IX ZB 221/03

08.11.2007

BUNDESGERICHTSHOF

vom

8. November 2007

in dem Vollstreckungsschutzverfahren

während des Insolvenzverfahrens


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


InsO § 36 Abs. 1


Ausgezahlte Beihilfen des Dienstherrn für Aufwendungen im Krankheitsfall gehören zur Insolvenzmasse eines Beamten, der Anspruch auf diese Leistung jedoch erst, wenn sich seine Zweckbindung zugunsten des Gläubigers, dessen Forderung als Aufwand der konkreten Beihilfegewährung zugrunde liegt, erledigt hat.


BGH, Beschluss vom 8. November 2007 - IX ZB 221/03 - LG Waldshut-Tiengen, AG Waldshut-Tiengen


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann

am 8. November 2007

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 1. September 2003 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.486,94 € festgesetzt.

Gründe:

[1] I. Über das Vermögen des Schuldners wurde am 12. August 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Februar 2003 erhielt der Schuldner beamtenrechtliche Beihilfeleistungen für eigene ärztliche Behandlungen und ärztliche Behandlungen seiner Angehörigen von zusammen 1.486,94 €, die seinem Konto bei der Commerzbank gutgebracht wurden. Für zahnärztliche Leistungen nach Insolvenzeröffnung war gegen den Schuldner noch eine Forderung von 236,89 € offen sowie für ärztliche Leistungen gegenüber seiner Ehefrau vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein weiterer Betrag von 1.371,99 €. Diese Forderungen waren nicht Anlass der gewährten Beihilfe.

[2] Der Schuldner hat unter Bezug auf § 765a ZPO bei dem Insolvenzgericht beantragt, ihm die gewährte Beihilfe von 1.486,94 € pfandfrei zu belassen, hilfsweise einen Teil von 236,89 € zum Ausgleich seiner zahnärztlichen Behandlungskosten und den überschießenden Betrag bis 1.486,94 € zur Berichtigung der genannten Arztkosten seiner Ehefrau freizugeben. Das Insolvenzgericht hat diese Anträge durch die Rechtspflegerin abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seine abgelehnten Anträge weiter.

[3] II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 Abs. 1 bis 3 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

[4] 1. Das Verfahren des Amtsgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zuständig war gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht und hier für den Schutzantrag des Schuldners gemäß § 20 Nr. 17 Satz 1 RpflG die tätig gewordene Rechtspflegerin. Dagegen rügt die Rechtsbeschwerde auch nichts.

[5] 2. Die maßgebenden zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorfragen für die Pfändbarkeit der beamtenrechtlichen Krankenbeihilfe sind durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 5. November 2004 (IXa ZB 17/04, WM 2005, 181, 182) - hier im Ergebnis zu Lasten des Schuldners - geklärt. Weder nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850f Abs. 1 ZPO noch nach § 765a ZPO kann seinen Anträgen entsprochen werden. Hat der Dienstherr - wie im Beschwerdefall - die Beihilfe an den Schuldner bereits ausgezahlt, so dass der konkrete Beihilfeanspruch durch die Zahlung erloschen ist, hat sich die Zweckbindung dieses Anspruchs erledigt. Gläubiger des Beihilfeberechtigten können ohne Hinderung durch § 851 Abs. 1 ZPO auf entsprechende Zahlungsmittel oder Kontoguthaben zugreifen. Sie gehören gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO auch zur Insolvenzmasse.

[6] Für die Gläubiger, deren Begünstigung der Schuldner mit seinem Hilfsantrag erstrebt, war schon der vom Dienstherren erfüllte Beihilfeanspruch nach § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar; denn sie waren nicht Anlassgläubiger, deren Forderungen diesem konkreten Beihilfeanspruch zugrunde lagen. Es gibt keinen sachlichen Grund, der eine Bevorzugung dieser Gläubiger in der Insolvenz des Schuldners rechtfertigen könnte.

[7] Die Rechtsbeschwerde verkennt mit ihren Ausführungen, die allerdings den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 5. November 2004 (aaO) noch nicht berücksichtigen konnten, dass der insolvente Beamte trotz Massezugehörigkeit der ausgezahlten Beihilfe in seiner Krankenversorgung wirtschaftlich gesichert ist. Denn für den Anlassgläubiger ist der noch nicht erfüllte konkrete Beihilfeanspruch, dem seine Forderung zugrunde liegt, gemäß § 850a Nr. 5 ZPO und § 1 Abs. 3 BhV pfändbar (BGH, Beschl. v. 4. November 2004, aaO). Allein an den Anlassgläubiger kann der konkrete Beihilfeanspruch gemäß § 400 BGB auch sicherungs- oder erfüllungshalber abgetreten werden (BGH, aaO S. 183). Diese Rechtshandlungen unterliegen nicht der Anfechtung, weil sie den zweckgebundenen und deshalb nach § 851 Abs. 1 ZPO nur relativ pfändbaren Anspruch betreffen. Es fehlt insoweit an der objektiven Gläubigerbenachteiligung, welche die Anfechtung nach § 129 Abs. 1 InsO voraussetzt.

Fischer Raebel Kayser

Cierniak Lohmann

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