III ZR 400/04

13.10.2005

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

13. Oktober 2005

K i e f e rJustizangestellterals Urkundsbeamterder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


SGB XI § 88 Abs. 2 Nr. 2; HeimG § 5 Abs. 5; BGB § 812


In Heimverträgen mit Leistungsempfängern der Pflegeversicherung bedarf die Gewährung und Berechnung von Zusatzleistungen (hier: Einzelzimmer in Pflegeheim) der vorherigen schriftlichen Vereinbarung. Fehlt es hieran, hat der Heimträger wegen der Nutzung einer solchen Zusatzleistung auch keinen Bereicherungsanspruch.


BGH, Urteil vom 13. Oktober 2005 - III ZR 400/04 - OLG Nürnberg, LG Nürnberg-Fürth


Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dr. Kapsa und Dörr

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11. Oktober 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 29.712 ? nebst Zinsen abgewiesen und der Kläger auf die Widerklage verurteilt worden ist, an die Beklagte 5.344 ? nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Januar 2004 zu zahlen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, 13. Zivilkammer, vom 27. Februar 2004 zurückgewiesen. Im Übrigen verbleibt es zur Hauptsache bei dem angefochtenen Berufungsurteil.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger 33 v.H. und die Beklagte 67 v.H. zu tragen.

Der Kläger hat die Gerichtskosten der Nichtzulassungsbeschwerde aus einem Wert von 93,74 € zu tragen. Im Übrigen hat die Beklagte die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch über die Frage, ob die beklagte Trägerin eines Alten- und Pflegeheims für die Bereitstellung eines Einzelzimmers einen Zuschlag berechnen darf. Die frühere Klägerin, die im Laufe des Berufungsverfahrens verstorben ist, wurde nach einem Schlaganfall am 10. September 1997 in das Pflegeheim der Beklagten aufgenommen. Sie erhielt Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe III und wurde über eine PEG-Sonde künstlich ernährt. Sie bewohnte von Beginn an als Einzelperson ein Zimmer, das der Größe nach (etwa 30 mý) auf eine Belegung durch zwei Personen zugeschnitten war. Der Aufnahme war eine vom Neffen der Klägerin am 27. August 1997 unterzeichnete schriftliche Anmeldung vorausgegangen, in der die Unterbringung in einem Einzelzimmer im Pflegebereich angekreuzt wurde. Im Vorgriff auf seine Bestellung zum Betreuer am 26. September 1997 unterzeichnete der Neffe am 31. August 1997 auch einen so bezeichneten "Vorvertrag zum Abschluss eines Wohn- und Dienstleistungsvertrags zur vollstationären Pflege", in dessen vorformuliertem Text die Beschreibung der Unterkunft (§ 4) teilweise und die Gewährung und Berechnung von Sonderleistungen (§ 16) vollständig unausgefüllt blieben. Nach diesem Vertrag betrug das zu zahlende - nicht weiter aufgegliederte und dem bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Übergangsrecht nach Art. 49a Zweiter Abschnitt des Pflege-Versicherungsgesetzes i.d.F. des Ersten SGB XI-Änderungsgesetzes vom 14. Juni 1996 (BGBl. I S. 830) unterliegende - Entgelt täglich 165,73 DM. Nach § 2 des Vertrags sollte nach Abschluss der nach § 75 SGB XI vorgesehenen Rahmenverträge ein endgültiger Wohn- und Dienstleistungsvertrag vereinbart werden. Hierzu kam es in der Folgezeit nicht.

Die Beklagte berechnete ab 1. Januar 1998 einen täglichen Einzelzimmerzuschlag von 57,90 DM, später 29,60 €, der durch den Betreuer der Klägerin, der sie nach ihrem Tod auch beerbt hat, bis zum 31. Januar 2003 bezahlt wurde. Die weiteren Entgeltbestandteile wurden in den Rechnungen in Investitionskosten, Unterkunft und Verpflegung sowie Pflegevergütung aufgegliedert und entsprachen im Januar 1998 mit insgesamt 168,20 DM in etwa dem im "Vorvertrag" festgelegten Entgelt.

