III ZR 5/07

30.04.2008

BUNDESGERICHTSHOF

vom

30. April 2008

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


HPflG § 2 Abs. 1; WasserhaushaltsG § 18a;

NRWWasserG § 53


a) Die Gemeinde bleibt jedenfalls Mitinhaberin der

Abwasserkanalisation, wenn sie sich zur Erfüllung ihrer

Abwasserbeseitigungspflicht privatrechtlich eines Dritten (hier

Stadtwerke GmbH) bedient und eine Vollübertragung

öffentlich-rechtlich ausgeschlossen ist.

b) Zur Haftung des Inhabers der Anlage wegen in der

Kanalisation entstandener giftiger Gase.


BGH, Beschluss vom 30. April 2008 - III ZR 5/07 -

OLG Düsseldorf, LG Mönchengladbach


Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30.

April 2008 durch die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr, Dr. Herrmann

und die Richterin Harsdorf-Gebhardt

beschlossen:

Die Beschwerde der Beklagten zu 1 gegen die Nichtzulassung

der Revision in dem Urteil des 12. Zivilsenats des

Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. November 2006 - I-12 U 7/06 -

wird zurückgewiesen.

Die Beklagte zu 1 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens

zu tragen.

Gegenstandswert: 128.998,96 €

Gründe:

[1] I. Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen

Rentenversicherung. Sie macht, soweit hier von Interesse, gegen die

erstbeklagte Stadt (im Folgenden: Beklagte) aus übergegangenem Recht

ihrer Versicherten D. und L. Schadensersatzansprüche aufgrund eines

Unfalls vom 9. April 1997 geltend, bei dem D. getötet und L. schwer

verletzt wurde.

[2] Im Jahre 1997 sollte im Bereich der D. Straße in M.

ein alter, sanierungsbedürftiger Abwasserkanal durch einen neuen,

größer dimensionierten Kanal ersetzt werden. Auftraggeberin war die

Stadtwerke M. GmbH (jetzt: N. AG). Während der Bauarbeiten kam es zu

einem Rohrbruch am alten Kanal. Dies veranlasste die Bauleitung, die

Abwässer einzelner Anschlüsse bereits durch das neue, noch nicht

fertiggestellte Kanalrohr zu leiten und sie am Ende der Leitung in

das Abwassernetz abzupumpen. Am 9. April 1997 sollte in dem neuen

Kanalstück ein weiterer Hausanschluss gelegt werden. Zu diesem Zweck

stieg der Arbeiter D. in das Kanalrohr. Während er sich in der

Rohrleitung aufhielt, kam es dort durch das Zusammentreffen

schwefelhaltiger und säurehaltiger Abwässer zur Bildung hochgiftigen

Schwefelwasserstoffs. D. verlor das Bewusstsein und verstarb später,

der ihm zu Hilfe geeilte L. erlitt eine Hirnschädigung und ist

seitdem erwerbsunfähig.

[3] Mit der Klage nimmt die Klägerin wegen der ihr bis zum

31. Dezember 2004 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 78.880,24 €

nebst Zinsen gegen die Beklagte Rückgriff. Sie verlangt außerdem

Feststellung deren weiterer Ersatzpflicht für die Zeit vom 1. Januar

2005 an. Die Klage wird in erster Linie auf § 2 HPflG gestützt. Die

Beklagte stellt in Abrede, Inhaberin der Anlage zu sein. Sie beruft

sich vor allem auf einen zwischen ihr und der Stadtwerke M. GmbH am

21. Dezember 1995 geschlossenen Entsorgungsvertrag, in dem es heißt:

"Präambel

Die Stadt bedient sich zur Erfüllung ihrer

Abwasserbeseitigungspflicht der Gesellschaft in dem in diesem

Vertrag festgelegten Umfang. Sie überträgt der Gesellschaft die

Durchführung der Abwasserbeseitigung (Planung, Bau, Betrieb und

Finanzierung), die diese eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Ziel

der Parteien ist es, die Abwasserbeseitigung so auszugestalten, dass

die Stadt sich dauerhaft auf den nicht übertragbaren Kernbestand

hoheitlicher Aufgaben beschränkt. Die Vertragspartner werden alles

tun, damit die Durchführung der Abwasserbeseitigung im Hoheitsgebiet

der Stadt ausschließlich der Gesellschaft obliegt. ...

