V ZR 182/12
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am:
24. Mai 2013
LesniakJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
WEG § 21 Abs. 3
Den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG) genügt jedenfalls bei Vorliegen gravierender Mängel der Bausubstanz nur eine den allgemein anerkannten Stand der Technik sowie die Regeln der Baukunst beachtende Sanierung; da DIN-Normen die Vermutung in sich tragen, dass sie den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, sind solche Sanierungen grundsätzlich DIN-gerecht auszuführen.
BGH, Urteil vom 24. Mai 2013 - V ZR 182/12 - LG Berlin, AG Tiergarten
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterin Weinland
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 3. Juli 2012 wird als unzulässig verworfen, soweit sie den in der Versammlung der Wohnungseigentümer vom 22. September 2009 gefassten Beschluss zu TOP 7 betrifft.
Im Übrigen wird das Urteil - auch im Kostenpunkt - aufgehoben.
Auf die weitere Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 28. Oktober 2011 insgesamt aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung werden die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[1] Die Parteien bilden die im Rubrum näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Klägerin, Teileigentümerin der im 5. Geschoss gelegenen - früher als Trockenboden genutzten - Einheit Nr. 22, beabsichtigt deren Ausbau zu Wohnungen. Nach § 21 der Teilungserklärung (TE) ist der jeweilige Eigentümer dieser Einheit unter näher bezeichneten Voraussetzungen befugt, die seiner Berechtigung unterliegenden Dachgeschossbereiche auf eigene Kosten zu Wohnzwecken auszubauen und die neu geschaffenen Räume von Teil-eigentum in Wohnungseigentum umzuwandeln. Zur Beteiligung an den Instandsetzungskosten ist er erst nach Fertigstellung des Dachgeschosses bzw. nach Einzug des Eigentümers verpflichtet.
[2] Auf der Eigentümerversammlung vom 22. September 2009 wurde zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 7 u.a. der folgende Beschluss gefasst:
"Sofern Teilflächen der Einheit Nr. 22 Erwerbern zum Selbstausbau angeboten werden, hat der Eigentümer der Einheit Nr. 22 sicherzustellen, dass der Ausbau unter einheitlicher Leitung und innerhalb der mit Beschluss der Eigentümerversammlung vom 6.6.2008 beschlossenen einheitlichen maximalen Bauzeit für das gesamte Dachgeschoss von 18 Monaten durch Fachunternehmen unter seiner Koordination erfolgt. Die Einhaltung dieser Maßgaben hat der Eigentümer der Einheit Nr. 22 der WEG gegebenenfalls vor Beginn von Baumaßnahmen durch Vorlagen entsprechender vertraglicher Vereinbarungen mit den Erwerbern nachzuweisen."
[3] Nach einem von der Klägerin eingeholten Gutachten der Sachverständigen S. ist die Dach- und Deckenkonstruktion über dem 4. Obergeschoss mit "echtem Hausschwamm" und sonstigen holzzerstörenden Pilzen befallen. Es wird eine Sanierung nach DIN 68800 Teil 4 i.V.m. dem WTA-Merkblatt
Nr. 1-2-05/D (im Folgenden nur noch DIN 68800) empfohlen. Demgegenüber kommt der von der Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragte Sachverständige M. zu dem Ergebnis, es lägen allenfalls leichte Schäden der Deckenkonstruktion vor. Die von der Sachverständigen S. empfohlenen Sanierungsmaßnahmen seien fachlich nicht auf das Notwendige beschränkt.
[4] Vor diesem Hintergrund wurde auf der Eigentümerversammlung vom 22. September 2009 zu TOP 10 eine von der DIN 68800 abweichende Sanierung "gemäß den Vorgaben des Sachverständigen M" beschlossen.
[5] Die gegen die Beschlüsse zu TOP 7 und 10 gerichtete Anfechtungsklage ist in den Tatsacheninstanzen erfolgreich gewesen. In den Rechtsstreit eingeführt worden sind weitere Parteigutachten sowie ein in einem selbständigen Beweisverfahren eingeholtes gerichtliches Sachverständigengutachten. Die mit der Begründung zugelassene Revision, "Fragen des Umfangs der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Herstellung des Gemeinschaftseigentums unter Bezugnahme auf eine DIN-Vorschrift" seien klärungsbedürftig, ist Gegenstand des hiesigen Revisionsverfahrens V ZR 182/12, in dem die Beklagten eine Abweisung der Klage erreichen möchten.
