IV AR(VZ) 1/07

28.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF

vom

28. März 2007

in dem Verfahren


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


EGGVG § 23 Abs. 1, VwGO § 40 Abs. 1


Bei Streitigkeiten über die Streichung aus der bei der Justizverwaltung geführten Liste beeidigter und ermächtigter Dolmetscher und Übersetzer ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.


BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - IV AR(VZ) 1/07 - OLG Frankfurt am Main


Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Felsch und Dr. Franke

am 28. März 2007

beschlossen:

Der vom Antragsteller zu den ordentlichen Gerichten beschrittene Rechtsweg ist unzulässig.

Die Sache wird an das Gericht des zulässigen Rechtsweges - das Verwaltungsgericht F. - verwiesen.

Gründe:

I. Der Antragsteller wurde im Jahre 1969 für die neuhebräische Sprache in die beim Landgericht F. geführte Liste der allgemein beeidigten Dolmetscher eingetragen. Für die Zeit seiner Eintragung war er zugleich ermächtigt, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Übersetzung einer Urkunde aus der neuhebräischen oder in diese Sprache zu bescheinigen.

Im September 2005 teilte der Antragsteller dem Präsidenten des Landgerichts F. mit, dass er beabsichtige, seine Vereidigung als Dolmetscher zurückzugeben. Daraufhin ordnete der Präsident des Landgerichts durch Verfügung vom 5. Oktober 2005 die Streichung im Verzeichnis der Dolmetscher an und widerrief die Ermächtigung des Antragstellers, die Richtigkeit und Vollständigkeit von Übersetzungen zu bescheinigen. Dem widersprach der Antragsteller. Im Folgenden stellte der Präsident des Landgerichts fest, dass der Antragsteller ab dem Jahre 1996 sechsmal wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt worden war, zuletzt durch Urteil des Landgerichts F. vom 24. Februar 2006 wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen. Der Präsident des Landgerichts ordnete daraufhin mit Verfügung vom 13. Juli 2006, dem Antragsteller zugestellt am 19. Juli 2006, erneut die Streichung des Antragstellers im Verzeichnis der vereidigten Dolmetscher und ermächtigten Übersetzer für die neuhebräische Sprache an unter Bezugnahme auf Abschnitt I Nr. 9 Satz 1 Buchst. c des Runderlasses des Ministeriums der Justiz über die Allgemeine Vereidigung und Verpflichtung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern und Ermächtigung und Verpflichtung von Übersetzerinnen und Übersetzern vom 18. November 2004 (JMBl. Hessen 2005, S. 38). Dagegen hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, der am 21. August 2006 - einem Montag - beim Oberlandesgericht eingegangen ist.

Das Oberlandesgericht hat die Sache dem Bundesgerichtshof gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG zur Entscheidung vorgelegt. Es hält den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für eröffnet und möchte über den Antrag in der Sache entscheiden. Es hat dazu ausgeführt: Verfügungen des Präsidenten des Landgerichts über die Vereidigung bzw. Ermächtigung von Dolmetschern und Übersetzern seien Justizverwaltungsakte, die der gerichtlichen Überprüfung im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG unterlägen; das gelte auch für die Streichung aus dem Verzeichnis der vereidigten Dolmetscher und ermächtigten Übersetzer. Das Verfahren der §§ 23 ff. EGGVG sei ein gerichtlicher Rechtsbehelf für den Fall, dass eine Justizbehörde eine Anordnung, Verfügung oder sonstige Maßnahme auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen oder zu treffen unterlassen habe. Die allgemeine Vereidigung und Verpflichtung eines Dolmetschers habe ihren Ursprung im Bereich des gerichtlichen Verfahrens- und Beurkundungsrechts. So brauche nach § 189 Abs. 2 GVG bei einer gerichtlichen Verhandlung der Dolmetscher nicht mehr vereidigt zu werden, wenn er sich auf den allgemein für die fragliche Sprache geleisteten Eid berufe. Das gelte gemäß § 8 FGG auch für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und im Beurkundungsverfahren vor dem Notar (§ 16 Abs. 3 BeurkG). Die allgemeine Vereidigung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern wirke auch für die Verfahren vor den Fachgerichtsbarkeiten vereinfachend, jedoch gehe dadurch die Anknüpfung an den oben beschriebenen Regelungsursprung nicht verloren.

