II ZR 106/05

17.07.2006

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

17. Juli 2006

VondrasekJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


GmbHG §§ 32 a, 32 b


a) Bei Insolvenzreife der Gesellschaft unterliegen auch sog. "kurzfristige Überbrückungskredite" den Eigenkapitalersatzregeln (vgl. Sen.Urt. v. 27. November 1989 - II ZR 310/88, ZIP 1990, 95, 97; BGHZ 133, 298, 304).

b) Maßstab für die Beurteilung, ob ein "kurzfristiger Überbrückungskredit" vorliegt und das Darlehen ausnahmsweise nicht als funktionales Eigenkapital zu behandeln ist, sind die in § 64 Abs. 1 GmbHG niedergelegten Wertungen; die Laufzeit darf danach die dort genannte Höchstfrist von drei Wochen nicht überschreiten.


BGH, Urteil vom 17. Juli 2006 - II ZR 106/05 - OLG Hamburg, LG Hamburg


Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche

Verhandlung vom 17. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und Dr. Reichart

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 11. Zivilsenat, vom 28. Februar 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Der Kläger, Verwalter in dem am 17. Dezember 2002 über das Vermögen der K. GmbH (Insolvenzschuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren, nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes auf Zahlung von 153.000,00 € in Anspruch. Der Beklagte ist Alleingesellschafter der D. -GmbH (D. -GmbH), die ihrerseits alleinige Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin ist. Zugleich ist die D. -GmbH Komplementärin der D. KG (D. -KG).

[2] Mit Schreiben vom 13. Juli 2001 erteilte die D. Bank AG (Bank) der Insolvenzschuldnerin eine Kreditzusage im Gesamtumfang von 1,3 Mio. DM, deren Durchführung davon abhängig sein sollte, dass der Insolvenzschuldnerin von ihrer Gesellschafterin Mittel in Höhe von 400.000,00 DM zufließen. Zur Erfüllung dieser Auszahlungsvoraussetzung stellte der Beklagte der Insolvenzschuldnerin alsbald ein Darlehen von 100.000,00 DM zur Verfügung, während die restlichen 300.000,00 DM (153.000,00 €) durch den Verkauf eines Grundstücks der D. -KG aufgebracht werden sollten. Da sich der Grundstücksverkauf verzögerte, erklärte sich die Bank am 7. November 2001 bereit, der Insolvenzschuldnerin bis zum 31. Dezember 2001 eine Zusatzkreditlinie von 300.000,00 DM gegen Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft durch den Beklagten einzuräumen. Am 8. November 2001 zahlte die Bank die gesamten von ihr versprochenen Kreditmittel in Höhe von 818.000,00 € an die Insolvenzschuldnerin aus. Da die Bank von der Insolvenzschuldnerin die Rückführung der zunächst bis zum 31. März 2002 und nachfolgend bis zum 31. Mai 2002 prolongierten Zusatzkreditlinie durch Schreiben vom 24. Juni 2002 unter einer Fristsetzung bis zum 15. Juli 2002 forderte, gewährte die D. -KG der Insolvenzschuldnerin einen Betriebsmittelkredit über 154.000,00 €. Am 28. Juni 2002 veranlasste der Beklagte die Überweisung von 153.400,00 € auf das bei der D. Bank für den Zusatzkredit geführte Sonderkonto der Insolvenzschuldnerin.

[3] Die Klage blieb in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg. Mit der - von dem Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

[4] Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[5] I. Das Oberlandesgericht hat gemeint, das durch die Bürgschaft des Beklagten gesicherte Darlehen habe lediglich eine vorübergehende Überbrückungshilfe bis zur Einzahlung der von der Bank geforderten Gesellschaftermittel dargestellt. Auf die Frage einer Überschuldung der Insolvenzschuldnerin komme es nicht an, weil die Gesellschaft aufgrund des versprochenen Gesellschaftereinschusses realistische Aussichten und nicht nur vage Erwartungen zur Deckung ihres Kapitalbedarfs gehabt habe.

[6] II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Für das Revisionsverfahren ist, da das Berufungsgericht entsprechende Feststellungen zu dem Vorbringen des Klägers nicht getroffen hat, zu unterstellen, dass die Insolvenzschuldnerin jedenfalls in dem Zeitpunkt überschuldet war, in welchem die Bank die Rückführung des Zusatzkredits forderte und der Beklagte mit Hilfe des der Insolvenzschuldnerin seitens der D. -KG gewährten Darlehens die Tilgung des von ihm verbürgten Zusatzkredits veranlasste.

[7] 1. Lediglich im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, dass der Beklagte als "Gesellschafter-Gesellschafter" der Insolvenzschuldnerin den Eigenkapitalersatzregeln unterliegt (Sen.Urt. v. 13. Dezember 2004 - II ZR 206/02, ZIP 2005, 117, 118 li. Sp.) und bei Rückführung eines durch seine kapitalersetzende Bürgschaft gesicherten Fremddarlehens durch die Gesellschaft zur Erstattung der von ihr aufgewendeten Beträge verpflichtet ist (Sen.Urt. v. 14. März 2005 - II ZR 129/03, ZIP 2005, 659 f.).

[8] 2. Dem Oberlandesgericht kann in seiner Würdigung nicht gefolgt werden, dass die Bürgschaft des Beklagten lediglich die Sicherung eines kurzfristigen Überbrückungskredits bezweckte.

[9] a) Zwar hat der Senat für denkbar erachtet, dass kurzfristig rückzahlbare "Überbrückungskredite" eines Gesellschafters - Entsprechendes gilt für die Besicherung eines solchen seitens der Gesellschaft aufgenommenen Kredits durch den Gesellschafter - den Eigenkapitalersatzregeln nicht uneingeschränkt unterliegen. Dies kommt freilich nur für besonders gelagerte Ausnahmefälle in Betracht, in denen die Gesellschaft zwar für kurze Zeit dringend auf die Zufuhr von Geldmitteln angewiesen ist, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage aber mit der fristgerechten Rückzahlung objektiv gerechnet werden kann (BGHZ 90, 381, 394; 75, 334, 337; Sen.Urt. v. 2. Juni 1997 - II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648, 1650; Sen.Urt. v. 28. November 1994 - II ZR 77/93, ZIP 1995, 23, 24). Die zeitliche Grenze für einen solchen "Überbrückungskredit" wird durch die in § 64 Abs. 1 GmbHG enthaltene Frist gesetzt und beträgt - was das Berufungsgericht verkannt hat - längstens drei Wochen (vgl. Lutter/Hommelhoff in Lutter/ Hommelhoff, GmbHG §§ 32 a/b Rdn. 35; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG § 32 a Rdn. 72).

[10] b) Die Merkmale eines derartigen Überbrückungskredits sind im Streitfall ersichtlich nicht gegeben; deswegen kann auch der Beklagte nicht geltend machen, seine Bürgschaft sei wegen des genannten Überbrückungscharakters von der Geltung der Eigenkapitalersatzregeln freigestellt.

[11] Dies folgt bereits - was das Oberlandesgericht verkannt hat - aus der anfänglich vorgesehenen, den Zeitraum von drei Wochen überschreitenden Kreditlaufzeit vom 7. November bis 31. Dezember 2001 und der wiederholten Prolongation bis zum 31. Mai 2002. Davon abgesehen hatte die Bank ihr Kreditengagement ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass die D. -GmbH ihrerseits der Insolvenzschuldnerin auf Dauer und nicht nur vorübergehend - geschweige für einen Zeitraum von längstens drei Wochen - einen Betrag in Höhe von 400.000,00 DM zur Verfügung stellte. Da die D. -GmbH bzw. die D. -KG wegen der Verzögerung eines Hausverkaufs zu der versprochenen (vollen) Darlehensgewährung zunächst nicht in der Lage war, diente die Eröffnung der durch die Bürgschaft des Beklagten besicherten Zusatzkreditlinie der (vorläufigen) Verwirklichung der von der D. -GmbH der Insolvenzschuldnerin zugesagten dauerhaften zusätzlichen Kapitalausstattung. Mit Hilfe der Zusatzkreditlinie sollte der Sache nach ein Finanzengpass der D. -GmbH und nicht der - längerfristig einer Kreditgewährung bedürftigen und ohnehin zu einer alsbaldigen Rückzahlung nicht fähigen (Sen.Urt. v. 28. November 1994 - II ZR 77/93, ZIP 1995, 23, 24) - Insolvenzschuldnerin überbrückt werden.

[12] 3. Ebenso verfehlt ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der auf § 32 b GmbHG gestützte Zahlungsanspruch sei unbegründet, weil einem Überbrückungskredit auch im Falle einer Überschuldung der Gesellschaft keine Eigenkapitalersatzfunktion zukomme.

[13] Eine Gesellschafterhilfe hat stets eigenkapitalersetzenden Charakter, wenn ohne diese Leistung die Insolvenz der Gesellschaft unvermeidbar gewesen wäre. Diente die Gewährung der von dem Beklagten durch seine Bürgschaft gesicherten Zusatzkreditlinie der Abwendung der Insolvenz, so steht die Anwendbarkeit der Eigenkapitalersatzregeln außer Zweifel (BGHZ 133, 298, 304; Sen.Urt. v. 27. November 1989 - II ZR 310/88, ZIP 1990, 95, 97 re.Sp.).

[14] Daher wird das Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache der streitigen Frage nachzugehen haben, ob bei der Insolvenzschuldnerin im fraglichen Zeitpunkt ein Insolvenzgrund bestanden hat.

Goette Kurzwelly Gehrlein

Strohn Reichart

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