[6] Auf einer weiteren Eigentümerversammlung vom 7. Juli 2010 wurde der unter TOP 5 gestellte Antrag der Klägerin abgelehnt, eine Instandsetzung und Sanierung der Geschossdecke über dem 4. Obergeschoss und des Dachstuhls nach den Vorgaben der DIN 68800 durchzuführen. Die dagegen erhobene Anfechtungsklage hat die Klägerin mit dem Antrag verknüpft, die Beklagten zu einer Sanierung gemäß DIN 68800 und - hilfsweise - nach gerichtlichem Ermessen dazu zu verpflichten, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen gemäß den Anforderungen der genannten DIN-Norm auszuführen.
[7] Mit Urteil vom 3. März 2011 hat das Amtsgericht den Beschluss vom 7. Juli 2010 nur insoweit für ungültig erklärt, als der Antrag der Klägerin auf Ausführung der notwendigen Sanierungsmaßnahmen der Geschossdecke über dem 4. Obergeschoss nach der DIN 68800 abgelehnt wurde; nur insoweit hat es auch dem Hilfsantrag stattgegeben. Im Übrigen - also mit Blick auf die Sanierung des Dachstuhls - hat es die Klage abgewiesen. Die gegen die teilweise Stattgabe der Klage eingelegte Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision erstreben die Beklagten eine vollständige Klageabweisung in dem Revisionsverfahren mit dem Aktenzeichen V ZR 74/12.
[8] Auf einer im September 2011 durchgeführten Versammlung befassten sich die Wohnungseigentümer abermals mit der Frage der Sanierung und fassten zu TOP 3 mehrheitlich folgenden - in einem weiteren Rechtsstreit angefochtenen - Beschluss:
"Der Beschluss vom 22.9.2009 wird dahingehend präzisiert, dass nicht eine generelle Abweichung von der DIN 68800, Teil 4 gemeint war, sondern eine regelkonforme Sanierung der Decke über dem 4. OG unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles."
[9] Der Senat hat die beiden in der Revisionsinstanz anhängigen Prozesse V ZR 74/12 und V ZR 182/12 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revisionen.
Entscheidungsgründe:
[10] I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind beide Klagen zulässig. Insbesondere sei der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit unbegründet. Die Streitgegenstände seien nicht identisch. Es handele sich um eigenständige Beschlüsse, über deren Rechtmäßigkeit isoliert befunden werden müsse. Da der spätere - auf einer im September 2011 durchgeführten Eigentümerversammlung zu TOP 3 gefasste - Beschluss von der Klägerin angefochten worden und das der Anfechtungsklage stattgebende erstinstanzliche Urteil nicht rechtskräftig sei, fehle es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis.
[11] Auch in der Sache seien die Urteile des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Mit Blick auf den Beschluss vom 22. September 2009 zu TOP 7 fehle es an der Beschlusskompetenz. Die Beschlüsse vom 22. September 2009 zu TOP 10 und vom 7. Juli 2010 zu TOP 5 könnten keinen Bestand haben, weil insbesondere bei komplizierten Sanierungsfällen wie etwa der Beseitigung echten Hausschwamms nur eine dem Stand der Technik und den Regeln der Baukunst entsprechende Sanierung den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspreche.
