RiZ(R) 2/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
vom
8. November 2006
in dem Prüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
DRiG § 26 Abs. 3, § 71 Abs. 3
BRRG § 126 Abs. 1
Die Frage, ob Vorhalt und Ermahnung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles die angemessene und rechtmäßige Reaktion der Dienstaufsicht sind, unterliegt nicht der Beurteilung durch das Dienstgericht für Richter.
BGH, Urteil vom 8. November 2006 - RiZ(R) 2/05 -, Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Schwerin
des Präsidenten des Landgerichts
Antragsgegner und Revisionskläger,
gegen
die Richterin am Amtsgericht
Antragstellerin und Revisionsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht
Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat ohne mündliche Verhandlung am 8. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nobbe, die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovi?, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kniffka und Dr. Joeres sowie die Richterin am Bundesgerichtshof Mayen
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Antragsgegners wird das Urteil des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Schwerin vom 4. Oktober 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Dienstgericht für Richter zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Antragstellerin ist Richterin am Amtsgericht . Sie wendet sich gegen Maßnahmen der Dienstaufsicht, durch die sie ihre richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt sieht.
Das Dezernat der Antragstellerin umfasste bis Frühjahr 2001 Strafsachen gegen Erwachsene, darunter Schöffen- und Haftsachen. Nachdem ihr zunächst ab Mai 2001 zusätzlich ein Teil der Bußgeldsachen übertragen worden war, wies das Präsidium des Amtsgerichts im August 2001 im Zusammenhang mit Personalabgängen den fünf für Strafsachen zuständigen Richtern des Amtsgerichts alle Bußgeldverfahren zu. Auf die Antragstellerin entfielen 99 anhängige Ordnungswidrigkeitenverfahren sowie ein Teil der Neueingänge. Ihr Strafrechtsdezernat umfasste zu diesem Zeitpunkt 176 anhängige Einzelrichterstrafsachen und 14 Schöffengerichtsverfahren. Nachdem das Präsidium des Amtsgerichts der im Januar 2002 erhobenen Bitte der Antragstellerin auf Entlastung nicht nachgekommen war, zeigte sie dem Direktor des Amtsgerichts im März 2002 schriftlich an, sie werde wegen Strafsachen, die sie vorrangig zu bearbeiten beabsichtige, zu wenig Zeit für die Bearbeitung von 161 Ordnungswidrigkeitenverfahren haben, bei denen zu einem großen Teil der Eintritt der Verjährung drohe. Der Direktor des Amtsgerichts sah keine Möglichkeit zur Abhilfe und erklärte, dann verjährten die Verfahren eben. In der Folge trat in 54 Bußgeldverfahren im Dezernat der Antragstellerin Verjährung ein. Im Jahr 2003 entfiel die Zuständigkeit der Antragstellerin für Bußgeldverfahren.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2002 hielt der Antragsgegner der Antragstellerin im Hinblick auf die verjährten Bußgeldverfahren die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte vor und ermahnte sie zur ordnungsgemäßen unverzögerten Erledigung auch der Ordnungswidrigkeitenverfahren. Sie habe die Reihenfolge der Bearbeitung nach der jeweiligen Dringlichkeit einzurichten und dabei auch eine etwa bevorstehende Verjährung zu beachten. Zur Begründung führte er aus, das Dezernat der Antragstellerin habe im Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 31. Juli 2002 eine Eingangsbelastung von 1,6 Pensen nach dem sog. Bundespensenschlüssel aufgewiesen. In diesem Zeitraum habe sie Verfahren im Umfang von 1,25 Pensen, vorrangig Strafverfahren, erledigt. Zwischen 1. Juli 2001 und 27. September 2002 seien 49 Bußgeldverfahren wegen Verjährung eingestellt worden, in fünf weiteren sei die Einstellung wegen Verjährung beabsichtigt.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragsstellerin Widerspruch ein, mit dem sie insbesondere geltend machte, ihr werde durch die angefochtene Maßnahme ein Arbeitsaufwand abverlangt, der objektiv ohne Qualitätsabstriche nicht mehr zu bewältigen sei. Der Präsident des Oberlandesgerichts Rostock wies den Widerspruch am 8. Oktober 2003 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der angefochtene Bescheid greife nicht in den Kernbereich der Rechtsprechung ein, sondern diene nur der Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs. Die Frage, ob der Vorhalt sachlich richtig sei, sei vom Verwaltungsgericht zu prüfen.
Die Antragstellerin hat am 10. November 2003 das Dienstgericht für Richter mit dem Antrag angerufen, festzustellen, dass die Verfügung des Antragsgegners in der Gestalt des Widerspruchsbescheids wegen Eingriffs in ihre richterliche Unabhängigkeit unzulässig sei. Zudem hat sie beim Verwaltungsgericht Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung der Bescheide begehrt. Dieses Verfahren hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf das Verfahren vor dem Dienstgericht ausgesetzt.
Das Dienstgericht für Richter hat dem Antrag mit Urteil vom 4. Oktober 2004 stattgegeben. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die angegriffene Maßnahme beeinträchtige die Antragstellerin in ihrer richterlichen Unabhängigkeit. Sie betreffe allerdings den der Dienstaufsicht zugänglichen Bereich der Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, da die im Verlaufe etwa eines Jahres eingetretenen Verjährungen von 54 Ordnungswidrigkeitenverfahren im Dezernat der Antragstellerin einen objektiv nicht ordnungsgemäßen Geschäftsablauf auswiesen. Dem dürfe die Dienstaufsicht grundsätzlich auch mit Mitteln des Vorhalts und der Ermahnung gegenüber dem Richter entgegen wirken, es sei denn, ihm würde durch die Maßnahme der Dienstaufsicht indirekt ein Arbeitsanfall abverlangt, der sich allgemein, also auch von anderen Richtern sachgerecht nicht mehr bewältigen ließe. Ob - wie die Antragstellerin geltend mache - ein solcher Fall vorliege, sei zweifelhaft, könne aber ebenso wie die Frage, ob die objektiv ordnungswidrige Ausführung der Amtsgeschäfte der Antragstellerin subjektiv zurechenbar sei, offen bleiben. Die Maßnahme des Antragsgegners erweise sich nämlich bereits wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als unzulässig. Dies könne das Dienstgericht trotz seines begrenzten Prüfungsrahmens, der sich darauf beschränke, ob die angegriffene Maßnahme die Antragstellerin in ihrer richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtige, der hingegen nicht die dem Verwaltungsgericht obliegende allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle umfasse, prüfen. Stelle sich die Maßnahme der Dienstaufsicht gerade wegen ihrer allgemeinen Fehlerhaftigkeit als Versuch einer Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar, hätten Richterdienstgericht und Verwaltungsgericht jeweils die Aussetzung des Verfahrens zu bedenken. Nachdem das Verwaltungsgericht das bei ihm anhängige Verfahren ausgesetzt habe, käme es insofern einer Rechtsschutzverweigerung gleich, wenn auch das Dienstgericht das Verfahren im Hinblick auf die allgemeine Fehlerhaftigkeit der Maßnahme aussetze. Es erscheine daher sachdienlich, die Frage der sonstigen sachlichen Rechtmäßigkeit der Maßnahme als Voraussetzung ihrer Zulässigkeit unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit zu prüfen. Eine aus sachlichen Gründen rechtswidrige Maßnahme der Dienstaufsicht könne allein wegen ihrer Rechtswidrigkeit den Schutzbereich richterlicher Unabhängigkeit beeinträchtigen. So sei es hier. Die Erteilung des Vorhalts und der Ermahnung sei weder geeignet noch erforderlich gewesen, die Antragstellerin zur ordnungsgemäßen Art der Ausführung der ihr übertragenen Amtsgeschäfte im Sachbereich des Ordnungswidrigkeitenrechts anzuhalten, da sie im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids bereits nicht mehr für die Bearbeitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren zuständig gewesen sei und durch ihr Schreiben an den Direktor des Amtsgerichts gezeigt habe, dass sie sich auch einer weniger gravierenden Maßnahme, etwa einem allgemeinen Hinweis, nicht verschlossen hätte. Es liege daher ein gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßender Ermessensfehlgebrauch der dienstaufsichtsführenden Stelle vor, der die richterliche Unabhängigkeit der Antragstellerin verletze.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsgegner mit seiner - vom Dienstgericht für Richter zugelassenen - Revision. Wegen seines Vorbringens wird auf die Revisionsschrift vom 7. Februar 2005 und die Schriftsätze vom 11. März 2005 und vom 13. März 2006 Bezug genommen.
Der Antragsgegner beantragt,
das Urteil des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Schwerin vom 4. Oktober 2004 abzuändern und den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragstellerin verteidigt mit Schriftsätzen vom 2. und 7. März 2006, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision (§ 80 Abs. 2 DRiG, § 45 Abs. 2 RiG MV) ist begründet.
I. Die Entscheidung des Dienstgerichts hält rechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Dienstgerichts, dass die Dienstaufsicht gemäß § 26 DRiG die Befugnis umfasst, dem Richter die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und ihn zu unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen, soweit nicht die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt wird (§ 26 Abs. 1 und 2 DRiG).