Das Oberlandesgericht sieht sich mit dieser Auffassung jedoch im Widerspruch zu Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. Dezember 2005 (OLGR 2006, 407) und des Oberlandesgerichts Celle vom 16. Juli 1993 (NdsRpfl 1993, 295), die jedenfalls für den Fall der Streichung aus der beim Präsidenten des Landgerichts geführten Liste davon ausgegangen seien, dass der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei.

II. Die Vorlage ist zulässig. Ob in Fällen wie dem vorliegenden der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten oder zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, stellt eine von mehreren Oberlandesgerichten unterschiedlich beurteilte Rechtsfrage dar, ohne deren Beantwortung das weitere Verfahren nicht geführt werden kann; sie ist in den vom Oberlandesgericht angeführten Beschlüssen des Oberlandesgerichts Düsseldorf und des Oberlandesgerichts Celle, von denen das vorlegende Oberlandesgericht abweichen möchte, Grundlage der Entscheidung gewesen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Juli 2003 - IV AR(VZ) 1/03 - NJW 2003, 2989; vom 18. Februar 1998 - IV AR(VZ) 2/97 - ZIP 1998, 961 unter II 1; vom 22. September 1993 - IV ARZ(VZ) 1/93 - VersR 1994, 73; vom 8. November 1989 - IVa ARZ(VZ) 2/89 - NJW 1990, 841 unter 3).

III. Den vom Oberlandesgericht (so schon NJW-RR 1999, 646) in der Sache eingenommenen Standpunkt vermag der Senat hingegen nicht zu teilen. Die Auffassung des Oberlandesgerichts hat zwar in Literatur und Rechtsprechung Zustimmung gefunden (Saarbrücken OLGR 2005, 637; Kissel, GVG 4. Aufl., § 23 EGGVG Rdn. 116; Karlsruher Kommentar zur StPO/Schoreit, 5. Aufl., § 23 EGGVG Rdn. 61); die dazu vorgebrachten Argumente überzeugen indes nicht (a.A. auch OLG Celle aaO; OLG Düsseldorf aaO; VGH Mannheim NJW-RR 2006, 1143; VG Stuttgart Justiz 1979, 411; Eyermann/Fröhler/Rennert, VwGO 11. Aufl., § 40 Rdn. 127; MünchKomm-ZPO/Wolf 2. Aufl., § 23 EGGVG Rdn. 32).

1. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG entscheiden über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen werden (Justizverwaltungsakte), auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Dieser besonderen Rechtswegregelung liegt die Annahme zugrunde, dass die ordentlichen Gerichte den Verwaltungsmaßnahmen in den aufgeführten Gebieten sachlich näher stehen als die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit und über die zur Nachprüfung justizmäßiger Verwaltungsakte erforderlichen zivil- und strafrechtlichen Erkenntnisse und Erfahrungen verfügen. Die Bestimmung ist als Ausnahme zu § 40 Abs. 1 VwGO eng auszulegen (Senatsbeschluss vom 16. Juli 2003 aaO unter 4 m.w.N.); ihre Anwendung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich die vom Gesetz vorausgesetzte Sachnähe der zur

Überprüfung berufenen ordentlichen Gerichtsbarkeit tatsächlich feststellen lässt.