Der Kläger vertritt den Standpunkt, die Einzelzimmerzuschläge seien nicht wirksam vereinbart worden und müssten zurückgezahlt werden. Das Landgericht hat die Rückforderungsansprüche wegen der vom 1. Januar 1998 bis 31. Januar 2003 gezahlten Einzelzimmerzuschläge in Höhe von 54.972,75 € nebst Zinsen für begründet gehalten und die Widerklage der Beklagten, die u.a. auf Zahlung der Einzelzimmerzuschläge für die Zeit vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2003 gerichtet war, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Zahlungsanspruch des Klägers um 29.712 ? vermindert und der Widerklage in Höhe von 5.437,74 € nebst Zinsen, darunter 5.344 ? für die Einzelzimmerzuschläge, entsprochen. Soweit es um die Einzelzimmerzuschläge geht, begehrt der Kläger mit der insoweit vom Senat zugelassenen Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet.

1. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass es an einer wirksamen Vereinbarung der Heimvertragsparteien über die Gewährung und Berechnung der Zusatzleistung "Einzelzimmer" fehlt, weil der am 31. August 1997 geschlossene "Vorvertrag" sich hierüber nicht verhält und auch später insoweit keine schriftliche Vereinbarung geschlossen worden ist. Zwar verlangt das Heimgesetz im Grundsätzlichen für den Abschluss eines Heimvertrags keine Schriftform, sondern gibt dem Heimträger (insoweit nur) auf, dem Bewohner den Inhalt des Vertrags schriftlich zu bestätigen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 HeimG i.d.F. vom 23. April 1990 - BGBl. I S. 763; § 5 Abs. 1 Satz 2 HeimG i.d.F. vom 5. November 2001 - BGBl. I S. 2970 - im Folgenden HeimG n.F.). Für Leistungsempfänger der Pflegeversicherung muss der Vertragsinhalt sich jedoch nach den Vorschriften des Siebten und Achten Kapitels des Elften Buches Sozialgesetzbuch bestimmen oder ihnen entsprechen (§ 4e Abs. 1 HeimG i.d.F. des Art. 19 Nr. 2 des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994 - BGBl. I S. 1014; § 5 Abs. 5 HeimG n.F.). Das betrifft nicht nur die Leistungen des Heimträgers für die allgemeinen Pflegeleistungen sowie für Unterkunft und Verpflegung, sondern auch Zusatzleistungen, die allesamt im Einzelnen gesondert zu beschreiben und für die die jeweils anfallenden Entgelte gesondert anzugeben bzw. auszuweisen sind (§ 4e Abs. 1 Satz 1 HeimG i.d.F. vom 26. Mai 1994; § 5 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 und 4 HeimG n.F.). Das bedeutet, dass der Heimträger neben den Pflegesätzen und den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung mit dem Pflegebedürftigen über die im Versorgungsvertrag vereinbarten notwendigen Leistungen hinaus gesondert ausgewiesene Zuschläge für besondere Komfortleistungen bei Unterkunft und Verpflegung sowie zusätzliche pflegerisch-betreuende Leistungen vereinbaren darf (§ 88 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Bei dieser Vorschrift handelt es sich im Kern um eine Bestimmung, die das privatrechtliche Verhältnis des Heimträgers zum Heimbewohner betrifft und darum ebenso gut in die Bestimmungen des Heimgesetzes über den Heimvertrag eingeordnet sein könnte. Ihre systematische Stellung im Recht der Pflegeversicherung verdankt sie dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Pflegekassen und Leistungsträgern Einwirkungsmöglichkeiten geben wollte, um die Rechtsstellung der Versicherten insgesamt zu verbessern. Dies gilt etwa für das Aushandeln der - von den Heimbewohnern aufzubringenden - Entgelte für Unterkunft und Verpflegung nach § 87 SGB XI (vgl. Senatsurteile BGHZ 149, 146, 157; 157, 309, 313) und - seit dem 1. Januar 2002 - für den Abschluss von Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen, deren Festlegungen für die Pflegesätze und die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung nach § 80a Abs. 1, 2 SGB XI i.d.F. des Art. 1 Nr. 9 des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes vom 9. September 2001 (BGBl. I S. 2320) maßgebend sind (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 2005 - III ZR 411/04 - NJW-RR 2005, 777, 779). Was die in § 88 SGB XI angeführten Zusatzleistungen angeht, gibt es Kollektivvereinbarungen der vorbeschriebenen Art nicht, so dass sie zwischen dem Heimträger und dem Bewohner zu vereinbaren sind. Flankiert wird dies jedoch durch weitere Schutzbestimmungen für die Versicherten: Der Inhalt der notwendigen Leistungen - für die ein zusätzliches Entgelt nicht vereinbart werden kann - und deren Abgrenzung von den Zusatzleistungen werden in den Rahmenverträgen nach § 75 SGB XI festgelegt (§ 88 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Allgemein dürfen Zusatzleistungen die notwendigen stationären und teilstationären Leistungen des Pflegeheims nicht beeinträchtigen (§ 88 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI). Darüber hinaus sind die Pflegeheime verpflichtet, ihr Leistungsangebot und die Leistungsbedingungen für Zusatzleistungen den Landesverbänden der Pflegekassen und den