[12] Da die vorliegend einschlägige DIN 68800 den Stand der Technik
beschreibe, wären Eigentumswohnungen in ihrem Wert erheblich gemindert und kaum mehr verkäuflich, wenn bei der Veräußerung darauf hingewiesen werden müsste, dass eine Dekonstruktionsfäule nicht unter Beachtung der
genannten DIN-Norm saniert worden sei. Zwingende Gründe für eine "zurückhaltende Sanierung" im Rahmen eines sog. Sonderverfahrens lägen nicht vor. Das Gebäude sei weder denkmalgeschützt noch seien besonders erhaltungswürdige Holzteile vorhanden. Hinzu komme, dass im Falle einer solchen Sanierung eine Kontrolle der betroffenen Bauteile durchgeführt werden müsste, was jedoch nur noch schwer möglich sei, wenn die Klägerin den Dachraum vollständig ausbaue. Zu Recht habe das Amtsgericht daher im Wege der Beschlussersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG eine DIN-gerechte - und im Übrigen auch hinreichend bestimmte - Sanierung angeordnet. Dem Anspruch der Klägerin stehe auch unter Berücksichtigung der erheblichen Kosten und des Umstandes, dass die Klägerin nach der Teilungserklärung nicht an den Sanierungskosten zu beteiligen sei, der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen.
[13] II. Das Rechtsmittel ist nur teilweise zulässig. Mit Blick auf den am 22. September 2009 zu TOP 7 gefassten Beschluss ist es mangels Revisionszulassung nicht statthaft (§ 543 Abs. 1 ZPO).
[14] Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben, sofern daraus klar und eindeutig der Wille des Berufungsgerichts hervorgeht, die Revision in bestimmter Hinsicht zu
beschränken (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. Januar 2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365, 1366; Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 175/10, ZWE 2011, 331; Urteil vom 11. Mai 2012 - V ZR 193/11, Grundeigentum 2012, 962 f., Rn. 5 mwN). So liegt es hier. Das Berufungsgericht hält eine Entscheidung des Revisionsgerichts lediglich zur Klärung der "Fragen des Umfangs der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Herstellung des Gemeinschaftseigentums unter Bezugnahme auf eine DIN-Vorschrift" für erforderlich. Diese Fragen spielen jedoch bei der Anfechtung des Beschlusses vom 22. September 2009 zu TOP 7 ersichtlich keine Rolle. Regelungsgegenstände dieses Beschlusses sind lediglich die
Sicherstellung einer einheitlichen (Bau-)Leitung, einer maximalen Bauzeit, eines Ausbaus durch Fachunternehmen sowie die Vorlage vertraglicher Abreden, die die Einhaltung dieser Vorgaben auch durch Erwerber gewährleisten sollen.
[15] III. Im zulässigen Umfang ist die Revision begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Berufungsurteile und zur Zurückverweisung der Sachen an das Berufungsgericht.
[16] 1. Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
[17] a) Zutreffend geht es allerdings von der Zulässigkeit der Klagen aus.
[18] aa) Der in beiden Berufungsurteilen erörterte Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), der im rechtlichen Ansatzpunkt ohnehin allenfalls die Zulässigkeit der zweiten Klage in Frage stellen kann, greift nicht durch, weil die Streitgegenstände der Klagen nicht einmal teilweise identisch sind. Gegenstand der beiden Klagen sind unterschiedliche Beschlüsse; darüber hinaus geht es - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - um den von der Klägerin nur in einem Rechtsstreit gestellten Antrag, das Gericht möge anstelle der Wohnungseigentümer über die Sanierung der über dem 4. Obergeschoss liegenden Decke entscheiden. Dass die zu klärenden Vorfragen in beiden Verfahren (weitgehend) dieselben sind, vermag eine Identität der Streitgegenstände nicht zu begründen. Bei der Beschlussmängelklage ist Streitgegenstand nur die Gültigkeit des jeweils in Rede stehenden Beschlusses (Senat, Beschluss vom 25. September 2003 - V ZB 21/03, BGHZ 156, 192, 206 mwN; vgl. auch Senat, Urteil vom 2. Oktober 2009 - V ZR 235/08, BGHZ 182, 307, 315 f.; Merle in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 23 Rn. 74). In der Entscheidung hierüber erschöpft sich die Rechtskraftwirkung eines Urteils; die zur Gültigkeit des Beschlusses angestellten Erwägungen werden hiervon nicht erfasst.
[19] bb) Die Zulässigkeit der Klagen begegnet auch im Übrigen keinen durchgreifenden Bedenken.
