II ZR 298/11
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am:
9. Oktober 2012
StollJustizhauptsekretärinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GmbHG § 64 Satz 3
a) Die Zahlungsunfähigkeit wird durch eine Zahlung an den Gesellschafter nicht im Sinn des § 64 Satz 3 GmbHG verursacht, wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist.
b) Bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit nach § 64 Satz 3 GmbHG ist eine fällige Forderung des Gesellschafters in der Liquiditätsbilanz zu berücksichtigen.
c) Im Fall des § 64 Satz 3 GmbHG kann die Gesellschaft die Zahlung an den Gesellschafter verweigern.
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2012 - II ZR 298/11 - OLG Koblenz, LG Mainz
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher und Born
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19. September 2011 aufgehoben.
Der Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[1] Der Kläger und seine mittlerweile von ihm geschiedene Ehefrau, die alleinige Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin der beklagten GmbH ist, gewährten der Beklagten am 1. August 1995 ein Darlehen über 350.000 DM (178.952,16 ) zur Finanzierung der Einrichtung und des Warenbestandes. Die Beklagte verpflichtete sich, das Darlehen bis spätestens 31. Dezember 2005 zurückzuzahlen.
[2] Mit der Klage verlangt der Kläger Hinterlegung des Darlehensbetrags nebst 7 % Zinsen hieraus seit dem 1. Oktober 2007 zu seinen Gunsten und zu Gunsten seiner früheren Ehefrau. Die Beklagte verweigert die Rückerstattung des Darlehens unter anderem mit der Begründung, die Rückzahlung führe zu ihrer Zahlungsunfähigkeit, so dass sie sie nach § 64 Satz 3 GmbHG verweigern könne, und rechnet hilfsweise mit Gegenforderungen gegen den Kläger in Höhe von 75.410,99 auf.
[3] Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten als derzeit unbegründet abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
[4] Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[5] I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Hinterlegung der Darlehenssumme und der geltend gemachten Zinsen nicht verlangen. Die Hinterlegung stehe einer Zahlung gleich. Eine Zahlung führe zu einer Erstattungspflicht der Geschäftsführerin der Beklagten nach § 64 Satz 3 GmbHG, der als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein zwingendes Zahlungsverbot statuiere und demzufolge ein Leistungsverweigerungsrecht begründe. Die Hinterlegung der geforderten Summe müsste die Zahlungsunfähigkeit der Beklagten herbeiführen. Im Fall einer Zahlung wäre die Beklagte bei gewöhnlichem Verlauf der Geschäfte nicht mehr in der Lage, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen.
[6] II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Anwendungsbereich von § 64 Satz 3 GmbHG nicht eröffnet, so dass die Beklagte die Zahlung auch nicht unter Berufung auf diese Vorschrift zurückhalten kann. Die Revision macht zu Recht geltend, dass die Beklagte bei Berücksichtigung der Darlehensforderung in einer Liquiditätsbilanz möglicherweise bereits zahlungsunfähig ist und in diesem Fall die geforderte Hinterlegung die Zahlungsunfähigkeit nicht mehr verursachen kann.
[7] 1. Die Zahlungsunfähigkeit wird durch eine Zahlung an den Gesellschafter nicht im Sinn des § 64 Satz 3 GmbHG verursacht, wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist. § 64 Satz 3 GmbHG verlangt, dass die Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit führen musste. Bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit nach § 64 Satz 3 GmbHG ist eine fällige Forderung des Gesellschafters in der Liquiditätsbilanz zu berücksichtigen.
[8] a) Von Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist regelmäßig auszugehen, wenn eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke von 10 % oder mehr besteht und nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 27. März 2012 - II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 10; Beschluss vom 19. Juli 2007 - IX ZB 36/07, BGHZ 173, 286 Rn. 31; Urteil vom 21. Juni 2007 - IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 Rn. 37; Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 Rn. 27; Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 139 ff.).