überörtlichen Trägern der Sozialhilfe im Land vor Leistungsbeginn schriftlich mitzuteilen (§ 88 Abs. 2 Nr. 3 SGB XI), so dass diese z.B. prüfen können, ob sich der Heimträger an die Bestimmungen seines Versorgungsvertrags hält.

Die Beklagte kann sich der Anwendung des § 88 SGB XI nicht - wie in den Vorinstanzen vertreten - mit der Begründung entziehen, es fehle an einer abgrenzenden Regelung ihrer Leistungen in einem Rahmenvertrag. Das nimmt ihrer Leistung nicht den Charakter einer Zusatzleistung, der entscheidend dadurch zu bestimmen ist, dass es sich um eine Leistung handelt, die nicht als allgemeine Pflegeleistung oder als Leistung für Unterkunft und Verpflegung anzusehen und daher nicht mit den hierfür vereinbarten Entgelten abgegolten ist. Wird - wie hier - der Heimbewohner in einem Einzelzimmer betreut, kann nicht zweifelhaft sein, dass es sich um eine Zusatzleistung handelt, auf die der Pflegebedürftige ohne ein zusätzliches Entgelt grundsätzlich keinen Anspruch hat. Bereits im Gesetzgebungsverfahren ist ein besonders großes und im Vergleich zu den übrigen Zimmern des Heimes luxuriös ausgestattetes Zimmer als eine mögliche Zusatzleistung in Betracht gezogen worden (vgl. BT-Drucks. 12/5262 S. 147 zu § 97 des Entwurfs). Dem ist das Schrifttum weitgehend gefolgt (vgl. Krauskopf/Knittel, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand März 1999, § 88 SGB XI Rn. 3; Schuldzinsky, in: LPK-SGB XI, 1998, § 88 Rn. 7; Udsching, SGB XI, 1995, § 88 Rn. 3; Mühlenbruch, in: Hauck/Noftz, SGB XI, 24. Lieferung VI/05, K § 88 Rn. 7; Wigge, in: Wannagat, SGB XI, Stand Februar 2001, § 88 Rn. 5; Gürtner, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand August 1995, § 88 SGB XI Rn. 5). Auch der Kläger hat nicht die Auffassung vertreten, die Bereitstellung eines Zimmers, wie es durch die Erblasserin genutzt wurde, sei von vornherein ohne jeden Zuschlag geschuldet; vielmehr hat er sich darauf berufen, der - nicht wirksam vereinbarte - Zuschlag sei hier zudem sittenwidrig überhöht und überschreite die Angemessenheitsgrenzen.