[20] (1) Das gilt zunächst für die gegen den Beschluss vom 22. September 2009 zu TOP 10 gerichtete Anfechtungsklage, für die im Hinblick auf nachfolgende Beschlussfassungen nicht das Rechtsschutzbedürfnis entfallen ist.
[21] (a) Die von dem Amtsgericht nach § 21 Abs. 8 WEG anstelle der Wohnungseigentümer getroffene Regelung, der Dachboden sei nach den Vorgaben der DIN 68800 zu sanieren, vermag das Rechtsschutzinteresse schon deshalb nicht in Frage zu stellen, weil Beschlussersetzungen - anders als (nicht nichtige) Beschlüsse der Wohnungseigentümer nach § 23 Abs. 4 WEG - nicht schon mit der Beschlussfassung gültig sind. Regelungen nach § 21 Abs. 8 WEG werden durch Gestaltungsurteil ausgesprochen und entfalten damit Wirkungen erst mit Eintritt der Rechtskraft (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - V ZR 146/10, WM 2011, 2385 mwN).
[22] (b) Der im September 2011 gefasste - und auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts wirksame - Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer ist zwar nach § 23 Abs. 4 WEG gültig, solange er nicht durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt ist. Wie die bei der Anfechtung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer entsprechend anwendbare Regelung des § 244 AktG (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 1. Dezember 1988 - V ZB 6/88, BGHZ 106, 113, 115 f.; Merle, aaO, § 23 Rn. 74 mwN) zeigt, führt dies selbst bei Annahme eines die Erstregelung bestätigenden Zweitbeschlusses grundsätzlich erst mit Eintritt der Bestandskraft oder mit rechtskräftiger Bestätigung des Zweitbeschlusses zu einer Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses hinsichtlich der Anfechtung des zuerst gefassten Beschlusses. Hierfür hat das Berufungsgericht nichts festgestellt. Dass über die Anfechtung des im September 2011 gefassten Beschlusses auch in der Zwischenzeit nicht rechtskräftig befunden worden ist, ergibt sich im Übrigen - was der Senat in der mündlichen Verhandlung erörtert hat - aus den Akten dieses Anfechtungsprozesses (zur Berücksichtigungsfähigkeit von Amts wegen zu berücksichtigender Umstände im Revisionsverfahren BGH, Urteil vom 6. Oktober 1983 - III ZR 61/82, VersR 1984, 77).
[23] (2) Mit Blick auf den mit der zweiten Klage verfolgten (Hilfs-)Antrag auf Beschlussersetzung ist das Rechtschutzbedürfnis gegeben, nachdem der
Beschlussantrag der Klägerin mehrheitlich abgelehnt wurde (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09, BGHZ 184, 88, 92 f.). Der Klageantrag ist schon deshalb hinreichend bestimmt, weil bei der Beschlussersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG das grundsätzlich den Wohnungseigentümern zustehende Ermessen von dem Richter ausgeübt wird und deshalb - anders als nach der allgemeinen Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - die Angabe des Rechtsschutzziels genügt (vgl. nur Suilmann in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 21 Rn. 122, 126; Merle in Bärmann, aaO, § 21 Rn. 199, 208).
[24] b) Rechtsfehlerhaft hält das Berufungsgericht jedoch die Klage für
begründet. Zwar ist die Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 21 Abs. 8 WEG revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. auch OLG Düsseldorf, MDR 2000, 1126; Timme/Elzer, WEG, § 21 Rn. 420), in diesem Rahmen aber zu beanstanden.
[25] aa) Soweit das Berufungsgericht allerdings zugrunde legt, dass mit Blick auf die Werterhaltung und die Verkäuflichkeit von Eigentumswohnungen nur eine den allgemein anerkannten Stand der Technik sowie die Regeln der Baukunst beachtende Sanierung den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, trifft dies jedenfalls bei Vorliegen gravierender Mängel der Bausubstanz - wie bei der hier festgestellten Dekonstruktionsfäule - zu. Da DIN-Normen die Vermutung in sich tragen, dass sie den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben (vgl. nur Pastor in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rn. 1969 mwN), führt dies im rechtlichen Ausgangspunkt dazu, dass solche Sanierungen nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn sie DIN-gerecht durchgeführt werden.