[9] b) Ob bei der Prüfung der Verursachung der Zahlungsunfähigkeit nach § 64 Satz 3 GmbHG im insolvenzrechtlichen Sinn fällige und durchsetzbare Ansprüche des Gesellschafters in die Liquiditätsbilanz zur Ermittlung der Liquiditätslücke einzustellen sind, ist streitig. Nach einer Ansicht sind bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit in § 64 Satz 3 GmbHG auch fällige und durchsetzbare Gesellschafterforderungen in die Liquiditätsbilanz einzustellen (OLG München, ZIP 2010, 1236, 1237; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 64 Rn. 72; Scholz/Verse, GmbHG, 11. Aufl., § 29 Rn. 93; Arnold in Henssler/Strohn, § 64 GmbHG Rn. 63; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 17 Rn. 10; Desch, BB 2010, 2586; Huber, ZIP 2010, Beilage 2, S. 7, 11 Fußnote 34; Winstel/Skauradszun, GmbHR 2011, 185, 186 f.). Eine Zahlung an einen Gesellschafter soll danach die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen können, wenn sie eine bestehende Liquiditätslücke von weniger als 10 % auf mindestens 10 % vergrößert oder wenn auf einen nicht bestehenden oder auf einen nicht fälligen Anspruch geleistet wird. Nach anderer Ansicht fände § 64 Satz 3 GmbHG dadurch einen zu geringen Anwendungsbereich. Daher seien zwar fällige Gesellschafterforderungen in die Liquiditätsbilanz einzustellen, aber andere Einwirkungen auf die Zahlungsunfähigkeit als die Auszahlung - wie etwa die Fälligstellung des Darlehens oder andere Leistungen - als Verursachung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen (Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 99; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, § 64 Rn. 90). Nach einer weiteren Ansicht sollen bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit Gesellschafterforderungen auszublenden sein, um der Vorschrift einen Anwendungsbereich zu sichern (MünchKommGmbHG/H.F. Müller, § 64 Rn. 167; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., § 64 Rn. 77; Sandhaus in Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 64 Rn. 49; HambKomm/Schröder, InsO, 4. Aufl., § 17 Rn. 12; Ulmer/Casper, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 64 Rn. 114; Spliedt, ZIP 2009, 149, 159; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 567, 569).
[10] c) Bei der Beurteilung der Verursachung der Zahlungsunfähigkeit in § 64 Satz 3 GmbHG sind fällige Gesellschafterforderungen nicht auszuklammern.
[11] Wenn unter Berücksichtigung fälliger, d.h. ernsthaft eingeforderter Gesellschafterforderungen bereits eine Deckungslücke von 10 % oder mehr besteht, ist die Gesellschaft zahlungsunfähig und wird die Zahlungsunfähigkeit durch die Zahlung an den Gesellschafter nicht herbeigeführt. § 64 Satz 3 GmbHG verlangt die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit und stellt nicht auch auf die Vertiefung einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ab. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass in Satz 3 mit dem Begriff der Zahlungsunfähigkeit etwas anderes als in Satz 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO gemeint sein sollte und fällige Gesellschafterforderungen herausgerechnet werden sollten.
[12] Insoweit besteht auch keine Schutzlücke, die geschlossen werden müsste. Der Geschäftsführer haftet, wenn die Gesellschaft unter Berücksichtigung der Gesellschafterforderung zahlungsunfähig ist, bereits nach § 64 Satz 1 GmbHG für geleistete Zahlungen. Die erweiternde Auslegung des § 64 Satz 3 GmbHG ist auch nicht erforderlich, um der Gesellschaft eine Einrede gegen die Gesellschafterforderung zu gewähren. Wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig ist, hat der Geschäftsführer den Anspruch des Gesellschafters nicht zu befriedigen, sondern Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO). Das entspricht auch der Konzeption des Gesetzes, nach der die Rechtsprechungsregeln, die entsprechend § 30 Abs. 1 GmbHG a.F. zu einer Durchsetzungssperre für die Gesellschafterforderung führten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2011 - II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 Rn. 11; Urteil vom 11. Januar 2011 - II ZR 157/09, ZIP 2011, 328 Rn. 20), mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) abgeschafft sind (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG). Der "Nachrang" der Gesellschafterforderung gegenüber den Forderungen anderer Gläubiger soll durch die insolvenzrechtlichen Regelungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bzw. § 135 Abs. 1 InsO) gewahrt werden; ernstzunehmende Schutzlücken sollen nicht entstehen oder durch die neuen Regelungen im Anfechtungsrecht geschlossen werden (Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen [MoMiG], BT-Drucks. 16/6140, S. 42). Mit einer Interpretation des § 64 Satz 3 GmbHG als Einrede der Gesellschaft gegen fällige Gesellschafterforderungen würde die Durchsetzungssperre aber für einen Teilbereich wieder eingeführt und die Insolvenzantragstellung, da Gesellschafterforderungen nicht durchsetzbar wären und nicht als fällige Forderungen in die Liquiditätsbilanz einzustellen wären, zeitlich verschleppt, obwohl nicht einmal der Gesellschafter die Gesellschaft weiter finanzieren will.
