V ZB 158/14

19.03.2015

BUNDESGERICHTSHOF

vom

19. März 2015

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


Brüssel-I-VO Art. 22 Nr. 1 (= VO [EU] Nr. 1215/2012 Art. 24 Nr. 1)


Dingliche Klage im Sinne von Art. 22 Nr. 1 VO (EG) Brüssel-I-VO (= Art. 24 Nr. 1 VO [EU] Nr. 1215/2012) ist nicht nur ein Streit über die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts als eine der Voraussetzungen für das Entstehen des Erwerbsanspruchs, sondern auch ein Streit darüber, welche Regelungen in dem Kaufvertrag mit dem Dritten nach § 464 Abs. 2, § 465 BGB oder vergleichbaren Vorschriften anderer Rechtsordnungen Inhalt des Kaufvertrags zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten geworden sind.


BGH, Beschluss vom 19. März 2015 - V ZB 158/14 - OLG München, LG München I


Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München - 21. Zivilsenat - vom 27. Juni 2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die darin enthaltene Kostenentscheidung entfällt.

Gründe:

[1] I. Die Parteien sind Miteigentümerinnen eines Grundstücks in Deutschland, die Klägerin mit einem Anteil von 6/10 und die Beklagte, ihre Schwester, mit einem Anteil von 4/10. Zugunsten des Inhabers des Miteigentumsanteils der Klägerin ist auf Grund eines Vertrags vom 20. Dezember 1971 ein dingliches Vorkaufsrecht an dem Miteigentumsanteil der Beklagten im Grundbuch eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 28. Oktober 2009 verkaufte die Beklagte ihren Miteigentumsanteil für 4 Mio. € an die Z GbR. Von diesem Vertrag durfte die Beklagte bis zum 28. März 2010 für den Fall zurücktreten, dass sie bis dahin ein Angebot zur Beteiligung an einer anderen Gesellschaft nicht angenommen hatte. Die Klägerin übte ihr Vorkaufsrecht mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 aus. Mit einem Vertrag vom 25. Februar 2010 erkannten die Parteien die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts an, trafen Vereinbarungen zur Fälligkeit des Kaufpreises, erklärten die Auflassung und wiesen den Notar an, die Eintragung erst zu bewilligen und deren Vollzug erst zu beantragen, wenn die Klägerin den Kaufpreis gezahlt und die Beklagte erklärt hat, von ihrem Rücktrittsrecht keinen Gebrauch zu machen. Die Klägerin bezahlte am 2. März 2010 den Kaufpreis. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 15. März 2010 den Rücktritt von dem mit der Z GbR geschlossenen Vertrag.

[2] Mit der Klägerin am 11. Mai 2010 zugestellter Klage hat die Z GbR beide Parteien des vorliegenden Rechtstreits vor dem Tribunale Ordinario in Mailand verklagt, und zwar auf Feststellung der Ungültigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin und der Gültigkeit des zwischen der Beklagten und der Z GbR geschlossenen Kaufvertrags, hilfsweise auf Feststellung, dass Inhalt des Vorkaufvertrags der Parteien auch das Rücktrittsrecht ist, das der Beklagten nach dem Kaufvertrag mit der Z GbR zusteht. Das Tribunale Ordinario hat die Klage mangels internationaler Zuständigkeit abgewiesen. Die Corte d'appelo in Mailand hat die Berufung zurückgewiesen. Das Verfahren ist in der Revisionsinstanz bei der Corte Suprema di Cassazione anhängig.

[3] Mit Klageschrift vom 15. Juli 2010 hat die Klägerin die vorliegende Klage mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zur Bewilligung der Eintragung der Klägerin als Inhaberin des Miteigentumsanteils der Beklagten in das Grundbuch zu verurteilen. Das Landgericht hat das Verfahren mit zwei Beschlüssen bis zur Erledigung des Rechtsstreits vor dem Tribunale Ordinario in Mailand ausgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Beschwerdeverfahren ausgesetzt und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung der hier nach Art. 66 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1215/2012 (ABl. Nr. L 351 S. 1, geändert durch VO [EU] Nr. 542/2014, ABL. Nr. L 163 S. 1) noch anwendbaren Art. 22, 27 und 28 VO (EG) Nr. 44/2001 (vom 22. Dezember 2000, ABl. 2001 Nr. L 12 S. 1, zuletzt geändert durch VO [EU] Nr. 156/2012 vom 22. Februar 2012, ABl. Nr. L 50 S. 3, fortan EuGVVO) eingeholt. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 3. April 2014 (Urteil Weber, Rs. C-438/12, EU:C:2014:212 = NJW 2014, 1871) wie folgt entschieden:

