I ZR 160/07

12.11.2009

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

12. November 2009

Führinger,Justizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


UrhG § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, § 20


a) Sendender i.S. von § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, § 20 UrhG ist im Falle einer Kabelweitersendung allein derjenige, der darüber entscheidet, welche Funksendungen in das Kabel eingespeist und an eine Öffentlichkeit weitergeleitet werden, nicht dagegen derjenige, der lediglich die hierfür erforderlichen technischen Vorrichtungen bereitstellt und betreibt. Überträgt der Betreiber eines Kabelnetzes Funksendungen durch Einspeisung in eine Kabelanlage aufgrund einer eigenen Entscheidung - und nicht lediglich als Dienstleister beim Signaltransport - weiter, sendet er selbst und ist dafür selbst urheberrechtlich verantwortlich.

b) Der zwischen der Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen mbH (VG Media) und Kabelnetzbetreibern im Jahr 2003 geschlossene "Vertrag über die Vergütung der Nutzung der terrestrisch und satellitär herangeführten Programme der Hörfunk- und Fernsehunternehmen in den Breitbandkabeln der Kabelnetzbetreiber" (Regio-Vertrag) regelt auch das Recht, Sendesignale über Verteileranlagen in Gästezimmer von Beherbergungsbetrieben weiterzuleiten.


BGH, Urteil vom 12. November 2009 - I ZR 160/07 - OLG Hamm, LG Bochum


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. September 2007 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 25. Januar 2007 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Die Klägerin ist die Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen mbH (VG Media). Zahlreiche private Hörfunk- und Fernsehsender, darunter die Fernsehsender RTL und Sat.1, haben der Klägerin die Wahrnehmung des Rechts zur Weitersendung ihrer Funksendungen durch Kabelsysteme (Kabelweitersenderecht) übertragen.

[2] Die Beklagte betreibt ein Hotel in Essen. Mindestens 47 der 84 Gastzimmer des Hotels sind mit Fernsehgeräten ausgestattet, mit denen die Pro-gramme privater Fernsehsender, auch solche von RTL und Sat.1, über Kabel empfangen werden können.

[3] Die Beklagte hat mit dem Kabelnetzbetreiber Tele Columbus West GmbH & Co. KG (im Folgenden: Tele Columbus) einen Kabelanschlussvertrag geschlossen, nach dem Tele Columbus dem Hotel die Programme der Fernsehsender zuleitet. Tele Columbus übernimmt die Programmsignale an der Grundstücksgrenze von dem überregionalen Kabelnetzbetreiber ish NRW GmbH (im Folgenden: ish GmbH) und führt sie über eine hausinterne Verteileranlage in die einzelnen Hotelzimmer. Zwischen Tele Columbus und der ish GmbH besteht ein entsprechender Signallieferungsvertrag.

[4] Die ish GmbH hat - ebenso wie andere Kabelnetzbetreiber - mit der Klägerin im Jahr 2003 einen "Vertrag über die Vergütung der Nutzung der terrestrisch und satellitär herangeführten Programme der Hörfunk- und Fernsehunternehmen in den Breitbandkabeln der Kabelnetzbetreiber" (nachfolgend: Regio-Vertrag) geschlossen. Dessen Laufzeit ist immer wieder verlängert worden, zuletzt bis zum 31. Dezember 2008. In § 2 Abs. 1 des Regio-Vertrags räumt die Klägerin den Kabelnetzbetreibern das Recht ein, die von ihr "innegehaltenen" Rechte in Kabelnetzen zu nutzen und die Programme der Sendeunternehmen in das Kabel einzuspeisen und weiterzusenden. Nach § 2 Abs. 3 Satz 5 des Regio-Vertrags ist eine Übertragung der Nutzungsrechte durch die Kabelnetzbetreiber an Dritte

nur dann zulässig, wenn die Kabelnetzbetreiber das Programm der Sendeunternehmen anderen Kabelnetzbetreibern der Netzebene 4 (nachfolgend "andere Betreiber") zuliefern und über die Signalzulieferung ein Vertrag zwischen den Kabelnetzbetreibern und den betreffenden anderen Betreibern besteht oder geschlossen wird.

