IX ZR 220/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am:
10. Dezember 2009
PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
InsO § 61
Können die Vergütung und Auslagen eines Zwangsverwalters aus der Insolvenzmasse nicht oder nicht voll erfüllt werden, so haftet der Insolvenzverwalter hierfür dem Zwangsverwalter nicht deswegen, weil er die Zwangsverwaltung beantragt hatte.
InsO § 60
Den Insolvenzverwalter trifft keine insolvenzspezifische Haftung für Ausfallansprüche des mit der Verwaltung eines massezugehörigen Grundstücks beauftragten Zwangsverwalters.
BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - IX ZR 220/08 - LG Neuruppin, AG Perleberg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 29. Oktober 2008 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[1] Der Beklagte ist Verwalter in dem am 4. August 2000 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. GmbH. In diesem Verfahren zeigte er am 22. Dezember 2003 Masseunzulänglichkeit an. Diese Anzeige wurde am 14. Januar 2004 öffentlich bekannt gemacht. Am 21. Juli 2004 beantragte er aufgrund einer zugunsten der Masse eingetragenen Grundschuld, die den Anspruch auf Einzahlung des halben Stammkapitals der Schuldnerin sicherte, die Anordnung der Zwangsverwaltung über ein dem Gesellschafter R. E. gehörendes Grundstück, das dieser mit seiner Familie bewohnte. Mit Anordnungsbeschluss vom 23. August 2004 bestellte das Amtsgericht Neuruppin den Kläger zum Zwangsverwalter. Nach vergeblichen Aufforderungen, eine Kostendeckungszusage für eine Gebäude- sowie eine Haus- und Grundbesitzerversicherung abzugeben, nahm der Beklagte mit Schriftsatz vom 9. September 2004 den Zwangsverwaltungsantrag zurück. Einnahmen aus der Zwangsverwaltung, aus denen der Kläger seinen Vergütungsanspruch hätte befriedigen können, gab es nicht. Der Kläger forderte den Beklagten auf, die festgesetzte Vergütung aus der Masse zu bezahlen. Dieser weigerte sich unter Hinweis auf die bestehende Masseunzulänglichkeit. Mit der Klage verlangt der Kläger vom Beklagten persönlich Begleichung seines Vergütungs- und Auslagenersatzanspruchs.
[2] In erster Instanz hat die Klage Erfolg gehabt. Auf die Berufung des Beklagten hat sie das Landgericht abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
[3] Die Revision hat keinen Erfolg.
[4] I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts haftet der Beklagte weder nach §§ 60, 61 InsO noch nach § 826 BGB auf Schadensersatz. Eine Haftung komme insbesondere nicht aus § 61 InsO in Betracht. Diese Vorschrift schütze Massegläubiger, die aufgrund einer Unternehmensfortführung das Vermögen der Masse mehrten oder dieser sonst einen Vorteil verschafften. Es erscheine zweifelhaft, ob die aus der Tätigkeit eines Zwangsverwalters der Masse zufließenden Vorteile allein ausreichten, um ihn mit Personen gleichzusetzen, die vertragliche Geschäftsbeziehungen mit einem insolventen Unternehmen unterhielten. Der Zwangsverwalter sei aufgrund seiner rechtlichen Stellung nicht mit einem Vertragspartner zu vergleichen. Er erhalte sein Amt durch das Gericht und handele frei von der Einflussnahme der Vollstreckungsbeteiligten. Entscheidend sei, dass er hinsichtlich seiner Vergütung bereits einen hinreichenden gesetzlichen Schutz genieße. Er sei ermächtigt, den Kostenaufwand für seine Vergütung direkt aus den Nutzungen des Grundstücks zu bestreiten. Reichten diese nicht aus, könne er die Einzahlung eines Kostenvorschusses durch den Gläubiger herbeiführen, dem andernfalls die Verfahrenseinstellung drohe. Eines weitergehenden Schutzes durch Rückgriff auf den Insolvenzverwalter persönlich bei erlittenem Ausfallschaden bedürfe es nicht. Soweit es eine Lücke bei der Deckung seines Anspruchs auf Mindestvergütung im Fall der Masseinsuffizienz geben könne, sei dies hinzunehmen.
[5] II. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
[6] 1. Obwohl es sich bei dem Zwangsverwaltervergütungsanspruch des Klägers nach Uneinbringlichkeit aus der verwalteten Masse um eine Masseverbindlichkeit handelt (BGH, Urt. v. 17. Juni 2004 - IX ZR 218/03, ZIP 2004, 1521), scheidet ein Anspruch nach § 61 InsO aus.