"1. Art. 22 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass zur Kategorie der Rechtsstreitigkeiten, "welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen ... zum Gegenstand haben", im Sinne dieser Vorschrift eine Klage gehört, die - wie die hier bei dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erhobene - auf Feststellung der Ungültigkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts gerichtet ist, das an diesem Grundstück besteht und gegenüber jedermann wirkt.

2. Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass das später angerufene Gericht, bevor es das Verfahren gemäß dieser Vorschrift aussetzt, prüfen muss, ob eine etwaige Sachentscheidung des zuerst angerufenen Gerichts nach Art. 35 Abs. 1 dieser Verordnung wegen Verletzung der in ihrem Art. 22 Nr. 1 vorgesehenen ausschließlichen Zuständigkeit in den übrigen Mitgliedstaaten nicht anerkannt würde."

[4] Das Oberlandesgericht hat die Aussetzungsbeschlüsse des Landgerichts aufgehoben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit welcher sie die Fortdauer der Aussetzung erreichen möchte. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

[5] II. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß Art. 27 EuGVVO nicht vor. Ausweislich des Urteils des Gerichtshofs richte sich die internationale Zuständigkeit für Klagen auf Feststellung der Ungültigkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts nach Art. 22 Nr. 1 EuGVVO. Eine solche Klage habe die Z GbR vor dem Tribunale Ordinario in Mailand erhoben. Für die Entscheidung hierüber seien aber die später angerufenen deutschen Gerichte international zuständig. Die Beklagte habe zwar geltend gemacht, Anknüpfungspunkt des Verfahrens vor den italienischen Gerichten seien schuldrechtliche Ansprüche. Das ändere aber nichts daran, dass sich diese Fragen ohne das Vorliegen des dinglichen Vorkaufsrechts in dem Verfahren dort nicht stellten. Eine Sachentscheidung der italienischen Gerichte wäre daher nach Art. 35 EuGVVO nicht anzuerkennen. Der Rechtsstreit sei deshalb auch nach Art. 28 EuGVVO nicht auszusetzen.

[6] III. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung in der Sache stand. Zu beanstanden ist nur, dass über die Kosten des Beschwerdeverfahrens gesondert erkannt worden ist.

[7] 1. Eine Aussetzung des Rechtsstreits nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO kommt nicht in Betracht.

[8] a) Nach dieser Vorschrift hat das später angerufene Gericht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union das bei ihm anhängige Verfahren von Amts wegen auszusetzen, wenn wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien zuvor ein Rechtsstreit bei dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats anhängig gemacht worden ist, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Das gilt nicht, wenn das später angerufene Gericht nach Art. 22 Nr. 1 EuGVVO ausschließlich zuständig ist. Dann nämlich wäre eine Sachentscheidung des zuerst angerufenen Gerichts nach Art. 35 EuGVVO nicht anzuerkennen und das später angerufene Gericht verpflichtet, ohne Aussetzung des Verfahrens über die bei ihm erhobene Klage zu entscheiden (EuGH, Urteil Weber, Rs. C-438/12, EU:C:2014:212 = NJW 2014, 1871 Rn. 56; Senat, Beschluss vom 13. August 2014 - V ZB 163/12, WM 2014, 1813 Rn. 11). So liegt es hier.

[9] b) Das Verfahren vor dem Tribunale Ordinario in Mailand und das vorliegende Verfahren betreffen zwar im Sinne von Art. 27 Abs. 1 EuGVVO denselben Anspruch und dieselben Parteien.