[5] Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze das von ihr wahrgenommene Kabelweitersenderecht der in Anlage K 1 zur Klageschrift aufgelisteten 32 Fernsehsender, weil sie deren Fernsehprogramme mittels einer Kabelverteileranlage an die Empfangsgeräte in ihren Gastzimmern weiterleite, ohne hierzu nach dem Regio-Vertrag berechtigt zu sein.

[6] Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, die in Anlage K 1 zur Klageschrift aufgeführten terrestrisch oder satellitär ausgestrahlten Fernsehprogramme, deren Rechte von der Klägerin wahrgenommen werden, nach Empfang aufzubereiten und über eigene oder fremde Kabel- bzw. Verteilungsanlagen in ihre Gastzimmer weiterzuleiten.

[7] Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG Bochum ZUM 2007, 403). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Hamm GRUR-RR 2007, 379 = ZUM 2007, 918). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

[8] I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen einer Verletzung von Kabelweiterleitungsrechten nach § 97 Abs.1, § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, § 20 UrhG zu.

[9] Die Berechtigung der Klägerin, den erhobenen Unterlassungsanspruch geltend zu machen, sei festzustellen, auch wenn sie nicht sämtliche Wahrnehmungsverträge mit den in Anlage K 1 zur Klageschrift aufgelisteten 32 Fernsehsendern vorgelegt habe. Da alles dafür spreche, dass die Klägerin die Kabelweitersenderechte dieser Sendeunternehmen vollständig wahrnehme, streite für die Berechtigung der Klägerin eine tatsächliche Vermutung.

[10] Die Beklagte habe das Weitersenderecht der Sendeunternehmen verletzt, deren Rechte die Klägerin wahrnehme. Die Beklagte habe die Fernsehprogramme dieser Sendeunternehmen im Sinne der § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, § 20 UrhG weitergesendet, indem sie jedenfalls einem erheblichen Anteil ihrer ständig wechselnden Hotelgäste in 47 Zimmern Fernsehgeräte zur Verfügung gestellt und ihnen damit ermöglicht habe, die übertragenen Sendungen nach eigener Entscheidung für sich wahrnehmbar zu machen. Es sei unerheblich, ob die Beklagte über eine eigene Kabelverteileranlage verfüge oder Tele Columbus ihr die technischen Mittel zur Verfügung stelle, um die Sendungen über eine Kabelverteileranlage in die Zimmer weiterzuleiten. Verwerter der Sendung und damit Werknutzer sei immer derjenige, der sich nach einer wertenden Betrachtung der vorhandenen technischen Mittel bediene, um das Werk in seinem eigenen Interesse einer Öffentlichkeit mitzuteilen. Das sei hier die Beklagte. Ihr sei die Werkwiedergabe daher auch dann zuzurechnen, wenn diese unmittelbar durch Tele Columbus erfolge.

[11] Die Beklagte sei zur Weitersendung der Fernsehprogramme nicht berechtigt. Sie könne ein entsprechendes Nutzungsrecht nicht aus dem Regio-Vertrag ableiten. Die Weiterleitung der Programme innerhalb eines Hotels durch eine eigene Verteileranlage sei nicht Gegenstand dieses Vertrags. Dieser erfasse allein das Recht zur unmittelbaren Weitersendung der Programme an verkabelte Haushalte und Gemeinschaftsantennenanlagen, also an Besitzer von Empfangsgeräten, die die Sendungen im privaten Kreis empfingen. Das mache schon die Präambel zum Regio-Vertrag deutlich und folge auch aus § 2 Abs. 4 des Regio-Vertrags. Die Klägerin habe der ish GmbH in § 2 Abs. 3 Satz 5 des Regio-Vertrags zwar gestattet, das Recht der Kabelweitersendung zum Zwecke der Versorgung der entsprechenden Haushalte oder privaten Bereiche einem Kabelnetzbetreiber der Netzebene 4 einzuräumen, mit dem sie in vertraglicher Beziehung stehe. Das umfasse jedoch nicht die Weiterleitung über Verteileranlagen in Gastzimmer von Beherbergungsbetrieben, bei der es sich um eine zusätzliche öffentliche Wiedergabe der Sendungen gegenüber einem neuen Publikum handele. In § 2 Abs. 3 Satz 3 des Regio-Vertrages sei eindeutig geregelt, dass Rechte zur Aufzeichnung der weiterübertragenen Sendungen oder zur öffentlichen Wiedergabe über Lautsprecher oder ähnliche Vorrichtungen sowie zur multimedialen Verbreitung nicht eingeräumt würden.

