IX ZB 221/09

12.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF

vom

12. Mai 2011

in dem Verbraucherinsolvenzverfahren


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


InsO § 290 Abs.1 Nr. 3


Nimmt der Schuldner seinen Antrag auf Restschuldbefreiung zurück, ist ein neuer Antrag erst nach Ablauf einer Sperrfrist von drei Jahren zulässig.


BGH, Beschluss vom 12. Mai 2011 - IX ZB 221/09 - AG Hameln, LG Hannover


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring

am 12. Mai 2011

beschlossen:

Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten zu 1 werden der Beschluss der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 16. September 2009 und der Beschluss des Amtsgerichts Hameln vom 4. Mai 2009 aufgehoben.

Der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung wird als unzulässig verworfen.

Der Schuldner trägt die Kosten beider Rechtsmittelverfahren.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 ? festgesetzt.

Gründe:

[1] I. Im November 2003 beantragte der Schuldner erstmals die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie Restschuldbefreiung. Im Schlusstermin am 16. August 2004 beantragte die weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Gläubigerin), die Restschuldbefreiung zu versagen. Am 15. April 2005 nahm der Schuldner seinen Antrag auf Restschuldbefreiung zurück. Das Insolvenzverfahren wurde am 12. Januar 2006 nach der Schlussverteilung aufgehoben.

[2] Am 10. April 2007 beantragte der Schuldner erneut die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen, Restschuldbefreiung sowie Stundung der Verfahrenskosten. Am 8. August 2007 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2 zum Treuhänder bestellt; die Verfahrenskosten wurden gestundet. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Eröffnungsbeschluss blieb ohne Erfolg.

[3] Die Gläubigerin hat beantragt, die Restschuldbefreiung zu versagen. Mit Beschluss vom 4. Mai 2009 hat das Insolvenzgericht den Antrag zurückgewiesen und Restschuldbefreiung angekündigt. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Gläubigerin weiterhin die Versagung der Restschuldbefreiung erreichen.

[4] II. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 289 Abs. 2, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen. Der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung ist unzulässig.

[5] 1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, die Zulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung sei nicht mehr zu prüfen, nachdem der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestandskräftig geworden sei. Dies trifft nicht zu. Der Eröffnungsantrag hätte zwar - ebenso wie die Anträge auf Stundung der Verfahrenskosten und auf Restschuldbefreiung - als unzulässig verworfen werden müssen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht jedoch keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung getroffen. Dass dem Eröffnungsbeschluss die Annahme, der Antrag auf Restschuldbefreiung sei nicht von vornherein unzulässig, zugrunde gelegen haben mag, reicht insoweit nicht aus. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Eröffnungsbeschluss hat das Beschwerdegericht folgerichtig mit der (für sich genommen zutreffenden) Begründung als unzulässig verworfen, die Gläubigerin sei nicht beschwerdebefugt (§ 34 Abs. 2, § 6 InsO).

[6] 2. Ein Antrag auf Restschuldbefreiung ist unzulässig, wenn er innerhalb von drei Jahren nach rechtskräftiger Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung seiner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten gestellt worden ist (§ 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO analog; vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 - IX ZB 219/08, BGHZ 183, 13 Rn. 11 ff). Gleiches gilt, wenn der Restschuldbefreiungsantrag in dem früheren Verfahren als unzulässig verworfen worden ist (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 89/09, NZI 2010, 153). Stellt der Schuldner in einem vorangegangenen Insolvenzverfahren über sein Vermögen keinen Antrag auf Restschuldbefreiung, gilt die Sperrfrist von drei Jahren ebenfalls (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 - IX ZB 174/09, NZI 2010, 195 Rn. 8).

[7] Stellt der Schuldner - wie im vorliegenden Fall - im Erstverfahren einen Antrag auf Restschuldbefreiung, nimmt er diesen Antrag dann aber zurück, um so eine Entscheidung des Insolvenzgerichts über einen Versagungsantrag zu verhindern, kann nichts anderes gelten (Pape in Festschrift Ganter, 2010, S. 315, 335 f). Es steht nicht im Belieben des Schuldners, neue Verfahren einzuleiten, um die an zeitliche Fristen geknüpften Versagungstatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 InsO zu umgehen und durch eine Anpassung der tatsächlichen Grundlagen nachträglich eine Restschuldbefreiung zu erreichen (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009, aaO Rn. 9 f). Die Sperrfrist von drei Jahren beginnt in einem solchen Fall mit der Rücknahme des Antrags auf Restschuldbefreiung.

[8] Hier wurde der Antrag im ersten Insolvenzverfahren am 15. April 2005 zurückgenommen. Der bereits am 10. April 2007 gestellte neue Antrag auf Restschuldbefreiung war damit unzulässig.

[9] III. Der angefochtene Beschluss kann damit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat

selbst in der Sache zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO). Der Antrag auf Restschuldbefreiung ist unter Aufhebung auch der Entscheidung des Insolvenzgerichts als unzulässig zu verwerfen.

Kayser Vill Lohmann

Pape Möhring

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