[10] aa) (1) Die Gegenstände beider Verfahren stimmen allerdings nicht vollständig überein. Im vorliegenden Verfahren geht es um den Anspruch der Klägerin auf Übertragung des Miteigentumsanteils der Beklagten auf Grund des Kaufvertrags, der nach Maßgabe von § 464 Abs. 2 BGB durch den Abschluss des Kaufvertrags zwischen der Beklagten und der Z GbR und die Ausübung des Vorkaufsrechts zustande gekommen sein soll (fortan Vorkaufvertrag). Demgegenüber betrifft das Verfahren in Mailand die Feststellung der Unwirksamkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin, die Gültigkeit des Kaufvertrags der Beklagten mit der Z GbR und - hilfsweise - die Frage, ob zum Inhalt des Vorkaufvertrags der Parteien auch das Rücktrittsrecht gehört, das sich die Beklagte in dem Kaufvertrag mit der Z GbR vorbehalten hat.

[11] (2) Das ändert an der grundsätzlichen Anwendbarkeit von Art. 27 Abs. 1 EuGVVO nichts. Der Gegenstand der Verfahren vor den angerufenen Gerichten muss dazu nämlich nicht vollständig übereinstimmen. Es kommt auch nicht auf die Einzelheiten des Streitgegenstands nach der jeweiligen Prozessordnung, sondern auf den Zweck der Klage und darauf an, ob in beiden Verfahren dieselben Fragen im Mittelpunkt stehen (EuGH, Urteile Gubisch Maschinenfabrik/

Palumbo, Rs. 144/86, EU:C:1987:528 = NJW 1989, 665 Rn. 16 und Tatry/Maciej Rataj, Rs. C-406/92, EU:C:1994:400 Rn. 41, 43; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 27 Brüssel-I-VO Rn. 8; kritisch: Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 27 EuGVVO Rn. 30-32).

[12] (3) Letzteres ist hier der Fall. Der Bestand des im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Übertragungsanspruchs aus dem Vorkaufvertrag hängt entscheidend davon ab, ob die Klägerin das Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt hat, ob der Kaufvertrag der Beklagten mit der Z GbR wirksam ist und ob zu dem Inhalt des Vorkaufvertrags der Parteien auch das Rücktrittsrecht gehört, das der Beklagten nach dem Kaufvertrag mit der Z GbR zusteht. Insoweit betreffen die Verfahren denselben "Anspruch".

[13] bb) Unschädlich ist ferner, dass die Klägerin des Verfahrens in Mailand, die Z GbR, an dem vorliegenden Verfahren nicht beteiligt ist. Ein Rechtsstreit betrifft auch dann "dieselben Parteien", wenn diese nicht vollständig identisch sind. Das Verfahren ist insoweit auszusetzen, als die Parteien des später eingeleiteten Verfahrens auch Parteien des früheren sind; auf die Parteirolle kommt es nicht an (vgl. EuGH, Urteil Tatry / Maciej Rataj, Rs. C-406/92, EU:C:1994:400 Rn. 34, 36; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 27 Brüssel-I-VO Rn. 7). So liegt es hier. Beide Parteien des vorliegenden Rechtsstreits nehmen an dem Verfahren vor dem Tribunale Ordinario in Mailand teil, wenn auch als Beklagte.

[14] c) Die vor den italienischen Gerichten anhängige Klage führt aber nicht zur Aussetzung des vorliegenden Verfahrens. Für die Entscheidung über die Fragen, die Gegenstand beider Verfahren sind, ist das zuerst angerufene Tribunale Ordinario in Mailand nicht international zuständig. Insoweit haben beide Klagen "dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen ... zum Gegenstand", für die nach Art. 22 Nr. 1 EuGVVO das Gericht an dem Ort ausschließlich zuständig ist, an dem sich das Grundstück befindet. Das ist das Landgericht München I, vor dem das vorliegende Verfahren anhängig ist. Dieses Verfahren ist deshalb nicht auszusetzen, sondern unter Entscheidung der aufgeworfenen Sachfragen abzuschließen.

[15] aa) Zu diesen Sachfragen gehört zunächst die in dem Verfahren in Mailand mit dem ersten Hauptantrag angestrebte Feststellung der Unwirksamkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union im vorliegenden Verfahren entschieden (Urteil Weber, Rs. C-438/12, EU:C:2014:212 = NJW 2014, 1871 Rn. 45-47). Die Beklagte erhebt dagegen auch keine Einwände.

[16] bb) Entgegen der Ansicht der Beklagten gilt für den zweiten Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag in dem Verfahren vor dem Tribunale Ordinario in Mailand nichts anderes.

