II ZR 326/04

20.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

20. März 2006

BoppelJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


StBerG § 68 a.F.


Gegen einen Steuerberater als Treuhandkommanditisten einer Publikums-KG gerichtete Schadensersatzansprüche von Kapitalanlegern aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen unterlagen nicht der kurzen Verjährungsfrist gemäß § 68 a.F. StBerG, sondern verjährten in 30 Jahren (Abgrenzung zum Senatsurteil BGHZ 120, 157).


BGH, Urteil vom 20. März 2006 - II ZR 326/04 - OLG Frankfurt a.M., LG Frankfurt a.M.


Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche

Verhandlung vom 20. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Münke, Dr. Strohn und Dr. Reichart

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Mai 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Der Kläger wurde im März 1997 durch einen Anlagevermittler zu einer Beteiligung an der B-KG (im Folgenden: B-KG) geworben. Grundlage dafür war ein Prospekt dieser Gesellschaft, der einen "erwarteten Profit" von 10 % bis 50 % p.a. aus den von ihr betriebenen Immobiliengeschäften in Aussicht stellte und den Beklagten - unter der Berufsbezeichnung "Steuerbevollmächtigter" - als Treuhandkommanditisten auswies. Er war nach § 13 des dem Prospekt beigefügten Gesellschaftsvertrages einziger Kommanditist der B-KG mit einer Kommanditeinlage von 5.000,00 DM, sollte jedoch berechtigt und verpflichtet sein, diese durch Abschluss von Treuhandverträgen mit Kapitalanlegern zu erhöhen und das erhöhte Kommanditkapital treuhänderisch für die Treugeber zu erwerben, die "im Übrigen als vollwertige Kommanditisten" bzw. "wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter behandelt" werden sollten (§ 13 Nr. 1, § 14 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages).

[2] Unter dem 10. März 1997 erteilte der Kläger dem Beklagten einen Treuhandauftrag zum Erwerb einer Beteiligung an der B-KG in Höhe von 90.000,00 DM zuzüglich eines Agios von 6.300,00 DM und überwies den Betrag im Mai 1997. Die B-KG geriet im Herbst 1997 in Insolvenz. Kurz davor oder danach erfuhr der Kläger, dass gegen die Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH der B-KG, eine Frau B. M., die zugleich Initiatorin der B-KG und einer Vielzahl ähnlicher Kapitalanlagemodelle war, bereits seit 1994 verschiedene staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren u.a. wegen Kapitalanlagebetruges geführt wurden. Er konsultierte daraufhin eine Wirtschaftsdetektei, die ihn spätestens im Jahr 1998 über eine mögliche Haftung des Beklagten informierte. Unter dem 28. Februar 2000 mandatierte er einen Anwalt, der den Beklagten mit Schreiben vom 2. Januar 2001 erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 96.300,00 DM aufforderte und schließlich am 14. Juni 2002 Klage gegen ihn einreichte.

[3] Der Kläger meint, der Beklagte sei ihm gegenüber schadensersatzpflichtig, weil er seine Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Beteiligungserwerb verletzt habe. Er habe bereits 1995 von strafrechtlichen Ermittlungen gegen Frau B. M. gewusst; auch sei ihm bekannt gewesen, dass die im Prospekt genannten Renditeerwartungen völlig unrealistisch seien. Der Beklagte hat in erster Linie die Einrede der Verjährung gemäß § 68 a.F. StBerG erhoben. Im Übrigen sei er für den Prospekt nicht verantwortlich, den er bei dessen Publikation noch nicht einmal gekannt habe. Ebenso wenig sei er an der Initiierung der Gesellschaft beteiligt gewesen. Seine Mitwirkung habe sich darauf beschränkt, dass er sich auf Anfrage von Frau B. M. in Unkenntnis ihrer angeblichen Verfehlungen bereit erklärt habe, als Treuhänder zu fungieren. Beide Vorinstanzen haben die Klage wegen Verjährung gemäß § 68 StBerG abgewiesen. Dagegen richtet sich die - von dem Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zugelassene - Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

[4] Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

[5] I. Das Berufungsgericht meint, etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten aus Prospekthaftung im engeren Sinne seien nach den Grundsätzen im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. März 1982 (BGHZ 83, 222) jedenfalls verjährt. Ebenso verjährt seien aber auch Ersatzansprüche des Klägers aus einer etwaigen Aufklärungspflichtverletzung bei Abschluss des Treuhandvertrages (BGHZ 83, 222, 227), weil hier nicht die damals noch geltende 30-jährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB, sondern die berufsspezifische Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 68 (a.F.) StBerG eingreife. Die Treuhandtätigkeit des Beklagten habe gemäß § 57 Abs. 3 StBerG zu dessen Berufsbild als Steuerberater gehört. Seine Rolle als Treuhandkommanditist belege nicht einen von ihm ausgeübten Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Ebenfalls verjährt sei eine etwaige Sekundärhaftung des Beklagten als Steuerberater, weil der Kläger vor Ablauf der Primärverjährungsfrist des § 68 (a.F.) StBerG anwaltlich beraten gewesen sei.

[6] II. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[7] 1. Das Berufungsgericht verkennt schon im Ansatz, dass der Beklagte - auf der Grundlage von § 13 des Gesellschaftsvertrages der B-KG vom November 1996 - nicht nur als Treuhänder für die zu werbenden Kapitalanleger fungieren sollte, sondern einziger Kommanditist der B-KG mit einer Eigenbeteiligung von 5.000,00 DM war. Dass er diese Einlage durch den Abschluss von Treuhandverträgen mit künftigen Anlegern sollte "erhöhen" können, ändert daran nichts. Er war sonach ebenso wie die Komplementär-GmbH Gesellschafter der B-KG und als solcher - neben seiner Treuhänderstellung - direkter Vertragspartner der künftigen Anleger (vgl. Sen.Urt. v. 7. Juli 2003 - II ZR 18/01, ZIP 2003, 1536 zu II 1 m.w.Nachw.). Diese sollten nicht nur in Rechtsbeziehungen zu dem Beklagten als Treuhänder treten, sondern gemäß den Angaben im Prospekt und dem beigefügten Gesellschaftsvertrag wie unmittelbar an der

B-KG beteiligte Gesellschafter behandelt werden (vgl. dazu Sen.Urt. v. 30. März 1987 - II ZR 163/86, ZIP 1987, 912). Nicht nur als Treuhänder, sondern auch in seiner Eigenschaft als Gesellschafter hat der im Prospekt und im Gesellschaftsvertrag namentlich benannte Beklagte bei dem Zustandekommen des Beitritts von Kapitalanlegern (unter Einschluss des Klägers) persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und ist nach den Grundsätzen vorvertraglicher Haftung dann schadensersatzpflichtig, wenn und soweit er seiner Verpflichtung zur Aufklärung seiner künftigen Vertragspartner über Nachteile und Risiken der Kapitalanlage schuldhaft nicht genügte. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn die Beteiligung an einer Publikumsgesellschaft unter Verwendung von Prospekten angebahnt wird (vgl. Sen.Urt. v. 7. Juli 2003 aaO m.w.Nachw.). Einer daraus resultierenden Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen mit künftigen Mitgesellschaftern unterliegen nach der Rechtsprechung des Senats nur diejenigen Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft nicht, welche erst nach Gründung der Gesellschaft beigetreten und von jedem Einfluss auf künftige Beitrittsverhandlungen ausgeschlossen sind (vgl. dazu BGHZ 71, 284, 286). Zu diesem Personenkreis gehört der Beklagte als Treuhandkommanditist nicht. Da er einziger Kommanditist der - nach den Prospektangaben im Jahr 1996 "umgegründeten" - B-KG war, ist er einem Gründungskommanditisten, der nach den genannten Grundsätzen ggf. einer vorvertraglichen Haftung gegenüber neu beitretenden Anlegern unterliegt (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651), zumindest gleichzustellen.

[8] 2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann sich der Beklagte, soweit seine vorvertragliche Haftung als Gesellschafter der B-KG gegenüber dem Kläger in Frage steht, nicht auf die berufsrechtliche Verjährungsvorschrift des § 68 a.F. StBerG berufen. Die Pflichten und die Haftung eines Gesellschafters richten sich unabhängig von seinem Beruf nach den Vorschriften, die für jeden Gesellschafter in gleicher Situation gelten. Für die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Gesellschafter aus vorvertraglicher schuldhafter Pflichtverletzung gegenüber künftigen Mitgesellschaftern gilt nichts anderes. Solche Ersatzansprüche verjährten gemäß dem nach Maßgabe des Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB anzuwendenden § 195 BGB i.d.F. bis zum 31. Dezember 2001 erst in 30 Jahren (vgl. Senat, BGHZ 83, 222, 227). Entsprechendes hat der Senat in dem - vom Berufungsgericht missverstandenen - Urteil vom 7. Juli 2003 aaO zum Fall einer Steuerberatungsgesellschaft als Treuhandgesellschafterin der Anlagegesellschaft sowie auch schon im Urteil vom 24. Mai 1982 (II ZR 124/81, BGHZ 84, 141, 149) zur Haftung einer Wirtschaftsprüfergesellschaft als Treuhandkommanditistin (vgl. § 51 a a.F. WPO) angenommen. Soweit aus dem Senatsurteil vom 9. November 1992 (II ZR 141/91, BGHZ 120, 157) - zur Anwendbarkeit der Verjährungsvorschrift des § 51 a.F. BRAO auf Ersatzansprüche gegen einen Rechtsanwalt als "Gesellschaftertreuhänder" wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei der Anbahnung des Treuhandverhältnisses mit künftigen Gesellschaftern - Gegenteiliges zu entnehmen sein sollte, wird daran nicht festgehalten. Im Übrigen ist diesem Urteil nicht zu entnehmen, dass der dortige Beklagte neben seiner Treuhänderfunktion die Stellung eines vollwertigen Gesellschafters in der Objektgesellschaft hatte, wie das bei dem Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits der Fall war. Dieser Aspekt wird auch im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. März 1987 (IVa ZR 290/85, BGHZ 100, 132 zu § 51 a a.F. WPO) nicht erörtert. In sonstigen Fällen, in denen der Bundesgerichtshof berufsspezifische Verjährungsvorschriften auf Berater oder Treuhänder im Zusammenhang mit Kapitalanlagegesellschaften angewendet hat, handelte es sich nicht um Gesellschafter der Anlagegesellschaft (vgl. Urt. v. 21. April 1982 - IVa ZR 291/80, BGHZ 83, 328; v. 16. Januar 1986 - VII ZR 61/85, BGHZ 97, 21; v. 10. April 1986 - VII ZR 214/85, WM 1986, 940; v. 19. November 1987 - VII ZR 39/87, BGHZ 102, 220; v. 5. Juli 1990 - VII ZR 26/89, NJW 1990, 2464; v. 16. Januar 1991 - VII ZR 14/90, WM 1991, 695; v. 11. Oktober 2001 - III ZR 288/00, NJW 2002, 888; v. 8. Juni 2004 - X ZR 283/02, NJW 2004, 3420).

[9] III. Nach allem kann das angefochtene Urteil mit der ihm von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben. Es stellt sich auch nicht deshalb im Ergebnis als richtig dar, weil es in § 18 Abs. 2, 3 des Gesellschaftsvertrages der B-KG heißt, dass Schadensersatzansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis drei Jahre nach Bekanntwerden des haftungsbegründenden Sachverhaltes verjähren und innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Kenntniserlangung von dem Schaden geltend zu machen sind. Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften unterliegen einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl.

Senat, BGHZ 64, 238; Urt. v. 27. November 2000 - II ZR 218/00, ZIP 2001, 243). Abgesehen davon, dass die genannte Bestimmung Schadensersatzansprüche aus vorvertraglicher Pflichtverletzung nicht, zumindest nicht eindeutig erfasst, ist die vorliegende Verkürzung der Verjährung für Schadensersatzansprüche "aus dem Gesellschaftsverhältnis" - einschließlich solcher gegen Gesellschaftsorgane - auf weniger als fünf Jahre unwirksam (vgl. Senat aaO; vgl. auch v. Gerkan in Röhricht/Graf v. Westphalen, HGB 2. Aufl. § 161 Rdn. 98). Die zusätzlich bestimmte Ausschlussfrist, die auch deliktische Ansprüche erfasst, ist ohnehin wegen Abweichung von § 852 BGB a.F. unwirksam (vgl.

Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 9 AGBG Rdn. 136). Auf die Verjährungsregelungen in § 12 des Treuhandvertrages kommt es für die hier in Rede stehenden Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten als Gesellschafter nicht an.

[10] Eine abschließende Entscheidung in der Sache selbst ist dem Senat verwehrt, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - zum Haftungsgrund keine Feststellungen getroffen hat. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, dies - ggf. nach ergänzendem Parteivortrag - nachzuholen.

Goette Kraemer Münke

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