[13] Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Anwendungsbereich von § 64 Satz 3 GmbHG damit klein ist. Der Gesetzgeber ist ausdrücklich von einem eng begrenzten Anwendungsbereich ausgegangen (BT-Drucks. 16/6140, S. 47). Er sah in der Vorschrift nur eine Ergänzung der Haftung der Gesellschafter aus Existenzvernichtung. Es besteht auch über den Fall der - eher theoretischen - Vergrößerung einer Deckungslücke von weniger als 10 % durch die Zahlung hinaus ein Anwendungsbereich gerade im Bereich der unrechtmäßigen Vermögensverschiebung. So kann die Zahlung auf eine nicht im insolvenzrechtlichen Sinn fällige und damit in die Liquiditätsbilanz einzustellende Forderung, etwa eine tatsächlich nicht ernsthaft eingeforderte oder einem Rangrücktritt unterliegende Gesellschafterforderung, die Zahlungsunfähigkeit erst verursachen. Ebenso kann das bei einer Zahlung auf eine Gesellschafterforderung der Fall sein, deren Befriedigung an und für sich nicht zur Zahlungsunfähigkeit führt, von deren Belassen aber Kreditgeber außerhalb des Gesellschafterkreises den Fortbestand, die Verlängerung oder die Gewährung ihrer Kredite abhängig gemacht haben und deren Begleichung sie ihrerseits zum Anlass für eine Kreditrückführung nehmen. Insoweit besteht unter Umständen keine anderweitige Haftung des Geschäftsführers, weil der Gesellschaft durch die Zahlung kein Vermögensschaden im Sinn von § 43 Abs. 2 GmbHG zugefügt wird und die Auszahlung auch nicht gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstößt. Dass damit teilweise die Haftung des Geschäftsführers wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs (§§ 826, 830 BGB) ausdrücklich eine weitere gesetzliche Regelung findet, war dem Gesetzgeber ebenfalls bewusst (BT-Drucks. 16/6140, S. 46). Ob darüber hinaus auch andere Leistungen als Geldleistungen als Zahlungen nach § 64 Satz 3 GmbHG zu verstehen sind (so BT-Drucks. 16/6140, S. 46), wenn sie durch den Entzug von Vermögenswerten die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen, kann hier offenbleiben.
[14] 2. Das Berufungsgericht hat einen Fall, in dem erst durch die Zahlung auf das von dem Kläger und der Gesellschafterin gewährte Darlehen die Zahlungsunfähigkeit verursacht wird, nicht festgestellt.
[15] a) Der Darlehensrückzahlungsanspruch war fällig, selbst wenn das Darlehen zum vereinbarten Rückzahlungszeitpunkt am 31. Dezember 2005 - wozu nichts festgestellt ist - eigenkapitalersetzend war. Da die Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz mit Inkrafttreten des MoMiG am 1. November 2008 aufgehoben wurden (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG), konnte ein Gesellschafter die Rückzahlung seiner eigenkapitalersetzenden Darlehen ab diesem Zeitpunkt durchsetzen (BGH, Beschluss vom 15. November 2011 - II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 Rn. 11).