[17] (1) Richtig ist allerdings, dass diese beiden Anträge bei sachlich-rechtlicher Betrachtung nicht ein dingliches Recht betreffen, sondern schuldrechtliche Fragen, nämlich die Gültigkeit des Kaufvertrags der Beklagten mit der Z GbR und den Inhalt des Kaufvertrags zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens. Diese sachlich-rechtliche Betrachtung ist aber für die Beurteilung des Umfangs der ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 22 Nr. 1

EuGVVO nicht maßgeblich.

[18] (2) Der Gerichtshof hat seine Entscheidung, dass die mit dem ersten Hauptantrag angestrebte Feststellung der Unwirksamkeit der Ausübung des dinglichen Vorkaufsrechts durch die Klägerin eine dingliche Klage im Sinne der genannten Vorschrift ist, nicht damit begründet, dass dieses wie ein dingliches Recht im Grundbuch eingetragen ist. Diese Entscheidung beruht vielmehr auf der Überlegung, dass ein dingliches Vorkaufsrecht nach dem maßgeblichen deutschen Sachrecht dem Berechtigten die Möglichkeit verschafft, seinen Erwerbsanspruch gegen jeden durchzusetzen (Urteil Weber, Rs. C-438/12, EU:C:2014:212 Rn. 45). In der Möglichkeit, sein Recht gegenüber jedermann durchzusetzen, liegt nämlich nach dem sog. Schlosser-Bericht (Schlosser, Bericht zu dem Übereinkommen des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über den Beitritt zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof vom 5. März 1979, ABl. EG Nr. C 59 S. 71) das entscheidende Abgrenzungsmerkmal zwischen dinglichen und schuldrechtlichen Rechtspositionen und Klagen (Nr. 166). Das greift der Gerichtshof auf und stützt seine Qualifikation entscheidend auf die einem dinglichen Berechtigten vergleichbare Stellung des Berechtigten eines dinglichen Vorkaufsrechts (Urteil Weber, Rs. C-438/12, EU:C:2014:212 Rn. 46). Sie beruht nach dem von dem Gerichtshof zitierten, hier nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe c VO (EG) Nr. 593/2008 (vom 17. Juni 2008, ABl. Nr. L 177 S. 6, ber. ABl. 2009 Nr. L 309 S. 87 - ROM-I-Verordnung) international-privatrechtlich anwendbaren § 1094 BGB auf dem vormerkungsgleich geschützten Erwerbsanspruch des Vorkaufsberechtigten. Dingliche Klage im Sinne von Art. 22 Nr. 1 EuGVVO ist deshalb nicht nur ein Streit über die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts als eine der Voraussetzungen für das Entstehen des Erwerbsanspruchs, sondern auch ein Streit darüber, welche Regelungen in dem Kaufvertrag mit dem Dritten - hier der Z GbR - Inhalt des Vorkaufvertrags geworden sind.

[19] (3) Über die mit dem ersten Hilfsantrag aufgeworfene Frage nach dem Inhalt des Vorkaufsvertrags kann nicht entschieden werden, ohne zuvor die Frage nach der wirksamen Ausübung des dinglichen Vorkaufsrechts durch die Klägerin zu beantworten. Er ist auch nur hilfsweise für den Fall gestellt worden, dass die Klägerin ihr Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt hat.

[20] (4) Eine derartige Verknüpfung mit dem ersten Hauptantrag enthält der zweite Hauptantrag zwar nicht. Das ändert aber nichts daran, dass auch er nicht zur Aussetzung des Verfahrens nach Art. 27 EuGVVO führt.

[21] (a) Die Frage nach der Gültigkeit des Kaufvertrags zwischen der Z GbR und der Beklagten hat nämlich einen unmittelbaren sachlich-rechtlichen Bezug zu dem Erwerbsanspruch, den die Klägerin im vorliegenden Verfahren geltend macht. Denn eine der Voraussetzungen für diesen Erwerbsanspruch ist das Zustandekommen eines wirksamen Kaufvertrags mit einem Dritten, hier der Z GbR. Ob der zweite Hauptantrag darauf zielt, ist zweifelhaft. Denn der Erwerbanspruch der Klägerin, den die Z GbR mit der Klage vor den italienischen Gerichten zu Fall bringen will, scheitert nur, wenn ihr Vertrag mit der Beklagten ungültig ist, nicht dagegen, wenn er gültig ist. Dem muss hier nicht weiter nachgegangen werden.