[12] II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, § 20 UrhG wegen Verletzung des Weitersenderechts der in Anlage K 1 zur Klageschrift aufgelisteten Sendeunternehmen nicht zu.

[13] 1. Wer ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann vom Verletzten nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Zu den nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechten zählt das ausschließliche Recht des Sendeunternehmens nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG, seine Funksendung weiterzusenden.

[14] 2. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin berechtigt ist, den erhobenen Unterlassungsanspruch wegen einer Verletzung des Weitersenderechts der in Anlage K 1 zur Klageschrift aufgelisteten Sendeunternehmen geltend zu machen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass sämtliche dort aufgeführten Fernsehsender der Klägerin ihr Kabelweitersenderecht zur Wahrnehmung übertragen hätten, wäre der Unterlassungsanspruch nicht begründet, weil die Beklagte das Weitersenderecht dieser Sendeunternehmen nicht verletzt hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat nicht die Beklagte, sondern allein Tele Columbus die Funksendungen der Sendeunternehmen über eine Verteileranlage in die Hotelzimmer im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG weitergesendet (dazu a). Hierzu war Tele Columbus berechtigt, da die ish GmbH ihr die erforderlichen Rechte aufgrund von § 2 Abs. 3 Satz 5 des zwischen der Klägerin und der ish GmbH geschlossenen Regio-Vertrags wirksam eingeräumt hat (dazu b). Die Beklagte haftet daher weder als Täter für eine eigene Verletzung des Weitersenderechts noch als Teilnehmer oder Störer für eine Verletzung des Weitersenderechts durch die Tele Columbus.

[15] a) Die Beklagte hat das Kabelweitersenderecht der in Anlage K 1 zur Klageschrift aufgeführten Sendeunternehmen nicht selbst verletzt.

[16] aa) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend von einem Eingriff in das Kabelweitersenderecht der Fernsehsender ausgegangen, die in Anlage K 1 zur Klageschrift aufgelistet sind. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen sind jedenfalls Funksendungen der Fernsehsender RTL und SAT.1 von der Grundstücksgrenze des Hotels über eine Verteileranlage an die Empfangsstellen in den Hotelzimmern im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG weitergesendet worden.

[17] (1) Der Begriff der Weitersendung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG) knüpft an den Begriff der Sendung (§ 20 UrhG) an (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.2009 - I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 Tz. 31 = WRP 2009, 1001 - Internet-Videorecorder; Schricker/v. Ungern-Sternberg, Urheberrecht, 3. Aufl., § 87 UrhG Rdn. 32). Eine Weitersendung setzt daher voraus, dass der Inhalt einer Sendung durch funktechnische Mittel einer Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (vgl. § 20 UrhG), wobei unter einer Öffentlichkeit eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit zu verstehen ist (§ 15 Abs. 3 UrhG).

[18] Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Sendesignale der Funksendungen werden an der Grundstücksgrenze des Hotels übernommen und über eine Verteileranlage an die Empfangsstellen in den Hotelzimmern weitergeleitet, wo die Fernsehprogramme der Sendeunternehmen mittels bereitgestellter Fernsehgeräte von einer Vielzahl von Hotelgästen empfangen werden können.

[19] (2) Allerdings unterliegt nicht jede Übermittlung eines geschützten Werkes oder einer geschützten Leistung, die über ein Verteilernetz erfolgt, dem Urheberrecht. Andernfalls wäre selbst der Rundfunkempfang mit kleineren Gemeinschaftsantennenanlagen von der Genehmigung der Rechteinhaber abhängig. Ein Eingriff in die Rechte aus § 20 UrhG oder § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG liegt daher nur vor, wenn die mit funktechnischen Mitteln bewirkte Übermittlung des Werkes oder der Leistung als öffentliche Wiedergabe bezeichnet werden kann. Ob dies der Fall ist, kann nicht nach technischen Kriterien beurteilt werden, sondern nur aufgrund einer wertenden Betrachtung (vgl. BGHZ 123, 149, 153 f. - Verteileranlagen).

