenhängen geschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2020 - XI ZR 461/18, WM 2020, 781 Rn. 16 ff.).

[17] Der Gesetzgeber hat in § 29c Abs. 2 ZPO gerade im Hinblick auf die neu geschaffene Musterfeststellungsklage für das Prozessrecht eine Legaldefinition des Verbrauchers aufgenommen. Danach ist Verbraucher jede natürliche Person, die bei dem Erwerb des Anspruchs oder der Begründung des Rechtsverhältnisses nicht überwiegend im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Zu dieser Legaldefinition sah sich der Gesetzgeber veranlasst, weil der materiell-rechtliche Verbraucherbegriff des § 13 BGB die Verbrauchereigenschaft an den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit einem Verbraucher anknüpft. Der Gesetzgeber hielt es zur verbesserten Durchsetzung von Verbraucherrechten für zweckmäßig, den Begriff des Verbrauchers für die prozessuale Geltendmachung weiter zu fassen, um auch eine Einbeziehung konkurrierender gesetzlicher Ansprüche eines Verbrauchers zu ermöglichen. Aus diesem Grund sollte nicht auf die rechtsgeschäftliche Entstehung des einzelnen Anspruchs abgestellt werden, sondern vielmehr darauf, dass der Anspruchsteller bei Erwerb des Anspruchs oder der Begründung des Rechtsverhältnisses nicht überwiegend im Rahmen seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelte (vgl. BT-Drucks. 19/2439, S. 21; OLG Dresden, Urteil vom 31. März 2021 - 5 MK 3/20, BeckRS 2021, 9159 Rn. 24; BeckOK ZPO/Lutz, Stand: 1. Juli 2022, § 606 Rn. 12).

[18] Nach diesen Maßstäben war der Kläger kein Verbraucher im Sinne von § 29c Abs. 2 ZPO. Der Kläger hat den schadensauslösenden Kaufvertrag unter seiner Firma abgeschlossen. Das Fahrzeug war seinem Betrieb zugeordnet.

[19] (3) Die Anmeldung eines vom Kläger nicht in der Eigenschaft als Verbraucher erworbenen Anspruchs hemmte nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB die Verjährung nicht.

[20] (a) In der Literatur ist streitig, ob die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt wird, wenn ein Unternehmer seine Forderung zum Klageregister anmeldet. Einerseits wird vertreten, auch die Anmeldung eines "vermeintlichen Verbrauchers" hemme die Verjährung (BeckOK ZPO/Lutz, Stand: 1. Juli 2022, § 608 Rn. 22; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 204 Rn. 48e; wohl auch Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 608 Rn. 3). Andererseits wird angenommen, die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB komme nur bei Ansprüchen von Verbrauchern gegen Unternehmer in Betracht, denn nur Verbraucher könnten ihre Ansprüche wirksam im Sinne des § 608 ZPO zum Klageregister anmelden (§ 606 Abs. 1 Satz 1 ZPO; BeckOGK BGB/Meller-Hannich, Stand: 1. Juni 2022, § 204 Rn. 112).

[21] (b) Die zuletzt genannte Ansicht trifft zu. Die Verjährung wird nur gehemmt, wenn ein Verbraucher einen Anspruch zur Musterfeststellungsklage anmeldet.

[22] (aa) Das ergibt zunächst der systematische Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften. Anders als die Regelungen zur Musterfeststellungsklage gemäß §§ 606 ff. ZPO spricht der Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB zwar von einem Anspruch eines Gläubigers, nicht einschränkend von einem Anspruch eines Verbrauchers. Auch wird nur die in § 608 Abs. 1 ZPO formulierte Anmeldevoraussetzung, dass die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von den Feststellungszielen abhängen, ausdrücklich als Voraussetzung für die Hemmung in § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB genannt, wenn dort ausgesprochen wird, dass dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegen muss wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage (vgl. BeckOK ZPO/Lutz, Stand: 1. Juli 2022, § 608 Rn. 22; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 204 Rn. 48e f.).

[23] Gleichwohl setzt auch § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB eine Anmeldung als Verbraucher voraus. § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB verlangt, dass der Gläubiger seinen Anspruch zu dem zu der Musterfeststellungsklage geführten Klageregister "wirksam" angemeldet hat. Damit wird auf § 608 Abs. 2 ZPO verwiesen. Nach dieser Regelung ist eine Anmeldung nur wirksam, wenn sie frist- und formgerecht erfolgt und die dort genannten Angaben enthält, insbesondere die Angabe von Name und Anschrift des Verbrauchers. Die für die wirksame Anmeldung zur Musterfeststellungsklage maßgeblichen Kriterien gelten somit auch innerhalb des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB.

[24] Unerheblich ist, dass gemäß § 608 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Richtigkeit der nach § 608 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu machenden Angaben bei der Anmeldung nicht geprüft wird, sondern erst im Nachfolgeprozess, wenn der Geschädigte seine individuellen Ansprüche gegen den Musterfeststellungsbeklagten geltend macht (vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 204 Rn. 48e). Denn die Verbindlichkeit der gesetzlichen Vorgaben hängt nicht vom Zeitpunkt ihrer Nachprüfung ab.