Ist danach § 88 SGB XI anwendbar, erfüllt der geschlossene Vertrag, der zu möglichen Zusatzleistungen und dem hierfür zu entrichtenden Entgelt keine Angaben enthält, die Anforderungen in § 88 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI nicht: Hiernach ist die Gewährung und Berechnung von Zusatzleistungen nur zulässig, wenn die angebotenen Zusatzleistungen nach Art, Umfang, Dauer und Zeitfolge sowie der Höhe der Zuschläge und die Zahlungsbedingungen vorher schriftlich zwischen dem Pflegeheim und dem Pflegebedürftigen vereinbart worden sind. Diese Anforderungen dienen ersichtlich dem Interesse des Heimbewohners, der sich vor einer Leistungsgewährung bewusst darüber klar werden soll, welche Zusatzleistungen er erhalten und welchen Preis er hierfür entrichten soll, wobei auch die Regelungen des Heimgesetzes (§ 4e Abs. 1 HeimG i.d.F. vom 26. Mai 2004; § 5 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 4 HeimG n.F.) verlangen, dass der Heimbewohner über diese möglichen Vertragsinhalte im Einzelnen unterrichtet wird. Im Gesetzgebungsverfahren ist insoweit auf eine Parallele zu Vereinbarungen von Wahlleistungen im Krankenhaus nach der Bundespflegesatzverordnung hingewiesen worden (vgl. BT-Drucks. 12/5262 S. 148 unter Hinweis auf § 7 BPflV). Zu diesen, später in § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV geregelten Wahlleistungen, die ebenfalls schriftlich zu vereinbaren sind, vertritt der Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, das Schriftformerfordernis gelte für die Erklärungen beider Parteien, so dass nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB die Form grundsätzlich nur gewahrt sei, wenn alle die Wahlleistungen betreffenden Erklärungen in derselben Urkunde niedergelegt und von beiden Parteien unterzeichnet seien (vgl. BGHZ 138, 91, 93). Die Unwirksamkeitsfolge hat der Senat auch in Fällen angenommen, in denen es an der für Wahlleistungsvereinbarungen notwendigen hinreichenden Unterrichtung fehlte (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - III ZR 233/94 - NJW 1996, 781 f; BGHZ 138, 91, 94; 157, 87, 90; vom 22. Juli 2004 - III ZR 355/03 - NJW-RR 2004, 1428), und zwar auch dann, wenn es neben der wahlärztlichen Leistung um die Gestellung eines besonderen Zimmers ging (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1995 aaO).

Es besteht kein Anlass, die Rechtslage im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 88 SGB XI anders zu beurteilen. Zwar mögen die Interessenlagen vor Aufnahme in ein Krankenhaus oder in ein Pflegeheim nicht in jeder Hinsicht übereinstimmen. Denn bei Wahlleistungsvereinbarungen wird insbesondere die Behandlung durch besonders qualifizierte Ärzte im Vordergrund stehen, während bei den Zusatzleistungen im Heim vor allem Komfortleistungen bei der Unterkunft und Verpflegung in Betracht kommen dürften. Unterschiede ergeben sich auch aus der Dauer des geplanten Aufenthaltes, so dass insbesondere bei Wahlleistungsvereinbarungen, die mit beträchtlichen zusätzlichen Kosten verbunden sein können, das Bedürfnis nach einer klaren, nachweisbaren, die Kostenrisiken beachtenden Grundlage für die anschließende Behandlung in besonderem Maße hervortritt. Der Gesetzgeber hat aber, wie sein Hinweis auf die Bundespflegesatzverordnung zeigt, die Leistungsempfänger der Pflegeversicherung für nicht weniger schutzbedürftig angesehen, was sich auch in den Vorschriften des § 4e Abs. 1 HeimG i.d.F. vom 26. Mai 1994 und des § 5 Abs. 5 HeimG n.F. widerspiegelt.

2. Ist danach davon auszugehen, dass mangels einer schriftlichen Vereinbarung der hier tatsächlich in Anspruch genommenen Zusatzleistung das in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Januar 2003 gezahlte Entgelt ohne Rechtsgrund geleistet worden ist und für den anschließenden Zeitraum die Grundlage für die Berechnung des Zuschlags fehlt, kommt es im weiteren darauf an, ob sich der Kläger angesichts der jahrelangen Nutzung des Einzelzimmers durch die Erblasserin auf den Formmangel berufen kann.

a) Das Berufungsgericht hat diese Frage prinzipiell bejaht und dies vor allem damit begründet, ein für die Beklagte schlechthin untragbares Ergebnis liege hierin schon deshalb nicht, weil sich der Kläger den Wert der aufgrund des unwirksamen Vertrags erlangten Gegenleistung auf seinen Bereicherungsanspruch anrechnen lassen müsse. Die Bereicherung sei der Erblasserin nicht aufgedrängt worden, da sie bei der Aufnahme die Unterbringung in einem Einzelzimmer gewünscht und noch nach Ende des in diesem Rechtsstreit gegenständlichen Zeitraums durch ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ihr Interesse an einem besonders großen und komfortablen Zimmer bestätigt habe. Bereicherungsrechtlich sei ein täglicher Betrag von 16 ? anzusetzen, so dass sich der Klageanspruch von 54.977,75 € für 1.857 Tage um 29.712 ? mindere und auf die Widerklage für 334 Tage 5.344 ? zu zahlen seien.