§ 1 Vertragsgegenstand

(1) Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Erfüllung der

der Stadt obliegenden gesetzlichen Abwasserbeseitigungspflicht ...

eigenverantwortlich sicherzustellen. Für die nachhaltige

Betriebsbereitschaft und die Betriebssicherheit der Anlagen ist die

Gesellschaft verantwortlich. ...

(3) Die Stadt hat der Entwässerung M. GmbH (EMG) ihr

Abwasservermögen übertragen und ist für die Dauer des

Entsorgungsvertrages von der tatsächlichen Einwirkung auf die

Abwasseranlagen ausgeschlossen. Die Ausübung der Kontroll- und

Weisungsrechte der Stadt in ihrer Eigenschaft als

Abwasserbeseitigungspflichtiger ... bleibt davon unberührt. ...

§ 3 Pflichten der Gesellschaft

(1) Der Gesellschaft obliegen Planung, Finanzierung, Bau,

Unterhaltung, Betrieb (einschließlich Instandhaltung) und Kontrolle

der Anlagen zur öffentlichen Abwasserbeseitigung (Abwasseranlagen)

in der Stadt. Sie hat die Anlagen nach den jeweils einschlägigen

Regeln der Technik unter Beachtung der gesetzlichen und behördlichen

Anforderungen wirtschaftlich und sicher zu führen sowie in einem

nachhaltig betriebsfähigen Zustand zu halten. ..."

[4] Am Unfalltag galt außerdem die Entwässerungssatzung

der Stadt vom 25. April 1984. Darin wird bestimmt:

"§ 1 Allgemeines

(1) Die Stadt betreibt in ihrem Gebiet die unschädliche

Beseitigung der Abwässer ... als öffentliche Einrichtung. Sie

bedient sich zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht der

Stadtwerke M. GmbH (Stadtwerke). Die in dieser Satzung geregelten

Rechte und Pflichten der Stadt und der Stadtwerke berechtigen und

verpflichten diese jeweils selbständig.

(2) Zur Erfüllung dieser Aufgabe sind und werden

Abwasseranlagen hergestellt, die ein einheitliches System bilden und

von der Stadt als öffentliche Einrichtung ... betrieben und

unterhalten werden.

(3) Art und Umfang der Abwasseranlagen sowie den Zeitpunkt

ihrer Herstellung, Erweiterung und Erneuerung bestimmen die Stadt

und die Stadtwerke. ...

§ 2 Anschluss -und Benutzungsrecht

(1) Jeder Eigentümer eines im Gebiet der Stadt liegenden

Grundstücks ist ... berechtigt, von der Stadt zu verlangen, dass

sein Grundstück an die bestehende Abwasseranlage angeschlossen wird

(Anschlussrecht). ...

§ 3 Begrenzung des Anschlussrechts

(1) Das in § 2 Abs. 1 geregelte Anschlussrecht erstreckt

sich nur auf solche Grundstücke, die durch eine Straße (Weg, Platz)

erschlossen sind, in der eine betriebsfertige Abwasserleitung

vorhanden ist. Bei anderen Grundstücken kann die Stadt auf Antrag

den Anschluss zulassen. ...

(2) Wenn der Anschluss eines durch eine Straße mit einer

betriebsfertigen Abwasserleitung erschlossenen Grundstücks aus

technischen oder betrieblichen Gründen erhebliche Schwierigkeiten

bereitet oder besondere Maßnahmen oder besondere Aufwendungen

erfordert, kann die Stadt den Anschluss versagen. ...

(3) Die Stadt ist berechtigt, den Anschluss von der

Herstellung einer Abwasserbehandlungsanlage abhängig zu machen,

damit die Abwässer die in § 4 Abs. 3 festgelegten Grenzwerte für

Schadstoffe nicht übersteigen. ...

§ 4 Einleitungsbeschränkungen

(1) ... Die Stadt und die Stadtwerke können eine

Vorklärung oder sonstige Behandlung der Abwässer vor ihrer

Einleitung in die Abwasseranlage verlangen ...; erforderlichenfalls

können sie die Einleitung der Abwässer ablehnen. ...

§ 5 Anschlusszwang

...

(2) Die Stadt kann auch den Anschluss von unbebauten

Grundstücken verlangen, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen

Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. ..."