[25] (bb) Darüber hinaus spricht auch die Gesetzgebungsgeschichte für eine einschränkende Auslegung des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB. Mit der Schaffung des neuen Hemmungstatbestandes in § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass angemeldete Verbraucher, die den Ausgang der Musterfeststellungsklage im Hinblick auf die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils abwarten, nicht durch den Ablauf von Verjährungsfristen während der Dauer der Musterfeststellungsklage daran gehindert werden, ihren Anspruch nach Abschluss des Musterfeststellungsverfahrens erfolgreich gerichtlich durchzusetzen (BT-Drucks. 19/2439, S. 29 zu Art. 6 Nr. 1). Anlass, Unternehmer in den gleichen Genuss der Hemmungswirkung zu bringen, besteht nicht, weil ein Unternehmer einen Anspruch zur Musterfeststellungsklage nicht anmelden kann (vgl. BeckOGK BGB/Meller-Hannich, Stand: 1. Juni 2022, § 204 Rn. 112). Konsequent wird daher von den prozessualen Wirkungen der Anmeldung, namentlich der Bindungswirkung des § 613 Abs. 1 ZPO, nur ein Verbraucher erfasst, nicht ein Unternehmer. Auch weist § 148 Abs. 2 ZPO dem Unternehmer den Weg zu einer eigenen Klage, die bei Vorgreiflichkeit der Musterfeststellungsklage ausgesetzt werden kann (vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 204 Rn. 48e).

[26] 2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Restschadensersatz nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB zuerkannt. Insbesondere hat es entgegen den Einwänden der Revision die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 852 Satz 1 BGB hinreichend festgestellt. Daraus ergibt sich, dass die Bestellung des Fahrzeugs durch den Händler bei der Beklagten auf der Bestellung durch den Kläger bei ihm beruht (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/22, WM 2022, 742 Rn. 14; Urteil vom 21. März 2022

- VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 28). Die insoweit erhobene Verfahrensrüge der Revision hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

[27] 3. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand hält dagegen die Berechnung des Restschadensersatzanspruchs durch das Berufungsgericht, weil es - die Beklagte nur im Ausgangspunkt nicht beschwerend - entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vom Brutto-Händlereinkaufspreis ausgegangen ist und die Regeln der Vorteilsausgleichung nur unvollständig angewandt hat.

[28] a) Ausgangspunkt der Berechnung des Anspruchs aus § 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB ist grundsätzlich der der Beklagten zugeflossene Brutto-Händlereinkaufspreis. Denn regelmäßig ist die gesetzliche Umsatzsteuer untrennbarer Bestandteil der zivilrechtlich geschuldeten Leistung. Anderes hat das Berufungsgericht im Verhältnis der Beklagten zum Händler nicht festgestellt. Der Brutto-Händlereinkaufspreis entspricht damit dem von der Beklagten nach § 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB Erlangten. Die Pflicht der Beklagten, vereinnahmte Umsatzsteuer abzuführen, könnte allenfalls ihre Entreicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB zur Folge haben. Der Beklagten ist indessen eine Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB nach § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB verwehrt (BGH, Urteil vom 12. September 2022 - VIa ZR 122/22 unter II.4.a mwN, zVb).

[29] Für die Bemessung des von der Beklagten Erlangten ist auch die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers unerheblich. Obwohl dieser zum Vorsteuerabzug berechtigt war, bestimmte ein daraus resultierender Vorteil das Erlangte im Sinne der § 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB nicht mit, sondern ist erst im Rahmen der auch auf den Restschadensersatzanspruch anwendbaren Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2022 - VIa ZR 122/22 unter II.4.a mwN, zVb).

[30] b) Überdies hat das Berufungsgericht die Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf den Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB auch im Übrigen rechtsfehlerhaft nur unvollständig angewandt. Steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB zu, ist von dem von der Beklagten vereinnahmten Händlereinkaufspreis der Wert der vom Kläger gezogenen Nutzungen in Abzug zu bringen. Zudem schuldet die Beklagte in diesem Fall Restschadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 81 ff.; Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16). Abweichend davon hat das Berufungsgericht den Kläger zwar zur Leistung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs verurteilt, den Nutzungsvorteil dagegen nur bei der Ermittlung des verjährten, zur Vergleichsbetrachtung herangezogenen Schadensersatzanspruchs des Klägers aus §§ 826, 31 BGB berücksichtigt und nicht mit dem von ihm als erlangt ermittelten Betrag verrechnet.

[31] 4. Auch die Zinsberechnung des Berufungsgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Beklagte schuldet aus § 291 BGB Prozesszinsen aufgrund der Zustellung der Klage am 11. September 2020 erst ab dem 12. September 2020 (BGH, Urteil vom 24. Januar 1990 - VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518, 519 aE; BAG, Urteil vom 15. November 2000 - 5 AZR 365/99, NJW 2001, 1517, 1519).

[32] 5. Wegen der nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechenden Berechnung des Anspruchs aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB kann auch der Ausspruch über die Teilerledigung keinen Bestand haben.

[33] III. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif im Sinne von § 563 Abs. 3 ZPO. Das Berufungsgericht wird abschließende Feststellungen zu einem Anspruch des Klägers auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu treffen haben.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen das Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Menges Möhring Krüger

Wille Liepin

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