[16] b) Das Berufungsgericht hat nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass erst die Rückzahlung die Zahlungsunfähigkeit verursachen würde. Es hat keine Liquiditätsbilanz aufgestellt, sondern die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit lediglich anhand von geringen Guthaben und Kontoumsätzen festgestellt. Inwieweit die Beklagte über einen weiteren Zugang zu Liquidität verfügt, etwa einen Kredit in Anspruch nehmen kann, lässt sich daraus nicht entnehmen. Erst recht kann danach nicht beurteilt werden, ob die Beklagte unter Berücksichtigung des mit Inkrafttreten des MoMiG fällig gewordenen Rückzahlungsanspruchs nicht schon zahlungsunfähig ist.
[17] III. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif.
[18] 1. Das Berufungsgericht hat - ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - noch Feststellungen zu treffen, ob eine Zahlung bzw. die Hinterlegung entsprechend den obigen Ausführungen die Zahlungsunfähigkeit verursacht. In einem solchen Fall könnte die Gesellschaft allerdings die Zahlung verweigern (vgl. Arnold in Henssler/Strohn, § 64 GmbHG Rn. 78; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, § 64 Rn. 90; Scholz/Verse, GmbHG, 11. Aufl., § 29 Rn. 93; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., § 64 Rn. 91; MünchKommGmbHG/H.F. Müller, § 64 Rn. 174; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 64 Rn. 21 und 27; Winstel/Skauradszun, GmbHR 2011, 185, 187; Desch, BB 2010, 2586, 2589; aA OLG München, ZIP 2010, 1236, 1237; OLG München, ZIP 2011, 225, 226; Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 107; Scholz/H.P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl., Nachtrag MoMiG § 30 Rn. 16; Sandhaus in Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 64 Rn. 51). Die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Satz 3 GmbHG und das damit verbundene "Zahlungsverbot" sollen der Gefahr vorbeugen, dass bei sich abzeichnender Zahlungsunfähigkeit von den Gesellschaftern Mittel entnommen werden (BT-Drucks. 16/6140, S. 46). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Gesellschaft den Mittelabfluss verweigern kann und der Geschäftsführer nicht den Mittelabfluss unter Inkaufnahme einer eigenen Haftung bewirken muss. Folgerichtig ist der Geschäftsführer auch an Weisungen der Gesellschafter nicht gebunden (§ 64 Satz 4 GmbHG i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG). Wenn später Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife eintreten, wird über das bis dahin bestehende Leistungsverweigerungsrecht gegebenenfalls ein Nachrang der Gesellschafterforderung realisiert (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) und der Insolvenzverwalter ist nicht darauf verwiesen, abgeflossene Mittel über die Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 1 InsO oder nach § 64 Satz 3 GmbHG zurückzuholen. Ebenso entfällt das Leistungsverweigerungsrecht, wenn die Gesellschaft der drohenden Zahlungsunfähigkeit begegnen kann und saniert wird. Dass sich Leistungsverweigerungsrechte auch aus anderen Vorschriften ergeben können, etwa in den Fällen der Existenzvernichtungshaftung (§ 826 BGB), steht einem über § 64 Satz 3 GmbHG begründeten Leistungsverweigerungsrecht nicht entgegen.
[19] 2. Die Aufrechnungserklärung der Beklagten kann dagegen nicht zu einer Verminderung der Zahlungspflicht führen. Da sich der Gegenanspruch der Beklagten gegen den Kläger richten soll, der Kläger und seine Ehefrau hinsichtlich der Darlehensrückzahlung aber Mitgläubiger sind (§ 432 BGB), kann die Beklagte nicht aufrechnen (§ 387 BGB). Eine Forderung, die einer Mehrzahl von Gläubigern zusteht, kann nur durch die Aufrechnung mit einer Forderung erfüllt werden, für deren Erfüllung dem Schuldner sämtliche Gläubiger haften (BGH, Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 215/09, WM 2010, 1757 Rn. 13).
[20] 3. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht außerdem die Möglichkeit, ggf. nach entsprechendem Sachvortrag dem Einwand der Beklagten nachzugehen, der Darlehensrückzahlungsanspruch stehe nicht dem Kläger, sondern einer zwischen ihm und seiner früheren Ehefrau bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu.
Bergmann Caliebe Reichart
Drescher Born