[7] Das Berufungsgericht ist mit Recht von der Unanwendbarkeit des § 61 InsO auf den Anspruch des Klägers ausgegangen. Die Vorschrift gewährt Massegläubigern, deren Forderungen durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden sind, die jedoch aus der Masse nicht voll erfüllt werden, einen Ausgleichsanspruch gegen den Insolvenzverwalter. Grundgedanke der Regelung ist es, die Interessen von Massegläubigern zu schützen, die aufgrund einer Unternehmensfortführung mit der Masse in Kontakt gekommen sind und deren Vermögen gemehrt oder ihr einen sonstigen Vorteil verschafft haben (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 129; BGHZ 161, 236, 239 f). Mit der Vorschrift sollen Unternehmensfortführungen erleichtert werden. Die Bereitschaft, der Masse "Kredit" zu gewähren, soll dadurch erhöht werden, dass das Ausfallrisiko der Gläubiger durch eine persönliche Haftung des Verwalters gemindert wird. Entsprechend diesem Zweck betrifft § 61 InsO in erster Linie die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch Vertragsschluss, die Erfüllungswahl bei Verfahrenseröffnung beiderseits nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge und die unterlassene Kündigung von Dauerschuldverhältnissen. Die besondere Pflicht des Insolvenzverwalters, sich zu vergewissern, ob er zur Erfüllung der von ihm begründeten Forderungen mit Mitteln der Masse in der Lage sein wird, bezieht sich nur auf die primären Erfüllungsansprüche und nicht auf Sekundäransprüche (BGH, Beschl. v. 25. September 2008 - IX ZR 235/07, ZInsO 2008, 1206 Rn. 5). Gesetzliche Schuldverhältnisse oder Einstandspflichten der Masse, die nur mittelbar auf einer Rechtshandlung des Insolvenzverwalters beruhen, werden von der Vorschrift nicht erfasst.
[8] Die Lage eines auf Antrag des Insolvenzverwalters mit der Zwangsverwaltung eines Grundstücks betrauten Zwangsverwalters ist nicht mit der eines der genannten Massegläubiger gleichzusetzen. Er erwirbt lediglich einen Sekundäranspruch auf Ausgleich seiner Vergütungs- und Auslagenforderung gegen die Insolvenzmasse, wenn er aus dem verwalteten Grundstück keine Einnahmen erzielen kann. Dieser Anspruch ist nur mittelbare Folge der Uneinbringlichkeit seiner Vergütung. Unmittelbar begründet der Insolvenzverwalter durch seinen Antrag auf Zwangsverwaltung keinen Anspruch des Zwangsverwalters gegen die Insolvenzmasse. Dieser ist zunächst nur dem Gericht gegenüber zur sorgfältigen Amtsführung verpflichtet. Vertragliche Beziehungen zwischen der Insolvenzmasse und dem Zwangsverwalter, aufgrund derer dieser Leistungen an die Masse zu erbringen haben könnte, entstehen nicht.
[9] 2. § 60 InsO begründet ebenfalls keine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters für Vergütungsansprüche des Zwangsverwalters. Diese Vorschrift setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter einem Beteiligten gegenüber schuldhaft Pflichten verletzt, die sich aus der Insolvenzordnung ergeben (§ 60 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Insolvenzordnung begründet jedoch keine Verpflichtung des Insolvenzverwalters, bei Beantragung einer Zwangsverwaltung die Interessen des Zwangsverwalters an der Deckung seines Vergütungs- und Auslagenersatzanspruchs zu berücksichtigen. Der Zwangsverwalter ist nicht Beteiligter des Insolvenzverfahrens. Die Revisionsbegründung führt nichts dazu aus, aufgrund welcher Vorschriften der Insolvenzordnung dem Insolvenzverwalter spezifische Pflichten gegenüber dem Zwangsverwalter obliegen sollen. Der Insolvenzverwalter bedient sich nur eines gesetzlich geregelten gerichtlichen Verfahrens, um Ansprüche der Insolvenzmasse zwangsweise durchzusetzen. In einem solchen Fall trifft den Insolvenzverwalter keine Verpflichtung, das Verfahren nur mit Rücksicht auf die Erfüllbarkeit eventueller Kostenerstattungsansprüche des Gegners zu führen (BGHZ 148, 175, 178 f; 154, 269, 274; 161, 236, 240; BGH, Urt. v. 1. Dezember 2005 - IX ZR 115/01, ZInsO 2006, 100, 101 Rn. 20; Jaeger/Gerhardt, InsO § 60 Rn. 74 ff; HK-InsO/Lohmann, 5. Aufl. § 60 Rn. 45; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 60 Rn. 28; MünchKomm-InsO/Brandes, 2. Aufl. §§ 60, 61 Rn. 39; Pape in Pape/Graeber, Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung Teil 3 Rn. 13, 71 ff; G. Fischer WM 2004, 2185, 2189). Ebenso wie sich der Insolvenzverwalter im Fall der Prozessführung bei unzulänglicher Masse eines gesetzlich geregelten Verfahrens der Rechtspflege bedient, dessen Betreiben nur in Ausnahmefällen eine Haftung begründen kann, wenn es sittenwidrig ist und mit (bedingtem) Schädigungsvorsatz geführt wird (vgl. BGHZ 36, 18, 20 ff; 95, 10, 19 ff; 154, 268, 273), betreibt der Verwalter auch bei einem Antrag auf Zwangsverwaltung nur ein Verfahren, das jedermann zugänglich sein muss. Das durch die Möglichkeit der Vorschussentnahme begrenzte Ausfallrisiko des Zwangsverwalters kann deshalb eine Haftung des Insolvenzverwalters aufgrund der Inanspruchnahme eines derartigen Verfahrens im Fall der Masseunzulänglichkeit nicht rechtfertigen. Folge wäre andernfalls eine unzulässige Beschränkung der vollstreckungsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters.
Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp