V ZB 140/13

26.03.2014

BUNDESGERICHTSHOF

vom

26. März 2014

in dem Zwangsverwaltungsverfahren


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BGB §§ 1147, 1030; ZPO §§ 325, 727, § 794 Abs. 1 Nr. 5, § 800; ZVG § 146, § 150 Abs. 2


Hat sich der Grundstückseigentümer in einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterworfen, dass die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll, kann gegen den Berechtigten eines im Rang nach der Grundschuld in das Grundbuch eingetragenen Nießbrauchs eine die eingeschränkte Rechtsnachfolge ausweisende Vollstreckungsklausel erteilt werden (titelerweiternde Klausel). Die mit ihr versehene Urkunde ist ein für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung ausreichender Vollstreckungstitel.


BGH, Beschluss vom 26. März 2014 - V ZB 140/13 - LG Kiel, AG Kiel


Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. März 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke und Dr. Czub, die Richterin Weinland und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 4. September 2013 aufgehoben.

Die sofortigen Beschwerden der Schuldnerin und der Nießbrauchsberechtigten gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Kiel vom 15. April 2011 und vom 28. November 2011 werden zurückgewiesen.

Die Schuldnerin und die Nießbrauchsberechtigte tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der Gegenstandswert der Beschwerdeverfahren und des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt jeweils 50.000 € für die Gerichtskosten und für die anwaltliche Vertretung der Nießbrauchsberechtigten sowie 925.118,74 € für die anwaltliche Vertretung der Gläubigerin und der Schuldnerin.

Gründe:

[1] I. Die Schuldnerin ist Eigentümerin der in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücke. Diese sind mit einer am 26. Oktober 1990 in die Grundbücher jeweils in Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Gesamtgrundschuld über 100.000 DM und mit einer im Jahr 1995 jeweils in Abteilung III Nr. 15 eingetragenen Gesamtgrundschuld über 1.000.000 DM belastet. In den Eintragungsvermerken heißt es:

"Vollstreckbar nach § 800 ZPO."

[2] Inhaberin der Grundschulden ist nunmehr die Gläubigerin. Im Jahr 2002 wurde zugunsten der Nießbrauchsberechtigten ein Nießbrauch in die Grundbücher eingetragen. Die Gläubigerin erwirkte die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen der Grundschuldbestellungsurkunden mit Rechtsnachfolgeklauseln auch gegen die Nießbrauchsberechtigte.

[3] Mit Beschluss vom 5. August 2010 hat das Amtsgericht den Beitritt der Gläubigerin aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 15 der Grundbücher eingetragenen Gesamtrecht zu einem damals aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Gesamtrecht betriebenen, später aufgehobenen Zwangsverwaltungsverfahren zugelassen. Den Antrag der Schuldnerin und der Nießbrauchsberechtigten, diesen Beschluss aufzuheben, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 28. November 2011 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolgreich gewesen. Das Landgericht hat die Beschlüsse vom 5. August 2010 und vom 28. November 2011 aufgehoben und den Antrag der Gläubigerin auf Zulassung des Beitritts zurückgewiesen.

[4] Am 15. April 2011 hat das Amtsgericht den Beitritt der Gläubigerin aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 2 der Grundbücher eingetragenen Gesamtrecht zu dem aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 15 eingetragenen Recht betriebenen Zwangsverwaltungsverfahren zugelassen. Auch die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin und der Nießbrauchsberechtigten ist erfolgreich gewesen. Das Landgericht hat den Beitrittsbeschluss aufgehoben und den Antrag der Gläubigerin auf Zulassung des Beitritts zurückgewiesen.

[5] Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Gläubigerin die Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde erreichen. Die Nießbrauchsberechtigte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

[6] II. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts erfordert die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung bzw. die unbeschränkte Zulassung des Beitritts zu einem Zwangsverwaltungsverfahren einen auf die Duldung der Zwangsvollstreckung auch gegen die Nießbrauchsberechtigte gerichteten Vollstreckungstitel. Dieser könne nicht dadurch erwirkt werden, dass die Vollstreckungsunterwerfungen in den Grundschuldbestellungsurkunden gemäß § 727 ZPO auf die Nießbrauchsberechtigte umgeschrieben würden.

[7] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[8] III. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet.

[9] 1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts.

[10] a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 14. März 2003 ­ IXa ZB 45/03, NJW 2003, 2164 f.) hat der die Zwangsvollstreckung betreibende Grundschuldgläubiger für die - wie hier - unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung bei einem - ebenfalls wie hier - nachrangig eingetragenen Nießbrauch einen auf den Nießbrauchsberechtigten lautenden Duldungstitel vorzulegen. Dies ist deshalb erforderlich, weil sich der von dem Vollstreckungsgericht bestellte Zwangsverwalter den Besitz an dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstück verschaffen muss, damit er den betreibenden Gläubiger aus den Erträgnissen des Grundstücks befriedigen kann (§ 146, § 150 Abs. 2, § 152 Abs. 1 ZVG), dem Nießbrauchsberechtigten jedoch ebenfalls das Besitz- und Nutzungsziehungsrecht an dem Grundstück zusteht (§ 1030 Abs. 1, § 1036 Abs. 1 BGB). Da die Zwangsvollstreckung nur gegen denjenigen betrieben werden darf, der in dem Vollstreckungstitel oder in der Vollstreckungsklausel (§ 727 ZPO) als Vollstreckungsschuldner namentlich benannt ist, und da bei der Zwangsverwaltung allein diesem die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen werden (§ 148 Abs. 2 ZVG), betrifft die in den Grundschuldbestellungsurkunden enthaltene Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 800 Abs. 1 ZPO) lediglich den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks, nicht jedoch einen Nießbrauchsberechtigten. Diesen kann der Zwangsverwalter nur dann aus seinem Besitz setzen und an dessen Stelle die Nutzungen ziehen, wenn die Zwangsverwaltung aufgrund eines auf die Duldung der Zwangsvollstreckung auch gegen den Nießbrauchsberechtigten gerichteten Titels angeordnet worden ist.