[20] Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die hier zu beurteilende Weiterleitung von Sendesignalen an Empfangsstellen in Hotelzimmern, die es den Hotelgästen ermöglicht, die Funksendungen mittels bereitgestellter Fernsehapparate anzuhören und anzuschauen, bei der danach gebotenen wertenden Betrachtung in ihrer Bedeutung für die Nutzung der betroffenen Rechte einer öffentlichen Wiedergabe gleichzustellen ist. Für diese Beurteilung ist maßgeblich, dass die Weiterleitung der Sendesignale nicht nur ein bloßes technisches Mittel zur Gewährleistung oder Verbesserung des Empfangs der ur-sprünglichen Sendung in ihrem Sendebereich darstellt, sondern den Hotelgästen den Zugang zu den geschützten Sendungen verschafft, die sie ansonsten nicht wahrnehmen könnten, obwohl sie sich im Sendegebiet aufhalten. Damit wird der Inhalt der Sendung durch eine eigenständige Handlung für ein neues Publikum wiedergegeben (vgl. EuGH, Urt. v. 7.12.2006 - C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225 Tz. 40 ff. - SGAE/Rafael).

[21] (3) Eine Weitersendung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG setzt ferner voraus, dass die Sendesignale - wie hier - gleichzeitig weitergeleitet werden (BGH GRUR 2009, 845 Tz. 29 - Internet-Videorecorder; Schricker/v. Ungern-Sternberg aaO § 87 UrhG Rdn. 31 m.w.N.). Da die Sendungen der Öffentlichkeit zeitgleich, unverändert und vollständig durch Kabelsysteme zugänglich gemacht werden, liegt eine Kabelweitersendung vor (vgl. § 20b Abs. 1 UrhG).

[22] bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat jedoch nicht die Beklagte, sondern allein Tele Columbus die Funksendungen der Sendeunternehmen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG weitergesendet. Die Beklagte haftet für den Eingriff in das Senderecht daher nicht als Täter, Mittäter oder mittelbarer Täter.

[23] Sendender ist im Falle einer Kabelweitersendung allein derjenige, der darüber entscheidet, welche Funksendungen in das Kabel eingespeist und an eine Öffentlichkeit weitergeleitet werden, nicht dagegen derjenige, der lediglich die hierfür erforderlichen technischen Vorrichtungen bereitstellt und betreibt. Überträgt der Betreiber eines Kabelnetzes Funksendungen durch Einspeisung in eine Kabelanlage aufgrund einer eigenen Entscheidung - und nicht lediglich als Dienstleister beim Signaltransport - weiter, sendet er selbst und ist dafür selbst urheberrechtlich verantwortlich (vgl. Schricker/v. Ungern-Sternberg aaO § 20 UrhG Rdn. 16 m.w.N.; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 20 Rdn. 11).

[24] Im Streitfall ist danach allein Tele Columbus als Sendende anzusehen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts übernimmt Tele Columbus die Programme an der Grundstücksgrenze und leitet sie zu den Empfangsstellen in den Hotelzimmern weiter. Tele Columbus entscheidet, welche Programme in das Verteilernetz eingespeist und an die Empfangsstellen weitergeleitet werden.

[25] Die Beklagte stellt zwar die Fernsehgeräte in den Hotelzimmern bereit, mit denen die Fernsehprogramme von den Hotelgästen empfangen werden können. Dies reicht jedoch für sich genommen nicht aus, um ihre urheberechtliche Verantwortlichkeit für die Weitersendung zu begründen (vgl. EuGH GRUR 2007, 225 Tz. 46 f. - SGAE/Rafael). Wer nur empfängt, sendet nicht (Dreier in Dreier/Schulze aaO § 20 Rdn. 12). Das Aufstellen von Empfangsgeräten ist urheberrechtlich allenfalls dann bedeutsam, wenn es zu einer Sendetätigkeit im technischen Sinne hinzutritt. Es kann beispielsweise dazu führen, dass die an sich genehmigungsfreie Rundfunkübermittlung mit kleineren Gemeinschaftsantennenanlagen als Eingriff in die Rechte aus § 20 UrhG oder § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG zu werten ist (vgl. BGHZ 123, 149, 154 - Verteileranlagen; BGH GRUR 2009, 845 Tz. 22 - Internet-Videorecorder). Im vorliegenden Fall ist die Beklagte jedoch schon nicht an der technischen Übermittlung der Sendesignale an die Empfangsstellen in den Hotelzimmern beteiligt.

[26] Die Beklagte ist für den Eingriff in das Weitersenderecht der Sendeunternehmen auch nicht deshalb verantwortlich, weil sie Tele Columbus mit der Weiterleitung der Sendesignale beauftragt hat. Allerdings können einem Auftraggeber die urheberrechtlichen Verwertungshandlungen seines Auftragnehmers zuzurechnen sein, wenn der Auftragnehmer sich darauf beschränkt, gleichsam als "notwendiges Werkzeug" des Auftraggebers tätig zu werden (vgl. BGH GRUR 2009, 845 Tz. 17 - Internet-Videorecorder, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt. Tele Columbus ist bei der Weitersendung nicht lediglich als "verlängerter Arm" der Beklagten tätig geworden, sondern hat eigenständig entschieden, welche Programme in das Verteilernetz eingespeist und an die Empfangsstellen weitergeleitet werden. Die Beklagte hatte auf die Programmauswahl keinen Einfluss.

[27] b) Die Beklagte ist auch nicht als Teilnehmer oder Störer für eine Verletzung des Weitersenderechts durch Tele Columbus verantwortlich. Tele Columbus war zur Weitersendung der Funksendungen über eine Verteileranlage in die Hotelzimmer berechtigt. Die ish GmbH hat Tele Columbus die erforderlichen Rechte eingeräumt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die ish GmbH hierzu aufgrund des mit der Klägerin geschlossenen Regio-Vertrags befugt. Es fehlt damit an einer rechtswidrigen Haupttat von Tele Columbus, an der die Beklagte beteiligt sein könnte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Laufzeit des Regio-Vertrags - wie die Klägerin in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat - nicht über den 31. Dezember 2008 hinaus verlängert worden ist. Denn es ist bereits weder von der Klägerin vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt, dass Tele Columbus auch in der Zeit nach dem 31. Dezember 2008 Funksendungen über eine Verteileranlage in die Hotelzimmer der Beklagten weitergesendet hat.

[28] aa) Der Senat kann die Auslegung des Regio-Vertrags durch das Berufungsgericht uneingeschränkt nachprüfen. Bei dem Regio-Vertrag handelt es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts um ein Vertragswerk, das in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken Anwendung findet. Die Frage, ob der Regio-Vertrag das Kabelweitersenderecht an Hotels und in Hotelzimmer erfasst, kann daher von verschiedenen Berufungsgerichten unterschiedlich beantwortet werden (vgl. die von der Auslegung durch das Berufungsgericht abweichende Auslegung des Regio-Vertrags durch das OLG Köln GRUR-RR 2007, 305, 306 f. = ZUM 2007, 749). Die Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegt daher im Interesse einer einheitlichen Handhabung der für zahlreiche Rechtsbeziehungen relevanten Regelung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.1989 - II ZR 230/88, NJW-RR 1990, 35, 36; BGHZ 144, 245, 248 f.; 163, 321, 323 f.).

[29] bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Regio-Vertrag dahin auszulegen, dass er sich auch auf eine Weiterleitung von Sendesignalen über Verteileranlagen in Gastzimmer von Beherbergungsbetrieben erstreckt.

[30] (1) Zahlreiche private Hörfunk- und Fernsehsender, darunter die Fernsehsender RTL und Sat.1, haben der Klägerin die Wahrnehmung des Rechts zur Weitersendung ihrer Funksendungen durch Kabelsysteme (Kabelweitersenderecht) übertragen. Die Musterwahrnehmungsverträge der Klägerin nennen insoweit ausdrücklich das Recht, die Funksendungen

durch "ähnliche technische Mittel" gemäß § 20 UrhG z.B. im Zusammenhang mit Verteileranlagen in Hotels und Krankenhäusern

zugänglich zu machen.