2. Eine solche Beeinträchtigung besteht jedoch entgegen der Auffassung des Dienstgerichts nach dem für die Revision zugrundezulegenden Sachverhalt nicht.
a) Die richterliche Amtsführung unterliegt der Dienstaufsicht unter anderem, soweit es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs der Amtsgeschäfte des Richters geht (st.Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2006 - RiZ(R) 3/05, NJW 2006, 1674). Diesem Zweck diente die angefochtene Maßnahme des Antragsgegners nach den - angesichts der im Verlaufe etwa eines Jahres in 54 Ordnungswidrigkeitenverfahren eingetretenen Verjährung im Dezernat der Antragstellerin - nicht zu beanstandenden Ausführungen des Dienstgerichts. Hiergegen wendet sich auch die Antragstellerin nicht.
b) Zutreffend - und von der Antragstellerin ebenfalls nicht angegriffen - ist ferner, dass der vom Antragsgegner erteilte Vorhalt und die Ermahnung, die Antragstellerin möge künftig auch die Ordnungswidrigkeitenverfahren unverzögert erledigen, inhaltlich mit der Rechtsprechung nichts zu tun hatten und insoweit die Entscheidungsfreiheit der Antragstellerin unberührt ließen (vgl. BGH, Urteile vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 46 und vom 5. Oktober 2005 - RiZ(R) 5/04, NJW 2006, 692). Diese Maßnahmen stellen weder eine Einflussnahme auf den Inhalt der von der Antragstellerin zu treffenden Entscheidungen noch einen Versuch dar, sie anzuhalten, ihr Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben (vgl. BGH, Urteile vom 16. September 1987 - RiZ(R) 5/87, NJW 1988, 421, 422 und vom 5. Oktober 2005 - RiZ(R) 5/04 aaO).
c) Zu Recht geht das Dienstgericht schließlich davon aus, dass die Antragstellerin auch dann in ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigt worden wäre, wenn der Antragsgegner durch den Vorhalt und die Ermahnung unzulässigen Einfluss auf die Entscheidung über die Reihenfolge der Bearbeitung der Amtsgeschäfte genommen oder einen unzulässigen Erledigungsdruck ausgeübt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2005 - RiZ(R) 5/04 aaO m.w.Nachw.). Beides ist nach dem im Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt nicht der Fall.
aa) Durch die angefochtene Maßnahme wurde kein unzulässiger Einfluss auf die Entscheidung über die Reihenfolge der Bearbeitung ausgeübt. Dies macht auch die Antragstellerin nicht geltend. Nach den von ihr nicht angegriffenen Feststellungen des Dienstgerichts sollte sie lediglich angehalten werden, ihre Arbeitsweise so zu gestalten, dass Verjährungen von Bußgeldverfahren möglichst vermieden werden. Die Aufforderung, die in dem Dezernat anfallenden Vorgänge auch unter dem Gesichtspunkt der Verjährung besser zu überwachen, ist kein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ(R) 5/87, NJW 1988, 421, 422).
bb) Nach dem für die Revision maßgeblichen Sachverhalt setzte der angefochtene Bescheid die Antragstellerin auch entgegen ihrem Vorbringen nicht unter einen unzulässigen Erledigungsdruck.
(1) Der in § 26 Abs. 2 DRiG vorgesehene Vorhalt einer verzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte stellt grundsätzlich keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar. Etwas anderes gilt - wie das Dienstgericht zutreffend gesehen hat - nur dann, wenn dem Richter indirekt ein Pensum abverlangt wird, das sich allgemein, also auch von anderen Richtern in sachgerechter Weise nicht mehr erledigen lässt (st.Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 16. September 1987 - RiZ(R) 5/87, NJW 1988, 421, 422 und vom 5. Oktober 2005 - RiZ(R) 5/04, NJW 2006, 692 f.). Ein dahin wirkender Erledigungsdruck liefe auf die Aufforderung zu einer sachwidrigen Bearbeitung hinaus und wäre mit dem Rechtsprechungsauftrag des Richters nicht zu vereinbaren.
(2) Feststellungen dazu hat das Dienstgericht nicht getroffen. Zu Gunsten der Revision ist deshalb davon auszugehen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für einen derartigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit der Antragstellerin nicht vorliegen.
d) Das Dienstgericht hat entsprechende Feststellungen für entbehrlich gehalten, weil es einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit mit der Begründung bejaht hat, die angefochtene Maßnahme erweise sich wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als unzulässig. Dies ist aus Rechtsgründen zu beanstanden, weil das Dienstgericht hierbei seine Prüfungskompetenz überschritten hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Urteile vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 48 ff. und vom 5. Oktober 2005 - RiZ(R) 5/04 aaO S. 693 m.w.Nachw.), die auch das Dienstgericht nicht übersieht, ist Gegenstand der Prüfung vor den Dienstgerichten allein die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit, nicht hingegen deren Übereinstimmung mit anderen Gesetzen und Rechtsgrundsätzen. Letzteres zu prüfen, ist allein den Verwaltungsgerichten vorbehalten. Hierzu gehört auch die vom Dienstgericht vorgenommene Prüfung, ob das dienstaufsichtliche Vorgehen wegen Ermessensfehlgebrauchs bei der Auswahl der dienstaufsichtlichen Maßnahme gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Die Frage, ob Vorhalt und Ermahnung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles die angemessene und rechtmäßige Reaktion der Dienstaufsicht sind, unterliegt danach nicht der Beurteilung durch die Dienstgerichte (BGH, Urteil vom 22. Februar 2006 - RiZ(R) 3/05, NJW 2006, 1674, 1675).