Diese Beurteilung hält, soweit sie bereicherungsrechtlich begründet wird, der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Im Ausgangspunkt ist es zwar richtig, dass ein nichtiger Vertrag bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln ist, wobei - von Sonderfällen abgesehen - der von den Vertragsparteien bei Vertragabschluss gewollte Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung auch bei der Rückabwicklung zu beachten ist und zu einer Saldierung der beiderseits erbrachten Leistungen führt. Der Senat hat jedoch bereits zu unwirksamen Wahlleistungsvereinbarungen nach § 7 BPflV i.d.F. vom 21. August 1985 (BGBl. I S. 1666) bzw. nach § 22 Abs. 2 BPflV i.d.F. vom 26. September 1994 (BGBl. I S. 2750) - auch in Bezug auf die Vereinbarung eines besonderen Zimmers - entschieden, es würde dem Schutzzweck der genannten Normen widersprechen, wenn der Krankenhausträger für Leistungen, die nicht Gegenstand einer wirksamen Wahlleistungsvereinbarung geworden seien, unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigen Bereicherung eine "Vergütung" verlangen könnte (Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 aaO S. 782; BGHZ 138, 91, 99; 157, 87, 97). Angesichts des Umstands, dass der Regelung des § 88 SGB XI ähnliche Schutzüberlegungen des Gesetzgebers zugrunde liegen wie beim Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung für eine stationäre Krankenhausbehandlung, sieht der Senat keinen Anlass und keine innere Rechtfertigung, den Schutzzweck des § 88 SGB XI bei einer nicht wirksam vereinbarten Zusatzleistung durch einen Bereicherungsanspruch des Heimträgers oder durch die Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag, die die Revisionserwiderung gleichfalls für anwendbar hält, zu unterlaufen. Einem solchen Ergebnis ist der Heimträger, soweit er - wie hier - im Übrigen mit dem Bewohner durch einen wirksamen Heimvertrag verbunden ist, nicht schutzlos ausgesetzt, da er es durch Befolgung der klar formulierten Bestimmung des § 88 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI in der Regel in der Hand hat, nur auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung über die Zusatzleistung und ihre Vergütung die Leistung zu gewähren. Dass schon die Gewährung der Leistung vor Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung nicht zulässig ist, ist der Regelung des § 88 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI zweifelsfrei zu entnehmen, so dass kein Anlass besteht, einem Heimträger, der sich hierüber hinwegsetzt, durch Anwendung bereicherungsrechtlicher Regeln allgemein das Risiko abzunehmen, für eine unzulässige Leistung ohne Entgelt zu bleiben. Soweit die Revisionserwiderung meint, bei der Wahl einer Zusatzleistung in einem Heimvertrag bestehe nicht das für den Krankenhauspatienten angeführte Bedürfnis, in einer vielfach existenziellen Ausnahmesituation vor vermögensmäßiger Ausnutzung und Überforderung geschützt zu werden, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Situation bei der Aufnahme eines Pflegebedürftigen in ein Heim unterscheidet sich von der Aufnahme zu einer stationären Krankenhausbehandlung nicht grundlegend. Vielfach vollzieht sich die Aufnahme eines Pflegebedürftigen, der vor einer Krankenhausentlassung steht und ambulant nicht mehr betreut werden kann, unter großem Zeitdruck, was zugleich einschließt, dass er bei seiner Auswahlentscheidung nicht das gesamte Spektrum an sich für ihn geeigneter und grundsätzlich erreichbarer Einrichtungen berücksichtigen kann. Da andererseits ein Heimvertrag im Regelfall auf unbestimmte Zeit geschlossen wird (§ 4b Abs. 1 HeimG i.d.F. vom 23. April 1990, § 8 Abs. 1 HeimG n.F.) und zu einer dauerhaften Begründung eines neuen Lebensmittelpunkts führen soll, kommt der Einhaltung der bei Abschluss des Heimvertrags geltenden Bedingungen für den Schutz des Heimbewohners entscheidende Bedeutung für die Frage zu, ob die Anwendung bereicherungsrechtlicher Regeln in Betracht kommt. Soweit die Revisionserwiderung darauf abstellt, dem Kläger habe als Betreuer der Pflegebedürftigen Monat für Monat vor Augen gestanden, welchen Preis er für welche Zusatzleistung zu entrichten habe, wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass § 88 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI sowohl die Gewährung als auch die Berechnung von Zusatzleistungen vom Abschluss einer vorherigen schriftlichen Vereinbarung abhängig macht.