[31] Die Klägerin hat der ish GmbH und anderen Kabelnetzbetreibern in § 2 Abs. 1 des Regio-Vertrags das Recht eingeräumt, die von ihr "innegehaltenen" Rechte in Kabelnetzen zu nutzen und die Programme der Sendeunternehmen in das Kabel einzuspeisen und weiterzusenden. In § 2 Abs. 3 Satz 5 des Regio-Vertrags hat die Klägerin den Kabelnetzbetreibern gestattet, dieses Nutzungsrecht unter der Voraussetzung auf Dritte zu übertragen, dass

die Kabelnetzbetreiber das Programm der Sendeunternehmen anderen Kabelnetzbetreibern der Netzebene 4 (nachfolgend "andere Betreiber") zuliefern und über die Signalzulieferung ein Vertrag zwischen den Kabelnetzbetreibern und den betreffenden anderen Kabelnetzbetreibern besteht oder geschlossen wird.

[32] (2) Danach konnte die ish GmbH das zur Kabelweitersendung berechtigende Nutzungsrecht, das ihr die Klägerin in Wahrnehmung der Rechte der Sendeunternehmen eingeräumt hatte, auf Tele Columbus übertragen. Bei Tele Columbus handelt es sich um einen "anderen Kabelnetzbetreiber der Netzebene 4". Zwischen Tele Columbus und der ish GmbH besteht auch ein entsprechender Signallieferungsvertrag. Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 5 des Regio-Vertrags macht die Befugnis der Kabelnetzbetreiber, das zur Kabelweitersendung berechtigende Nutzungsrecht auf andere Kabelnetzbetreiber, von keinen weiteren Voraussetzungen abhängig. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 des Regio-Vertrags besagt ebenfalls nicht, dass sich das der Klägerin zur Wahrnehmung eingeräumte Kabelweitersenderecht auf das Recht zur Weiterleitung der Sendesignale an private Haushalte beschränken und nicht auf Beherbergungsbetriebe erstrecken soll.

[33] (3) Eine solche Einschränkung ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht daraus, dass sowohl in der Präambel als auch in § 2 Abs. 4 des Regio-Vertrags von "Haushalten" die Rede ist.

[34] In der Präambel heißt es:

Die Nutzung der Rechte der Sendeunternehmen durch die Kabelnetzbetreiber erfolgt auf der Grundlage dieses Vergleichsvertrages - unbeschadet der Tatsache, dass der Signaltransport in den Kabelnetzen teilweise auch digital erfolgen mag - ausschließlich durch die analoge Weiterleitung von terrestrisch und satellitär eingespeisten Hörfunk- und Fernsehprogrammen in Haushalte in den Kabelnetzen und Gemeinschaftsantennenanlagen der Kabelnetzbetreiber (Kabelweitersendung).

[35] In § 2 Abs. 4 des Regio-Vertrags ist vereinbart:

Die Kabelnetzbetreiber werden der VG Media Auskunft über die Anzahl der von ihnen unter Signalzulieferung mittelbar versorgten Haushalte, die von anderen Kabelnetzbetreibern der Netzebene 4 direkt versorgt werden, erteilen. [...] Die Auskünfte betreffen nur solche anderen Kabelnetzbetreiber der Netzebene 4, die eine Mindestanzahl von ungefähr 75 Haushalten und mehr mit Programmen der Sendeunternehmen versorgen und nur soweit diese Auskunftserteilung rechtlich zulässig ist, es sei denn der Kabelnetzbetreiber weist nach, dass die verfügbaren Informationen nicht mit angemessenem Aufwand erstellt werden können.

[36] Auch wenn nach dem allgemeinen Sprachverständnis unter einem "Haushalt" eine zusammen wohnende und wirtschaftende Personengruppe zu verstehen ist (vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl., Stichwort "Haushalt"), besagt dies nicht, dass der Regio-Vertrag nach dem maßgeblichen Begriffsverständnis und Regelungswillen der Vertragsparteien eine Kabelweitersendung an Hotels und in Hotelzimmer nicht erfasst.