Soweit sich das Dienstgericht zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme mit der Begründung befugt sieht, es prüfe die Ermessensentscheidung des Antragsgegners insoweit allein unter dem Blickwinkel der richterlichen Unabhängigkeit, berücksichtigt es nicht, dass sich die durchgeführte allgemeine Ermessenskontrolle nur am Maßstab des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit orientiert und die Auffassung, bei einer Unvereinbarkeit der Maßnahme mit diesem Grundsatz liege zugleich eine Verletzung richterlicher Unabhängigkeit vor, eine Rückkehr zu der früheren, seit langem aufgegebenen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 48 ff.), Rechtsprechung darstellt, nach welcher den Dienstgerichten unter dem Blickwinkel richterlicher Unabhängigkeit auch die allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle der Maßnahme oblag. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats steht den Dienstgerichten eine so weitgehende Prüfungskompetenz nicht zu (vgl. zuletzt Urteil vom 5. Oktober 2005 - RiZ(R) 5/04, NJW 2006, 692, 693 m.w.Nachw.). Eine überzogene Maßnahme mag - ebenso wie das Messen des Richters an überzogenen Maßstäben (hierzu BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ(R) 4/87, NJW 1988, 419, 420) - sachlich nicht gerechtfertigt sein, eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit ist damit aber nicht verbunden.
Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass der Senat in der Vergangenheit offen gelassen hat, ob allein der Verstoß einer Dienstaufsichtsmaßnahme gegen das verfassungsrechtlich verankerte Willkürverbot einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit darstellen kann und aus diesem Grund von den Dienstgerichten zu überprüfen ist (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 1966 - RiZ(R) 1/65, BGHZ 46, 66, 73 f. und vom 5. Oktober 2005 - RiZ(R) 5/04 aaO), führt das nicht weiter. Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Es geht hier nur um die Frage, ob die angegriffene Maßnahme der Dienstaufsicht unter den im Einzelfall gegebenen Umständen die angemessene und rechtmäßige Reaktion auf das beanstandete Verhalten des Richters darstellt. Das zu beurteilen, ist nicht Aufgabe der Dienstgerichte, sondern der Verwaltungsgerichte (BGH, Urteil vom 22. Februar 2006 - RiZ(R) 3/05, NJW 2006, 1674, 1675).
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der Erwägung des Dienstgerichts, angesichts der Aussetzung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht erscheine es allein sachdienlich, die Frage der sonstigen sachlichen Rechtmäßigkeit der Maßnahme als Voraussetzung ihrer Zulässigkeit unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigung richterlicher Unabhängigkeit zu prüfen, da der Antragstellerin andernfalls kein effektiver Rechtsschutz zur Verfügung stehe. Die Aussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erweitert die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Richterdienstgerichts nicht. Dass gegen ein und dieselbe Maßnahme sowohl das Richterdienstgericht - mit der Behauptung, die Maßnahme beeinträchtige die richterliche Unabhängigkeit - als auch das Verwaltungsgericht - mit der Behauptung, sie sei aus anderen Gründen, hier wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, rechtswidrig - anzurufen ist, nimmt das Gesetz in Kauf, und zwar auch bei Bestehen enger Bezüge zwischen der (behaupteten) Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit und den näheren Umständen der (behaupteten) allgemeinen Fehlerhaftigkeit der Maßnahme (BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 50 f.). Das Gesetz nimmt auch hin, dass die Gerichte in Fällen eines engen Zusammenhangs zur Vermeidung einer unerwünschten unterschiedlichen Beurteilung desselben Lebenssachverhalts wechselseitig die Aussetzung des Verfahrens zu bedenken haben (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 aaO S. 51). Die Effektivität des Rechtsschutzes wird dadurch nicht beeinträchtigt, zumal die Aussetzung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht mit dem Abschluss des dienstgerichtlichen Verfahrens endet.
II. Das Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Dienstgericht zurückzuverweisen (§ 82 Abs. 3 DRiG), das die fehlenden Feststellungen zu der Frage zu treffen haben wird, ob mit der Dienstaufsichtsmaßnahme ein übermäßiger Erledigungsdruck bei der Antragstellerin geschaffen worden ist.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5.000 festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Nobbe Solin-Stojanovi? Kniffka
Joeres Mayen