[5] Das Landgericht hat durch Teilurteil der gegen die

Stadt gerichteten Klage stattgegeben, im Feststellungstenor

allerdings jeweils begrenzt auf einen Kapitalbetrag von 600.000 €

bzw. einen Rentenbetrag von 36.000 € jährlich. Das Berufungsgericht

hat die Haftungsobergrenze auf einen Jahresbetrag von je 30.000 DM

(15.338,76 €) herabgesetzt und die Berufung der Beklagten im Übrigen

zurückgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht

zugelassen. Dagegen richtet sich die von der Beklagten eingelegte

Nichtzulassungsbeschwerde.

[6] II. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Weder hat die

Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung

des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2, § 544 ZPO).

Das Berufungsurteil steht im Einklang mit der Rechtsprechung des

Bundesgerichtshofs, auch zum Begriff des Inhabers einer

Rohrleitungsanlage im Sinne des § 2 Abs. 1 HPflG. Gegenteilige

Entscheidungen der Instanzgerichte oder abweichende Stellungnahmen

in der Fachliteratur zeigt die Beschwerde nicht auf. Soweit einem

Urteil des Oberlandesgerichts Rostock (VersR 2003, 909) eine

abweichende Auffassung entnommen werden kann, beruht die - von der

Beschwerde auch nicht als divergierend bezeichnete - Entscheidung

nicht darauf.

[7] 1. Die gemeindliche Abwasserkanalisation gehört nach

ständiger Rechtsprechung des Senats zu den Rohrleitungsanlagen im

Sinne des § 2 Abs. 1 HPflG (BGHZ 109, 8, 12; 115, 141, 142; 158,

263, 265; 159, 19, 21; 164, 324, 326). Das ist unter den Umständen

des Streitfalls nicht deswegen anders, weil das in Rede stehende

Teilstück des neuen Kanals noch nicht vollständig fertiggestellt

war. Es genügt, dass dieses Kanalrohr mit der Anbindung einiger

Hausanschlüsse und der Ableitung des anfallenden Abwassers bereits

provisorisch in Betrieb genommen war, zumal durch die erweiterte

Anlagenhaftung nach der Gesetzesbegründung auch Schäden bei bloßen

Tests und Probeläufen erfasst werden sollten (BT-Drucks. 8/108 S.

12; siehe im Übrigen Filthaut, HPflG, 7. Aufl., § 2 Rn. 19).

[8] 2. Die durch eine chemische Reaktion der Abwässer

entstandenen giftigen Gase sind ferner "von" der Anlage ausgegangen.

Die Wirkungshaftung des § 2 Abs. 1 Satz 1 HPflG setzt voraus, dass

sich die mit dem konzentrierten Transport von Wasser oder anderen

Flüssigkeiten in einer Rohrleitungsanlage typischerweise verbundene

besondere Betriebsgefahr verwirklicht hat. Hierbei haftet der

Anlagebetreiber für jede Wirkung des in der Anlage transportierten

Stoffes, sei sie physikalischer oder chemischer Natur (Senatsurteil

BGHZ 164, 324, 326 f.). Es liegt daher noch innerhalb des

Schutzbereichs der Norm, wenn hier nicht unmittelbar die

transportierten Abwässer, sondern in weiterer Folge erst der durch

ihr Zusammentreffen entstandene Schwefelwasserstoff den Tod und die

Verletzung der Bauarbeiter verursacht hat. Unerheblich ist weiter,

dass sich die Unfälle noch innerhalb der Rohrleitungsanlage ereignet

haben und das schadensursächliche Gas die Anlage nicht verlassen

hatte. Notwendig ist lediglich ein Zusammenhang mit der Funktion der

Anlage und den mit ihr verbundenen Gefahren, im vorliegenden Fall

dem Transport der mit unterschiedlichen Stoffen versetzten und

infolgedessen miteinander reagierenden Abwässer. Dieser Zusammenhang

ist, wie dargelegt, gewahrt. Durch die Gefährdungshaftung geschützt

sind auch die unmittelbar beim Betrieb der Anlage Beschäftigten

(Filthaut, aaO, § 2 Rn. 53; Staudinger/Kohler, BGB, Neubearbeitung

2002, § 2 HPflG Rn. 14).

[9] 3. a) Ersatzpflichtig ist nach dieser Vorschrift ohne

Rücksicht auf ein Verschulden der Inhaber der Anlage. Inhaber ist,

wer die tatsächliche Herrschaft über ihren Betrieb ausübt und die

hierfür erforderlichen Weisungen erteilen kann (Senatsurteile vom 1.

Februar 2007 - III ZR 289/06 - NJW-RR 2007, 823, 824 Rn. 10 m.w.N.

und vom 7. Februar 2008 - III ZR 307/05 - Rn. 17; Geigel/Kaufmann,

Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., 26. Kap. Rn. 57). Dabei können

auch mehrere Personen gleichermaßen Inhaber einer Anlage sein. Sie

haften dann als Gesamtschuldner (§ 840 BGB). In Betracht kommt zudem

eine mehrfache "vertikale" Zuordnung, etwa im Verhältnis zwischen

Eigentümer und Betriebsführer (Filthaut, aaO, § 2 Rn. 43 m.w.N.).

[10] b) Nach diesen Maßstäben war die beklagte Stadt

Mitinhaberin der provisorisch angeschlossenen Kanalleitung; sie ist

deswegen gesamtschuldnerisch für den geltend gemachten Schaden

verantwortlich.

[11] Insofern ist zu unterscheiden: Unter dem

Gesichtspunkt, dass die Bauarbeiten an dem neuen Leitungsabschnitt

noch nicht abgeschlossen waren und deswegen Umfang und Dauer der

vorläufigen Anbindung an die städtische Kanalisation auch von der

Entscheidung der Bauleitung abhingen, lässt sich die notwendige

tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit des Bauherrn (Stadtwerke M.

GmbH) und damit dessen Stellung als (Mit-)Inhaber des noch nicht

fertiggestellten Kanalstücks im Schadenszeitpunkt nicht verneinen.

Auf der anderen Seite war jedoch die Rohrleitung bereits, wenn auch

behelfsmäßig, in das Kanalnetz der Stadt einbezogen. Somit war der

Inhaber der Kanalisation ebenfalls (Mit-)Inhaber des hier

interessierenden Rohres. Die Herrschaft über das gesamte Kanalsystem

der Gemeinde hat das Berufungsgericht indes rechtsfehlerfrei

zumindest auch der Beklagten zugerechnet.

[12] Wer die für die Inhaberstellung erforderliche

tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Rohrleitungsanlage besitzt,

lässt sich bei einem der Versorgung oder Entsorgung dienenden

Rohrleitungsnetz vielfach nicht ohne Blick auf die rechtlichen

Grundlagen einschließlich der von den Beteiligten hierzu getroffenen

Abreden feststellen. Das Eigentum an der Anlage kann zwar ein Indiz

sein, ist aber allein nicht entscheidend (Senatsurteile vom 14. Juli

1988 - III ZR 225/87 - NJW 1989, 104 und vom 7. Februar 2008 aaO Rn.

19). Der Senat hat es deswegen bei Anschlussleitungen zu den

Abnehmern einer Versorgungsanlage wesentlich von den Regelungen in

den Satzungen oder Versorgungsbedingungen der Unternehmen abhängig

gemacht, wo die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der

Versorgungsunternehmen endet und die des Anschlussnehmers beginnt

(Senatsurteil vom 1. Februar 2007 aaO und vom 7. Februar 2008 aaO

Rn. 17). Nichts anderes kann bei Unklarheiten über die

Inhabereigenschaft für die gesamte Versorgungs- oder

Entsorgungsanlage gelten.

[13] An diesen Grundsätzen hat sich das Berufungsgericht

zutreffend orientiert. Sein Auslegungsergebnis ist

revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf die Frage, ob die

Beklagte das Eigentum an ihrem Kanalnetz wirksam auf die

Entwässerung M. GmbH übertragen hat, worauf die Beschwerdebegründung

verweist, und ob eine dahingehende Behauptung überhaupt ihrem

Prozessvortrag im Berufungsverfahren hinreichend zu entnehmen ist,

kommt es nicht entscheidend an. Das räumt auch die Beschwerde ein.

Richtig ist weiter, dass der Entsorgungsvertrag zwischen der

Beklagten und ihren Stadtwerken offenbar im Sinne einer

vollständigen (eigenverantwortlichen) Übertragung der

Abwasserbeseitigung (Planung, Bau, Unterhaltung, Betrieb der

Anlagen) gemeint ist, so dass, wenn es nur hierauf ankäme, die

Eigenschaft als Inhaber des Kanalsystems auf die Stadtwerke GmbH

übergegangen wäre. Dem stehen jedoch mit dem Berufungsgericht die

Bestimmungen in der Entwässerungssatzung der Beklagten entgegen, die

- mit Rücksicht darauf, dass das Land Nordrhein-Westfalen von der in

§ 18a Abs. 2a WHG eingeräumten Möglichkeit zur Übertragung der

Abwasserbeseitigungspflicht auf private Dritte keinen Gebrauch

gemacht hat und allein gestattet, dass sich die Gemeinden zu ihrer

Erfüllung der Hilfe Dritter bedienen (§ 53 Abs. 1 Satz 3 NRW LWG) -

an einer zumindest gleichrangigen, wenn nicht übergeordneten

Verfügungsgewalt der Stadt über die Abwasseranlagen festhalten.

Besonders deutlich kommt dies in § 1 Abs. 1 der Satzung zum

Ausdruck, wonach "die Stadt" in ihrem Gebiet die Abwasserbeseitigung

betreibt und sich "zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht"

der Stadtwerke M. GmbH lediglich "bedient". Absatz 2 der Vorschrift

bestimmt wiederum die Stadt als diejenige, die die Abwasseranlagen

betreibt und unterhält. Erst in dem folgenden Absatz werden

Entscheidungen über Einzelheiten der Anlagen gleichermaßen der Stadt

und den Stadtwerken übertragen. Die Stadt entscheidet überdies nach

den §§ 3 bis 5 ihrer Entwässerungssatzung über den Anschluss der

Grundstücke und die einzuleitenden Abwässer. Zu Unrecht hält dem die

Beschwerde entgegen, das Berufungsgericht unterscheide nicht

zwischen der öffentlich-rechtlichen Abwasserbeseitigungspflicht nach

§ 53 NRW LWG und der haftungsrechtlichen Verantwortung nach § 2 Abs.

1 HPflG. Beides steht nicht unverbunden nebeneinander. Das

öffentlich-rechtliche Abwasserbeseitigungsrecht gibt den Rahmen vor,

in den sich das privatrechtliche Haftungsregime einfügen muss. Wenn

mit der Betriebspflicht die letzte Verantwortung für die Anlagen der

Gemeinde verbleibt, kann die Verfügungsgewalt nicht zugleich

privatrechtlich ausschließlich einem rechtlich selbständigen

Dritten, sei es auch einer Eigengesellschaft der Kommune, zugeordnet

werden (vgl. zu den Organisationsformen Dedy, in NWVBL 1993, 245

ff.; Queitsch, UPR 2000, 247 ff.; Zacharias, DÖV 2001, 454 ff.). Das

hat zur Folge, dass die beklagte Stadt nach außen hin zumindest

neben den von ihr als technische "Erfüllungsgehilfin"

eingeschalteten Stadtwerken "Herrin der Gefahr" blieb, sie daher

jedenfalls als Mitinhaberin des Kanalisationsnetzes im Sinne des § 2

Abs. 1 HPflG innerhalb ihres Gemeindegebiets anzusehen ist (siehe

auch zur Verantwortlichkeit des Abwasserbeseitigungspflichtigen aus

unerlaubter Handlung Senatsurteil BGHZ 149, 205, 211 ff.; zu § 22

Abs. 1 und 2 WHG; Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl., § 22 Rn. 6,

50 f.; anders für eine Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern offenbar

OLG Rostock VersR 2003, 909 f., das allerdings eine beiderseitige

Mitinhaberstellung nicht in Betracht zieht).

[14] 4. Ein Haftungsausschluss nach § 2 Abs. 3 Nr. 1

HPflG ist nicht gegeben. Der Schaden ist weder in einem Gebäude noch

innerhalb eines im Besitz des Inhabers der Anlage stehenden

befriedeten Grundstücks eingetreten. Auch zur Höhe der Ansprüche

erhebt die Beschwerde keine Rügen.

Wurm Kapsa Dörr

Herrmann Harsdorf-Gebhardt

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