2. Davon ist hier nicht auszugehen. Die allgemeine Vereidigung und Ermächtigung von Dolmetschern und Übersetzern ist zwar nach Abschnitt I Nr. 1, II Nr. 2 des Hessischen Runderlasses dem Präsidenten des Landgerichts zugewiesen, in dessen Bezirk die betreffende Person ihre berufliche Niederlassung hat. Bei dem danach zuständigen Landgericht ist gemäß Abschnitt I Nr. 8, II Nr. 2 ein Verzeichnis der bei diesem allgemein vereidigten Dolmetscher und ermächtigten Übersetzer zu führen; nach Abschnitt I Nr. 9, II Nr. 2 hat der Präsident des Landgerichts unter bestimmten Voraussetzungen die Streichung des Dolmetschers oder Übersetzers in diesem Verzeichnis anzuordnen. Ist ein Dolmetscher auf diese Weise allgemein beeidigt, darf er sich bei Ausübung seiner Tätigkeit auf den einmal geleisteten Eid berufen (§ 189 Abs. 2 GVG). Ist er nach Landesrecht zugleich als Übersetzer ermächtigt, besteht nach § 142 Abs. 3 ZPO für die von ihm bescheinigten Übersetzungen die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit (Zöller/Gummer, ZPO 26. Aufl., § 142 Rdn. 6).

Die Bestimmung des § 189 Abs. 2 GVG findet aber nicht nur

innerhalb der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit (vgl. § 2 EGGVG) Anwendung; sie stellt daher auch keine Besonderheit dieser Gerichtsbarkeit dar. Vielmehr enthalten die Verfahrensordnungen der Fachgerichtsbarkeiten Regelungen, die auf § 189 GVG verweisen und die Bestimmung damit zum Bestandteil der jeweiligen Prozessordnung machen (§§ 55 VwGO, 52 Abs. 1 FGO, 61 Abs. 1 SGG, 9 Abs. 2 ArbGG). Ebenso ist nach dem Gedanken der Einheitlichkeit des Prozessrechts (Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl. § 173 Rdn. 2) die Regelung des § 142 Abs. 3 ZPO in den Verfahrensordnungen der Fachgerichtsbarkeiten entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 1 VwGO, ausdrücklich BVerwG NJW 1996, 1553; § 160 FGO, § 202 SGG, § 46 Abs. 2 ArbGG).

3. Die vom Antragsteller angegriffene Verfügung des Präsidenten des Landgerichts ist schon deshalb nicht (ausschließlich) auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts getroffen. Sie hat zwar auch Auswirkungen auf den Zivilprozess einschließlich der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 8, 9 FGG, 16 Abs. 3 BeurkG), ohne aber ihre Wirkungen darauf zu beschränken. Das indes kann den nach § 23 EGGVG nur ausnahmsweise gegebenen Rechtsweg nicht eröffnen und Streitigkeiten

über die Beeidigung und Ermächtigung von Dolmetschern und Übersetzern aus der Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit herausnehmen; es bedarf insbesondere auch keiner besonderen Erkenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit, um über die Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahme entscheiden zu können. Dem Präsidenten des Landgerichts sind keine spezifischen justizmäßigen Aufgaben übertragen, die eines der in § 23 Abs. 1 EGGVG enumerativ aufgeführten Rechtsgebiete betreffen; es ist daher nicht erforderlich, die Entscheidungskompetenz der ordentlichen Gerichte aus Gründen der Sachnähe zu erweitern und aus der Kompetenz der Verwaltungsgerichtsbarkeit auszugliedern (vgl. BGHZ 105, 395, 399; BGHSt 44, 107, 112 f., BGHSt 46, 261, 262 f.).

IV. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 3 EGGVG entscheidet der Bundesgerichtshof anstelle des Oberlandesgerichts. Der Senat hatte daher auszusprechen, dass der vom Antragsteller beschrittene Rechtsweg unzulässig ist. Zugleich hatte er von Amts wegen, ohne dass es dazu eines Antrages des Antragstellers bedurfte, den Rechtsstreit an das gemäß § 52 Nr. 3 Satz 2, 5 VwGO zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen (§ 17a Abs. 2 Satz 2, 4 GVG; Senatsbeschluss vom 16. Juli 2003 aaO unter 5.).

Seiffert Wendt Dr. Kessal-Wulf

Felsch Dr. Franke

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