IX ZR 100/03

10.02.2005

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

10. Februar 2005

PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein


DDR-GesO § 9 Abs. 1 Satz 3 (InsO § 106 Abs. 1); BGB § 883


Hat der Schuldner auf einem von ihm gekauften Grundstück dem Kreditgeber eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Grundschuld bewilligt, so ist diese Vormerkung unwirksam, wenn der Eintragungsantrag erst nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens beim Grundbuchamt eingegangen ist und zu diesem Zeitpunkt noch der Verkäufer Eigentümer des Grundstücks war.


BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 - IX ZR 100/03 - Kammergericht, LG Berlin


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Kammergerichts vom 27. März 2003 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 8. November 2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der M. GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin kaufte 1993 von der Stadt B. großflächige Ländereien für den Betrieb einer Ziegelei. Die Klägerin bewilligte der Schuldnerin hierfür einen Investitionskredit von 50 Mio. DM. Diesen sollte die hierzu bevollmächtigte Schuldnerin durch erstrangige Grundpfandrechte auf dem angekauften Grundbesitz sichern. Zu dem verkauften Grundbesitz gehörte auch der größere Teil des auf Bl. 2322 im Grundbuch von B. unter lfd. Nr. 5 des Bestandsverzeichnisses eingetragenen Grundstücks, damals Flurstück Flur 3 Nr. 130/6 (künftig Streitgrundstück), aus dem noch eine Teilfläche von ca. 250 qm als Straßenland herausgemessen werden mußte. Mit notarieller Urkunde vom 11. August 1994 bestellte eine Notargehilfin aufgrund der ihr im Kaufvertrag erteilten Vollmacht die vorgesehene Buchgrundschuld zugunsten der Klägerin auf diesem Grundbesitz (irrtümlich bezeichnet als Teilfläche von ca. 250 qm) und bewilligte die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung der Rechte aus der Grundschuldbestellung. Der Urkundsnotar stellte mit Schreiben vom 24. August 1994 Grundbuchanträge, welche die Klägerin auch auf das Streitgrundstück beziehen will. Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 21. Dezember 1998 wurde am 23. Dezember 1998 die Eintragung der im Kaufvertrag bewilligten Auflassungsvormerkung für die Gemeinschuldnerin beantragt. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1998, beim Grundbuchamt eingegangen am 28. Dezember 1998, beantragte die Klägerin die Eintragung der Grundschuld im Grundbuch des Streitgrundstücks, hilfsweise die der zu ihren Gunsten bewilligten Grundschuldbestellungsvormerkung. Am 30. Dezember 1998 wurde im Grundbuch des Streitgrundstücks der Anspruch der Klägerin auf Eintragung einer brieflosen Gesamtgrundschuld in Höhe von 50 Mio. DM mit Vorrang vor der am gleichen Tage eingetragenen Auflassungsvormerkung der Schuldnerin vorgemerkt.

Der Beklagte veräußerte das Streitgrundstück nebst aufstehendem Ziegelwerk und Verwaltungsgebäude mit Zustimmung der Klägerin lastenfrei. Über das Anrecht auf den erzielten Erlös, den der Beklagte nach Abzug von 500.000 DM treuhänderisch für die Beteiligten verwaltet, streiten die Parteien mit Klage und Widerklage. Sie stimmen darin überein, daß der streitige Weiterveräußerungserlös der Klägerin zusteht, wenn ihre Vormerkung zur Sicherung des Grundschuldbestellungsanspruchs dem Beklagten gegenüber wirksam war.

Der Beklagte meint, zumindest den Vorrang gegenüber der für die Masse eingetragenen Auflassungsvormerkung habe die Vormerkung der Klägerin ohne seine Zustimmung nicht erlangt. Das Grundbuch sei insoweit unrichtig.

Das Landgericht hat zugunsten des Beklagten erkannt. Das Kammergericht hat den Beklagten verurteilt, der Auszahlung des Verwahrgeldes an die Klägerin zuzustimmen, und die Widerklage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten ist begründet.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe wirksam und insolvenzfest am 30. Dezember 1998 die Vormerkung zur Sicherung eines Grundschuldbestellungsanspruchs an dem späteren Grundstück Blatt 2455 des Grundbuchs von B. , Bestandsverzeichnis Nr. 14, erlangt. Die Schuldnerin habe daher aufgrund ihrer mit Nachrang eingetragenen Auflassungsvormerkung nur belastetes Eigentum erworben. Daran ändere sich auch nichts Wesentliches, wenn das Grundbuchamt, wozu es nach Auffassung beider Tatsacheninstanzen verpflichtet war, die Auflassungsvormerkung ohne Rangvermerk eingetragen haben würde. Selbst bei Nachrang der Grundschuldbestellungsvormerkung habe dem Beklagten aus der Auflassungsvormerkung kein Anspruch auf Löschung der widerstreitenden Vormerkung zugestanden, weil er kaufvertraglich nur Anspruch auf Verschaffung des in Ausnutzung der Beleihungsvollmacht belasteten Grundstücks gehabt habe. Demgemäß sei die Klägerin nach der Vereinbarung der Parteien vom 29. Dezember 1998 an dem hierauf entfallenden Kaufpreisanteil besser berechtigt und könne von dem Beklagten die geltend gemachte Zustimmung zur Auszahlung der hinterlegten Gelder verlangen.