[22] (b) Soll mit dem zweiten Hauptantrag die Gültigkeit des Kaufvertrags der Z GbR mit der Beklagten als Bedingung für das Zustandekommen des Vorkaufvertrags der Parteien geklärt werden, scheitert eine Aussetzung des Verfahrens vor den deutschen Gerichten nach Art. 27 EuGVVO daran, dass die deutschen Gerichte zur Klärung der Frage nach Art. 22 EuGVVO ausschließlich zuständig sind. Denn dann geht es um die Bedingungen des Erwerbsanspruchs aus dem Vorkaufsrecht. Eine Klage zur Durchsetzung dieses Anspruchs ist nach dem erwähnten Urteil des Gerichtshofs in der Sache Weber (Rs. C-438/12, EU:C:2014:212) eine dingliche Klage im Sinne von Art. 22 EuGVVO.

[23] (c) Hat der zweite Hauptantrag dagegen den Zweck, die Gültigkeit des Kaufvertrags zwischen der Z GbR und der Beklagten etwa zur Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs der Z GbR zu klären, scheitert eine Aussetzung daran, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach Art. 27 EuGVVO schon im Ansatz nicht vorliegen. Denn dann beträfe der Antrag nicht mehr "denselben Anspruch" im Sinne dieser Vorschrift, sondern ein anderes Rechtsverhältnis. Denselben Anspruch betrifft der Antrag nur, wenn die Gültigkeit des Kaufvertrags zwischen der Beklagten und der Z GbR einen Bezug zu dem Erwerbsanspruch der Klägerin aus dem Vorkaufvertrag hat, der Gegenstand des Rechtsstreits vor den deutschen Gerichten ist. Zur Entscheidung wären dann aber nach Art. 22 EuGVVO nicht die italienischen, sondern die deutschen Gerichte am dinglichen Gerichtsstand berufen.

[24] 2. Eine Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits lässt sich auch nicht auf Art. 28 EuGVVO stützen. Ein Sachzusammenhang zwischen dem vorliegenden Rechtsstreit und dem Verfahren in Mailand besteht nur insoweit, als es die Voraussetzungen für das Zustandekommen des Vorkaufvertrags und dessen Inhalt zum Gegenstand hat. Gerade darüber haben aber nach Art. 22 Nr. 1 EuGVVO ausschließlich die im vorliegenden Rechtsstreit angerufenen Gerichte zu entscheiden. Würde in dem Verfahren in Mailand, etwa bei Erfolg der bei der italienischen Corte Suprema di Cassazione anhängigen Revision gegen das klageabweisende Berufungsurteil in jenem Verfahren, dennoch in der Sache entschieden, wäre diese Entscheidung wegen Verstoßes gegen die ausschließliche Zuständigkeit der - wenn auch später - angerufenen deutschen Gerichte nach Art. 35 EuGVVO nicht anerkennungsfähig. Das schließt eine Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits wegen jenes Verfahrens aus.

[25] 3. Nichts anderes gilt für eine Aussetzung nach § 148 ZPO.

[26] IV. 1. Über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist hier nicht zu befinden. Eine Kostenentscheidung hat zu unterbleiben, wenn die Ausgangsentscheidung - wie hier - keine Kostenentscheidung enthalten darf. Die Kosten des (Rechts-) Beschwerdeverfahrens bilden in solchen Fällen einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig von dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens von der in der Hauptsache unterliegenden Partei nach §§ 91 ff. ZPO zu tragen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 13. August 2014 - V ZB 163/12, WM 2014, 1813 Rn. 12).

[27] 2. Das Beschwerdegericht durfte aus dem gleichen Grund seinerseits nicht über die Kosten des Beschwerdeverfahrens entscheiden. Die von ihm getroffene Kostenentscheidung ist deshalb aufzuheben. Auch über diesen Teil der Kosten ist in dem Endurteil zu befinden.

Stresemann Schmidt-Räntsch Czub

Kazele Göbel

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell