IX ZB 181/04
BUNDESGERICHTSHOF
vom
14. Februar 2008
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 574 Abs. 2
Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen der kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde gegen die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters.
BGH, Beschluss vom 14. Februar 2008 - IX ZB 181/04 - LG Hof, AG Hof
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 14. Februar 2008
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hof vom 6. Juli 2004 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 189.892,82 festgesetzt.
Gründe:
[1] Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
[2] 1. Hinsichtlich der Berechnungsgrundlage stellen sich keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, und zwar auch dann nicht, wenn die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung Anwendung fände (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 11. Oktober 2007 - IX ZB 15/07, ZIP 2007, 2226, 2227). Nach den früheren Fassungen der Verordnung war die Bearbeitung von Aus- oder Absonderungsrechten durch den vorläufigen Insolvenzverwalter für dessen Vergütung nur dann relevant, wenn ihn diese Aufgabe erheblich, nämlich über das gewöhnliche Maß hinaus in Anspruch genommen hat (BGHZ 165, 266, 271 f; 168, 331, 333 - die Entscheidung BGHZ 146, 165 ff, auf die sich die Rechtsbeschwerde bezieht, war dadurch überholt). Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 InsVV in der derzeit geltenden Fassung sollen Vermögensgegenstände, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, nur dann zur Berechnungsgrundlage hinzugerechnet werden, wenn sich der vorläufige Insolvenzverwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst. Mehr als eine nur nennenswerte Befassung hatte der weitere Beteiligte in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet. Eine nicht erhebliche Befassung rechtfertigt auch keinen Zuschlag (BGH, Beschl. v. 11. Oktober 2007, aaO).
[3] 2. Hinsichtlich der Bemessung der Vergütungshöhe sind Zulässigkeitsgründe ebenfalls nicht ersichtlich. Die Beurteilung, ob und in welcher Höhe Zu- oder Abschläge auf den Regelsatz der Vergütung vorzunehmen sind, obliegt dem Tatrichter. Sie kann mit der Rechtsbeschwerde nur angegriffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass ein falscher Maßstab angewendet worden ist (z.B. BGH, Beschl. v. 28. September 2006 - IX ZB 230/05, WM 2007, 24, 25). Diese Gefahr zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
[4] a) Insolvenz- und Beschwerdegericht müssen in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung von Überschneidungen und einer aufs Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag oder den Gesamtabschlag festlegen (BGH, Beschl. v. 11. Mai 2006 - IX ZB 249/04, NZI 2006, 464 f; v. 1. März 2007 - IX ZB 277/05, n.v., Rn. 8). Die Bestimmung einzelner Zu- und Abschläge ist nicht zu beanstanden, aber auch nicht erforderlich. Eine Bindung an "Faustregel-Tabellen" besteht nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 11. Mai 2006 - IX ZB 249/04, aaO; Beschl. v. 1. März 2007 - IX ZB 277/05, Rn. 8).
[5] b) Soweit das Insolvenz- oder das Beschwerdegericht einzelne Zu- oder Abschläge festlegt, bereiten diese die danach immer noch erforderliche, notwendig auf den Einzelfall bezogene Gesamtbetrachtung nur vor. Für die nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO darzulegenden Zulässigkeitsgründe reicht es deshalb nicht aus, dass die Rechtsbeschwerde einzelne Zuschläge für zu niedrig hält und weitere Zuschläge fordert. Dass das Beschwerdegericht wesentlich auf die ungewöhnlich kurze Dauer der vorläufigen Verwaltung abgestellt hat, ist nicht willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG).
[6] c) Der Senat hat bereits entschieden, dass die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts für sich genommen nicht zu einer Erhöhung der Vergütung des vorläufigen Verwalters führt (BGH, Beschl. v. 17. Juli 2003 - IX ZB 10/03, ZIP 2003, 1612; v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 268/04, WM 2006, 534, 536). Vielmehr kommt es auf die konkrete Art und Weise an, wie der vorläufige Verwalter von seinen Befugnissen Gebrauch gemacht hat. Das Leistungsbild der entfalteten Verwaltertätigkeit muss im Einzelfall gewürdigt und zu dem Grundsatz der leistungsangemessenen Vergütung in Beziehung gesetzt werden (BGH, Beschl. v. 17. Juli 2003, aaO). Welche Anforderungen insoweit an die Begründung des Vergütungsantrags gestellt werden, ist eine Frage des Einzelfalls und entzieht sich der Festlegung durch das Rechtsbeschwerdegericht (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005, aaO).