Demgegenüber ist die Revision der Auffassung, daß die Bewilligung der Grundschuldbestellungsvormerkung in der Urkunde des Notars K. vom 11. August 1994 - Urkundenrolle Nr. K 451/1994 -durch die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Käuferin unwirksam geworden sei, obwohl das belastete Grundstück zu der Zeit nicht zur Gesamtvollstreckungsmasse gehört habe. Der Unwirksamkeit stehe auch § 878 BGB nicht entgegen, weil der maßgebliche Eintragungsantrag für die Grundschuldbestellungsvormerkung erst am 28. Dezember 1998 - nach der Verfahrenseröffnung - eingereicht worden sei.

II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Klage ist unbegründet.

Die Vormerkung der Klägerin zur Sicherung ihres Anspruchs auf Bestellung einer Grundschuld ist zu Unrecht im Grundbuch eingetragen. Denn sie ist zu dem gesicherten Anspruch streng akzessorisch. Besteht er nicht, so ist auch die Vormerkung wirkungslos (BGHZ 143, 175, 179; 150, 138, 142 m.w.N., st. Rspr.).

Die Grundschuld sollte hier die Rückzahlung des Investitionskredits der Schuldnerin an die Klägerin sichern. Die Schuldnerin war der Klägerin daher zur Bestellung dieses Grundpfandrechts sicherungsvertraglich verpflichtet. Diesen Grundschuldbestellungsanspruch hatte die Schuldnerin im Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens für das Streitgrundstück noch nicht erfüllt. Der Anspruch war auch noch nicht durch Eintragung einer Vormerkung zugunsten der Klägerin gesichert. Die eingetragene Vormerkung hätte den Beklagten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 GesO zur Erfüllung des vormerkungsgesicherten Anspruchs verpflichtet, obwohl das verpfändete Grundstück noch nicht der Schuldnerin gehörte. Diese Vorschrift entspricht nach Inhalt und Zweck den §§ 24 KO, 106 InsO (BGHZ 138, 179, 186). Die Erfüllungspflicht des Verwalters kommt nur in Frage, wenn die Vormerkung bereits vor der Verfahrenseröffnung eingetragen gewesen ist (vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 24 Rn. 19; MünchKomm-InsO/Ott § 106 Rn. 14; siehe außerdem BGHZ 149, 1, 5 f).

Auch der Schutzgedanke des § 878 BGB kommt hier nicht zur Geltung. Zwar findet die Vorschrift auf die Bewilligung einer Vormerkung entsprechende Anwendung (BGHZ 28, 182, 186; 60, 46, 50; 131, 189, 197). Eine nach Insolvenzeröffnung eingetragene Vormerkung hat daher Bestand, wenn eine bindende Bewilligung vorliegt und ihre Eintragung vor dem Eröffnungszeitpunkt beantragt war (§ 15 Satz 2 KO, § 91 Abs. 2 InsO analog; vgl. BGHZ 138, 179, 186). Ob dies auch für den Grundschuldbestellungsanspruch der Klägerin gilt, der sich auf ein noch nicht massezugehöriges Grundstück bezog, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Voraussetzungen des § 878 BGB liegen nicht vor, weil die Eintragung der Grundschuldbestellungsvormerkung erst nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens beantragt worden ist. Der von den Parteien unterschiedlich gewertete Eintragungsantrag des Notars vom 24. August 1994 hat sich nach den eindeutigen Flurstücksangaben nicht auf das Streitgrundstück bezogen. Dies hat schon das Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen. Der Senat kann diese im Berufungsverfahren offengebliebene Auslegung des Antragsschreibens selbst nachholen und beantwortet die Frage in Übereinstimmung mit dem Landgericht. Ein Eintragungsantrag für die Grundschuldbestellungsvormerkung der Klägerin ist danach vor ihrem eigenen Schreiben vom 23. Dezember 1998 nicht gestellt worden. Der Beklagte ist ferner nicht deshalb zur Erfüllung des erst nach Verfahrenseröffnung vorgemerkten Anspruchs der Klägerin verpflichtet, weil das vormerkungsbelastete Grundstück selbst noch nicht zur Gesamtvollstreckungsmasse gehörte, sondern zu ihren Gunsten lediglich ein Erwerbsanspruch und eine vollmachtgestützte Verfügungsmöglichkeit bestand. Da es hiernach nicht um den Schutz der Klägerin vor den Verfügungsbeschränkungen des § 5 Satz 2 Nr. 1 und 2 GesO (vgl. BGHZ 137, 267, 286) geht, kommt zu ihren Gunsten auch ein gutgläubiger Erwerb der Vormerkung nach § 892 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB nicht in Frage.

Der bei Verfahrenseröffnung noch nicht vorgemerkte Grundschuldbestellungsanspruch der Klägerin war in der Gesamtvollstreckung der Schuldnerin gegen den Beklagten nicht mehr durchsetzbar. Der Grundschuldbestellungsanspruch war mithin nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin auch nicht mehr vormerkungsfähig. Die gleichwohl eingetragene Vormerkung der Klägerin war von Anfang an wirkungslos. Der Beklagte war daher nach § 886 BGB berechtigt, mit Rücksicht auf seine nachrangig eingetragene Auflassungsvormerkung von der Klägerin die Beseitigung ihrer eingetragenen Grundschuldbestellungsvormerkung zu verlangen. Das landgerichtliche Urteil ist im Ergebnis richtig und - da die Sache spruchreif ist - durch den Senat wiederherzustellen.

Fischer Ganter Raebel

Kayser Cierniak

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