[37] Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Willens der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB) das Vorbringen der Beklagten zur engen Verknüpfung des Regio-Vertrags mit dem zuvor geltenden "Vertrag über die Weiterübertragung von Fernsehprogrammen in Breitbandverteilnetzen der Deutschen Bundespost Telekom" (nachfolgend: Kabelglobalvertrag) nicht berücksichtigt hat. Der im Jahr 2003 geschlossene Regio-Vertrag nimmt in seiner Präambel ausdrücklich auf den bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Kabelglobalvertrag Bezug. In diesem Vertrag hatten verschiedene Sendeunternehmen und Verwertungsgesellschaften der Deutschen Bundespost Telekom das Recht zur Weiterübertragung von Fernsehprogrammen in ihren Breitbandverteilnetzen eingeräumt, ohne dabei Einschränkungen hinsichtlich der Empfänger der Sendungen zu machen. Nach dem insoweit unbestrittenen Vorbringen der Beklagten umfassten diese Breitbandverteilnetze zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kabelglobalvertrags im Jahr 1991 auch die von Kooperationspartnern betriebenen Netze wie die Hausverteilnetze der Netzebene 4, und zwar auch dann, wenn diese sich - wie im Streitfall - in einem Hotel befanden.

[38] Die Revision macht zutreffend geltend, dass der Regio-Vertrag an keiner Stelle erkennen lässt, dass er - anders als der vormals geltende Kabelglobalvertrag - nur die Weiterleitung der Sendungen an bestimmte Empfänger erfassen soll. Die Formulierung in der Präambel des Regio-Vertrags, der Vertrag regele "abschließend" die Höhe etwaiger Ansprüche der Sendeunternehmen wegen der Nutzung ihrer "sämtlichen" Urheber- und Leistungsschutzrechte, spricht vielmehr dafür, dass die Vertragsparteien das Kabelweitersenderecht umfassend regeln wollten. Der Regio-Vertrag ist deshalb dahin auszulegen, dass er - ebenso wie der früher geltende Kabelglobalvertrag - die Kabelweitersendung nicht nur in private Haushalte, sondern auch in sonstige Räumlichkeiten - wie die Gastzimmer von Hotels - erfasst.

[39] (4) Auch aus § 2 Abs. 3 Satz 3 des Regio-Vertrags ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, dass der Regio-Vertrag sich nicht auf das Recht erstreckt, Funksendungen über Kabel in Hotelzimmer weiterzusenden.

[40] § 2 Abs. 3 Satz 3 des Regio-Vertrags lautet:

Rechte zur Aufzeichnung der weiterübertragenen Sendung [...] oder ein Recht zur öffentlichen Wiedergabe, d.h. zur öffentlichen Wahrnehmbarmachung der weiterübertragenen Sendungen durch Bildschirmlautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen, sowie jede sonstige multimediale Aufzeichnung und Verbreitung werden durch diesen Vergleichsvertrag nicht eingeräumt.

[41] Soweit diese Regelung zunächst die Rechte zur Aufzeichnung der weiterübertragenen Sendungen von der Rechtseinräumung ausnimmt, betrifft dies allein das Vervielfältigungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG, nicht aber das Weitersenderecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, § 20 UrhG. Mit dem in dieser Bestimmung sodann angesprochenen Recht zur öffentlichen Wiedergabe, das heißt zur öffentlichen Wahrnehmbarmachung der weiterübertragenen Sendungen durch "Bildschirmlautsprecher" oder ähnliche technische Einrichtungen, ist ersichtlich das - über das Weitersenderecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, § 20 UrhG hinausgehende - Recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3, § 22 UrhG gemeint, Funksendungen durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen. Dieses Recht zur öffentlichen Wahrnehmbarmachung ist nicht betroffen, wenn Fernsehsendungen - wie hier - mittels einer Verteileranlage in den einzelnen Zimmern eines Hotels insgesamt einer Vielzahl von Gästen zugänglich gemacht werden. Da die Empfänger der Funksendungen in einem solchen Fall nicht an einem Ort versammelt sind, fehlt es an der Voraussetzung, dass die Funksendungen für eine Mehrzahl von Personen gemeinsam wahrnehmbar sind (vgl. BGH, Urt. v. 11.7.1996 - I ZR 22/94, GRUR 1996, 875, 876 - Zweibettzimmer im Krankenhaus).

[42] III. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Da die Sache zur Entscheidung reif ist, ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Bornkamm Büscher Schaffert

Kirchhoff Koch

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