[11] b) Das alles sieht das Beschwerdegericht nicht anders. Es hat jedoch nicht erkannt, dass es auf der Grundlage seiner Rechtsansicht die Beitrittsanträge der Gläubigerin nicht hätte vollständig zurückweisen dürfen, sondern ihnen insoweit hätte stattgeben müssen, als die Rechte der Nießbrauchsberechtigten durch die Zwangsverwaltung nicht beeinträchtigt werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2003 ­ IXa ZB 45/03, NJW 2003, 2164, 2165).

[12] 2. Zu Unrecht meint das Beschwerdegericht jedoch, dass die auch mit Vollstreckungsklauseln gegen die Nießbrauchsberechtigte versehenen Grundschuldbestellungsurkunden keine für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung ausreichenden Duldungstitel seien.

[13] a) Auf die Duldung der Zwangsvollstreckung gerichtete Titel sind nicht nur solche, welche in einem Klageverfahren ergangen sind, sondern auch notarielle Urkunden, in denen sich der Grundstückseigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterworfen hat, dass die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll (§ 794 Abs. 1 Nr. 5, § 800 ZPO). Zur Vollstreckung aus diesen Urkunden ist es notwendig, dass sie mit einer Vollstreckungsklausel (§ 725 ZPO) versehen sind und beides vor oder spätestens bei dem Beginn der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zugestellt wird (§ 750 Abs. 1 und 2, § 795 Satz 1 ZPO).

[14] b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die notariellen Grundschuldbestellungsurkunden enthalten Vollstreckungsunterwerfungen gemäß § 800 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Unterwerfung ist in den Grundbüchern eingetragen. Von den Urkunden wurden vollstreckbare Ausfertigungen erteilt (§ 724 Abs. 1, § 795 Satz 1, § 797 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Gläubigerin als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Grundschuldgläubigerin erhielt Vollstreckungsklauseln (§ 727, § 795 Satz 1 ZPO). Auch gegen die Nießbrauchsberechtigte wurden Vollstreckungsklauseln erteilt, allerdings mit der - zutreffenden - Einschränkung, dass die Zwangsvollstreckung auf die Duldung der Zwangsverwaltung der mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücke gerichtet ist. Schließlich fehlt es auch nicht an der Zustellung der Urkunden nebst Vollstreckungsklauseln an die Schuldnerin und an die Nießbrauchsberechtigte.

[15] c) Die Erteilung der gegen die Nießbrauchsberechtigte gerichteten ­ eingeschränkten ­ Vollstreckungsklauseln beruht auf § 727 ZPO in Verbindung mit § 325 ZPO, § 795 Satz 1 ZPO. Danach kann unter bestimmten, hier gegebenen Voraussetzungen eine vollsteckbare Ausfertigung gegen denjenigen erteilt werden, der nach der Errichtung der Grundschuldbestellungsurkunde Rechtsnachfolger des in der Urkunde bezeichneten Schuldners geworden ist (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1992 ­ VIII ZR 218/91, NJW 1993, 1396, 1397 mwN). Rechtsnachfolger in diesem Sinn ist nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht nur derjenige, der in die volle Rechtsstellung seines Vorgängers eingetreten ist, sondern auch derjenige, der eine mindere Rechtsstellung erworben hat, wie z.B. ein Nießbrauchsberechtigter (RGZ 82, 35, 38; OLG Dresden, Rpfleger 2006, 92, 93; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 325 Rn. 9; MünchKomm-ZPO/Gottwald, § 325 Rn. 28; Musielak in Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 325 Rn. 7; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 325 Rn. 21; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. Rn. 20). Hat dieser - wie hier - den Nießbrauch im Rang nach der Grundschuld erlangt, kann gegen ihn eine ­ die eingeschränkte Rechtsnachfolge ausweisende - Vollstreckungsklausel erteilt werden (titelerweiternde Klausel). Die mit ihr versehene Grundschuldbestellungsurkunde ist der für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung notwendige Duldungstitel (OLG Dresden, Rpfleger 2006, 92, 93; Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2009], § 1124 Rn. 22; Engels in Dassler/

Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 145 Rn. 8; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 145 Rn. 11; Depré/Mayer, Die Praxis der Zwangsverwaltung, 7. Aufl., § 1 Rn. 66; Harmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 5. Aufl., § 146 ZVG Rn. 12).

[16] 3. Somit liegen die für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung bzw. für die unbeschränkte Zulassung des Beitritts notwendigen Duldungstitel gegen die Nießbrauchsberechtigte vor. Der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts ist deshalb aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Da auch die übrigen Voraussetzungen für die Zulassung des Beitritts gegeben sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO). Das führt zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerden der Schuldnerin und der Nießbrauchsberechtigten gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 15. April 2011 und vom 28. November 2011.

[17] IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung der Gegenstandswerte folgt aus § 55 GKG, § 22 Abs. 1, § 23 Abs. 3 Satz 2, § 27 RVG.

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