b) Auch im Übrigen ist der Kläger nicht daran gehindert, sich auf den Mangel der Form des § 88 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI zu berufen. Formvorschriften dürfen im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen (vg. BGHZ 138, 339, 348). An die Bejahung eines Ausnahmefalls sind strenge Anforderungen zu stellen; dass die Nichtigkeit den einen Vertragsteil hart trifft, reicht nicht aus (vgl. Senatsurteil BGHZ 92, 164, 172). Dementsprechend sind in der Rechtsprechung vor allem zwei Fallgruppen in Betracht gezogen worden, in denen einer Partei die Berufung auf einen Formmangel versagt wurde: Die Fälle einer Existenzgefährdung des einen Teils oder die Fälle einer besonders schweren Treuepflichtverletzung des anderes Teils.

Hierfür ist indes nichts hervorgetreten. Mit Recht weist das Landgericht darauf hin, dass es der Beklagten, die eine Vielzahl von Heimverträgen formularmäßig abschließt, ohne weiteres möglich und zuzumuten ist, vor der Gewährung von Zusatzleistungen auf den Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung zu achten. Im Übrigen ist sie in einem Streitfall wie hier auch in der Lage, solche Zusatzleistungen einzustellen, für die es an einer formwirksam getroffenen Vereinbarung fehlt. Dass der Kläger zunächst und auch über längere Zeit die seit Januar 1998 mit einem Einzelzimmerzuschlag versehenen Rechnungen gezahlt hat, konnte für die Beklagte kein Vertrauen begründen, die erhaltenen Beträge behalten zu dürfen. Insbesondere konnte sich dieses Vertrauen auch nicht darauf gründen, dass der Kläger im Vorgriff auf seine Betreuerbestellung bei der Anmeldung seiner Tante ein Einzelzimmer gewünscht hatte. Die Beklagte, die für ein treuwidriges Verhalten darlegungspflichtig ist, hat nicht vorgetragen, dass dem Kläger im Hinblick auf seinen Belegungswunsch verdeutlicht worden ist, dass als das erbetene Einzelzimmer nur das der früheren Klägerin zugewiesene besonders große Zimmer in Betracht gekommen sei, das eigentlich für die Belegung von zwei Personen vorgesehen war. Es ist auch nicht vorgetragen oder erkennbar, dass die Beklagte den Kläger - wie nach § 4 Abs. 4 HeimG i.d.F. vom 23. April 1990 (vgl. jetzt § 5 Abs. 2 HeimG n.F.) geboten - über die Möglichkeiten, bei der Unterkunft zusätzliche Leistungen zur Verfügung zu stellen, im Einzelnen unterrichtet hätte. Auch der in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vorgelegte Entwurf eines Wohn- und Dienstleistungsvertrags, der nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Beklagten dem Kläger bereits Anfang 1999 und erneut im April 2003 zur Unterschrift vorgelegt worden sein soll, gibt keinen näheren Aufschluss über die Konditionen der insgesamt angebotenen Komfortleistungen. Zwar lässt sich diesem Vertragsentwurf entnehmen, dass es neben dem angekreuzten "Doppelzimmer als Einzelzimmer" weitere Möglichkeiten der Nutzung anderer Einzelzimmer gibt. Es war jedoch nur der Preis für das von der Erblasserin genutzte Zimmer angegeben. Wenn sich der Kläger unter diesen Umständen nicht dazu verstehen konnte, den vorgelegten Vertragsentwurf zu unterzeichnen, hätte die Beklagte - insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch weitere Vertragsinhalte streitig geworden waren - Gelegenheit gehabt, die notwendige Klarstellung vorzunehmen und von der weiteren Gewährung von Zusatzleistungen abzusehen. Die Beklagte, von der die Kenntnis der hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu erwarten war, verkennt mit ihrem Vortrag, es sei nie ein kleineres Zimmer verlangt worden, dass es in erster Linie ihr oblag, sich eine wirksame Grundlage für die Gewährung und Berechnung von Zusatzleistungen zu verschaffen.

3. Soweit es um die Behandlung der Einzelzimmerzuschläge geht, ist daher das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wiederherzustellen. Der relativ geringfügige Erfolg der Widerklage in den Rechtsmittelinstanzen bleibt bei der Kostenentscheidung nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO außer Betracht.

Schlick Wurm Streck

Kapsa Dörr

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