[7] d) Die Frage, ob unter das Erhöhungskriterium "mehrere Betriebsstätten" auch Lager- und Arbeitsstätten (z.B. Baustellen) zu rechnen sind, stellt sich nicht, weil der weitere Beteiligte für die Betriebsfortführung einen Zuschlag erhalten hat. Dabei ist der Umfang des Betriebes - also das Vorhandensein mehrerer Baustellen - bereits berücksichtigt worden.
[8] e) Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Vorbereitung einer übertragenden Sanierung sei bei der Vergütung des vorläufigen Verwalters nicht zu berücksichtigen, wenn die Übertragung selbst erst im eröffneten Verfahren erfolgt. Der Senat hat eine Erhöhung der Vergütung des vorläufigen Verwalters in einem solchen Fall für zulässig gehalten, allerdings auch darauf hingewiesen, dass diese Tätigkeit dann bei der Vergütung des endgültigen Verwalters nicht mehr berücksichtigt werden darf (BGH, Beschl. v. 8. Juli 2004 - IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555, 1557). Im Ergebnis hat sich dieser (mögliche) Fehler nicht ausgewirkt. Das Beschwerdegericht hat die Ablehnung eines Zuschlags auch damit begründet, dass der Umfang der behaupteten Tätigkeit weder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden und nicht erwiesen sei. Insoweit sind Zulässigkeitsgründe nicht ersichtlich.
[9] f) Für erhöhten Aufwand bei der Erstellung des Inventars kann ein vorläufiger Verwalter nur dann eine Erhöhung seiner Vergütung verlangen, wenn er für diese Tätigkeit nicht schon als Gutachter entschädigt worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 29. April 2004 - IX ZB 225/03, WM 2004, 1390, 1391; v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 268/04, WM 2006, 534, 536). Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass der weitere Beteiligte in seiner Eigenschaft als Gutachter einen weiteren Sachverständigen mit der Inventarisierung beauftragt hat. Welche zusätzlichen Tätigkeiten der weitere Beteiligte in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter entfaltet haben soll, ergibt sich aus dem von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Tatsachenvortrag nicht. Insbesondere hat der weitere Beteiligte nicht behauptet, dass fünf Rechtsanwälte und weitere Mitarbeiter nahezu ausschließlich mit der Errichtung des Inventars befasst gewesen seien.
[10] g) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass die Vergütung eines vorläufigen Verwalters dann zu kürzen sei, wenn sie die im Gutachten ermittelten Verfahrenskosten erheblich übersteige. Ob dem zu folgen ist, kann offen bleiben. Das Beschwerdegericht hat den zu niedrigen Ansatz insbesondere deshalb beanstandet, weil im Gutachten jegliche Hinweise auf eine Überschreitung der Regelvergütung und anfallende Zuschläge gefehlt hätten, hat aber gleichwohl teils die beantragten Zuschläge zuerkannt, teils die ablehnende Entscheidung sachlich begründet. Es handelt sich damit um eine allgemein gehaltene Hilfsbegründung, die auf die Bemessung der Gesamtvergütung keinen Einfluss hatte. Gegenteiliges zeigt auch die Rechtsbeschwerde nicht auf.
[11] h) Hinsichtlich der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes hat das Beschwerdegericht hauptsächlich darauf abgestellt, dass der weitere Beteiligte "höchstens zehn Tage tätig geworden" sei. Ob dies in jeder Hinsicht sachgerecht ist, kann dahinstehen. Entscheidend ist auch insoweit der tatsächliche Aufwand des vorläufigen Verwalters zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes. Darauf ist das Beschwerdegericht in einer Hilfsbegründung eingegangen: Wie komplex sich die Verhandlungen des weiteren Beteiligten gestaltet hätten, habe er nicht dargelegt. Ein Zulässigkeitsgrund ist auch insoweit nicht ersichtlich.
[12] 3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Ganter Raebel Kayser
Cierniak Lohmann