I ZB 16/07
BUNDESGERICHTSHOF
vom
6. Dezember 2007
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
Die dem Beklagten durch ein vorgerichtliches
Abwehrschreiben entstandenen Kosten stellen, soweit sie auf die
Verfahrensgebühr nicht anrechenbar sind, keine notwendigen Kosten
der Rechtsverteidigung i.S. des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar.
BGH, Beschl. v. 6. Dezember 2007 - I ZB 16/07 - OLG
Stuttgart, LG Ulm
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6.
Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 5. Februar 2007
wird auf Kosten des Verfügungsbeklagten zurückgewiesen.
Streitwert: 419,90 EURO.
Gründe:
[1] I. Der Verfügungskläger, ein Wettbewerbsverband,
mahnte den Verfügungsbeklagten, der eine Drogeriemarktkette betreibt
und eine Kundenzeitschrift herausgibt, mit anwaltlichem Schreiben
vom 4. Januar 2006 wegen Verstößen gegen das Verbot der
redaktionellen Werbung ab. Der Verfügungsbeklagte trat der Abmahnung
mit Anwaltsschreiben vom 18. Januar 2006 hinsichtlich eines Beitrags
mit dem Titel "Mehr Kraft für die Augen" entgegen. Das Landgericht
wies den vom Verfügungskläger deshalb gestellten Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 21. Februar 2006
kostenpflichtig zurück.
[2] Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der
Verfügungsbeklagte in einem Nachfestsetzungsantrag für das
vorgerichtliche Abwehrschreiben eine auf die Verfahrensgebühr nicht
anrechenbare 0,65-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV-RVG in Höhe von
419,90 EURO netto geltend gemacht.
[3] Das Landgericht hat die Gebühr antragsgemäß
festgesetzt.
[4] Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers hat zur
Abweisung des Kostennachfestsetzungsantrags des Verfügungsbeklagten
geführt (OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.2.2007 - 8 W 20/07, juris).
[5] Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der
Verfügungsbeklagte seinen Kostennachfestsetzungsantrag weiter. Der
Verfügungskläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
[6] II. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung
gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und
auch ansonsten zulässig. Der Umstand, dass dem angefochtenen
Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
zugrunde liegt, in dem die Rechtsbeschwerde wegen des durch § 574
Abs. 1 Satz 2, § 542 Abs. 2 Satz 2 ZPO begrenzten Instanzenzugs auch
im Falle ihrer Zulassung ausgeschlossen ist (BGHZ 154, 102, 103),
steht dem nicht entgegen. Diese Begrenzung gilt nicht für das
Kostenfestsetzungsverfahren, das als selbständiges Verfahren mit
einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestaltet ist (vgl. BGH, Beschl. v.
6.4.2005 - V ZB 25/04, NJW 2005, 2233; Beschl. v. 19.4.2007 - I ZB
47/06, GRUR 2007, 999 Tz. 8 = WRP 2007, 1205 - Consulente in
marchi).
[7] III. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen
Erfolg. Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen, dass die dem
Verfügungsbeklagten durch das vorgerichtliche Abwehrschreiben
entstandenen Kosten, soweit sie auf die Verfahrensgebühr nicht
anrechenbar sind, keine notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung
i.S. des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO darstellen und im
Kostenfestsetzungsverfahren daher nicht erstattungsfähig sind.
[8] Für die Beurteilung des Streitfalls ist es
entscheidend, dass ein Abwehrschreiben, auch wenn es die Reaktion
auf ein Abmahnschreiben darstellt, nicht anders als dieses auf die
Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung abzielt. Kosten,
die zur Abwendung eines drohenden Rechtsstreits aufgewendet werden,
stellen keine Kosten der Prozessvorbereitung dar, die dann, wenn sie
in Bezug auf einen bestimmten Rechtsstreit vorgenommen worden sind,
im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig sind (OLG Schleswig
JurBüro 1981, 582; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rdn. 13
"Vorbereitungskosten"; a.A. OLG Hamburg OLG-Rep 2006, 691, 692). Wie
der beschließende Senat in der Entscheidung "Geltendmachung der
Abmahnkosten" ausgeführt hat, gehören die Kosten einer Abmahnung im
Hinblick auf deren Funktionen - Streitbeilegung ohne Inanspruchnahme
der Gerichte und Ausschluss der für den Gegner ohne vorherige
Abmahnung grundsätzlich bestehenden Möglichkeit, den gerichtlich
geltend gemachten Anspruch mit der Kostenfolge des § 93 ZPO
anzuerkennen - nicht zu den einen Rechtsstreit unmittelbar
vorbereitenden Kosten (BGH, Beschl. v. 20.10.2005 - I ZB 21/05, GRUR
2006, 439 Tz. 12 = WRP 2006, 237). Nichts anderes gilt für die
Kosten eines Abwehrschreibens; denn ein solches Schreiben soll einen
drohenden Rechtsstreit nach seiner Bestimmung nicht fördern, sondern
gerade verhindern.
[9] In dieser Hinsicht unterscheidet sich ein
Abwehrschreiben auch von einer Schutzschrift. Diese wird bei Gericht
eingereicht, um zu verhindern, dass in einem Eilverfahren, dessen
Anhängigkeit oder Anhängigwerden der Verfasser der Schutzschrift
erwartet, eine Unterlassungsverfügung ergeht, ohne dass diejenigen
Gesichtspunkte Berücksichtigung finden, die aus der Sicht des
Verfassers der Schutzschrift gegen ihren Erlass sprechen. Eine
Schutzschrift ist damit auf ein bestimmtes, wenn auch meist nur
drohendes gerichtliches Verfahren bezogen, das sie insofern fördern
soll, als das Gericht bei seiner Entscheidung bereits die Gründe
kennen soll, die nach Auffassung des Antragsgegners gegen den Erlass
der einstweiligen Verfügung sprechen. Die für eine Schutzschrift
aufgewendeten Kosten sind deshalb grundsätzlich dann
erstattungsfähig, wenn ein Verfügungsantrag eingereicht und damit
ein Prozessrechtsverhältnis begründet wird (vgl. BGH, Beschl. v.
13.2.2003 - I ZB 23/02, GRUR 2003, 456 = WRP 2003, 516 - Kosten
einer Schutzschrift).
[10] Der Umstand, dass im Streitfall am Ende des
Abwehrschreibens angemerkt war, man gehe davon aus, dass der
Abmahnende, sollte er wider Erwarten einen Rechtsstreit einleiten,
das Abwehrschreiben von sich aus dem Verfügungsantrag an das Gericht
beilegen werde, rechtfertigt es hier ebenfalls nicht, das
Abwehrschreiben hinsichtlich der Kostenerstattung wie eine
Schutzschrift zu behandeln. Dem Verfügungsbeklagten stand es frei,
seinerseits auf die Abmahnung hin bei Gericht eine Schutzschrift
einzureichen und auf diese Weise bereits im Voraus auf das drohende
Verfahren einen fördernden Einfluss zu nehmen.
[11] IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1
ZPO.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Bergmann Koch