[26] bb) Diese Vermutung kann jedoch entkräftet werden. Nur wenn dies gelingt, bleibt bei der Ausübung des den Wohnungseigentümern (§ 21 Abs. 3 WEG) bzw. dem Richter (§ 21 Abs. 8 WEG) eingeräumten Gestaltungsermessens Raum für eine von DIN-Normen abweichende Sanierung. DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter, die hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleiben können (BGH, Urteil vom 14. Mai 1998 - VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16, 19 f.; Urteil vom 14. Juni 2007 - VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346, 355 f. mwN), weil technische Entwicklung und wissenschaftliche Erkenntnis in einem ständigen Wandel begriffen sind (Pastor in Werner/Pastor, aaO, Rn. 1970 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - VII ZR 45/06, aaO). Von daher liegt es in der Natur der Sache, dass in DIN-Normen empfohlene Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung nicht mehr die anerkannten Regeln der Technik beschreiben, wenn aufgrund neuer Erkenntnisse andere - geeigneter erscheinende - Methoden an deren Stelle treten, was zur Verteuerung, aber auch zur Verbilligung von Sanierungen führen kann. Ob es sich so verhält, kann zuverlässig nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2008 - VII ZR 219/06, BauR 2008, 1031, 1032; Pastor in Werner/Pastor, aaO, Rn. 1977 mwN). Tritt eine Partei der Vermutungswirkung im Zivilprozess unter Beweisantritt entgegen, hat das Gericht dem grundsätzlich nachzugehen.
[27] So liegt es hier. Die Revision verweist darauf, dass die Beklagten in den Berufungsschriften u.a. im Hinblick auf neuere - für den Sanierungsaufwand entscheidende - biologische Erkenntnisse über Holzschädlinge bestreiten, dass die DIN 68800 (noch) die "allgemein anerkannten Konstruktionsgrundsätze" wiedergibt, und dies unter Sachverständigenbeweis gestellt wird. Zwar kann ein Gericht von der an sich erforderlichen Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Vorliegen eigener Sachkunde absehen. Das setzt jedoch
voraus, dass die Sachkunde des Gerichts den Parteien vor der Entscheidung bekannt gemacht und zudem im Urteil im Einzelnen dargelegt wird (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99, NJW 2000, 1946, 1947; Zöller/
Greger, ZPO, 29. Aufl., § 402 Rn. 7 mwN). Daran fehlt es hier, wie die Revision zu Recht rügt. Ebenso verhält es sich, soweit das Berufungsgericht seine Erwägungen auf gerichtsbekannte Tatsachen stützt (vgl. Zöller/Greger, aaO, § 291 Rn. 1a ff. mwN).
[28] 2. Danach können die Berufungsurteile keinen Bestand haben (§ 562 ZPO). Die Sachen sind an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
[29] 3. Für die erneute Befassung mit der Sache weist der Senat auf Folgendes hin.
[30] a) Die Frage, ob nur eine Sanierung nach der DIN 68800 den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, wird unter Heranziehung der jeweils aktuellen Fassung der DIN-Norm zu klären sein. Jedenfalls bei noch vorzunehmenden Sanierungsarbeiten trägt nur die aktuelle Fassung die Vermutung in sich, dass der Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben wird, zumal den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung in aller Regel nur genügt sein wird, wenn Sanierungsmaßnahmen den im Zeitpunkt ihrer Durchführung maßgebenden Standards entsprechen (zu der ähnlich gelagerten Problematik im Werkvertragsrecht vgl. auch BGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225, 230). Dies gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit den Ausführungen der Parteien im Revisionsverfahren zu der Frage auseinanderzusetzen, ob die überarbeitete Fassung der DIN 68800 in den hier entscheidenden Punkten der früheren Fassung tatsächlich noch entspricht.
[31] b) Da die Beschlussersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG in die Privatautonomie der Wohnungseigentümer eingreift, dürfen Maßnahmen nur insoweit angeordnet werden, als dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes unbedingt notwendig ist (Merle in Bärmann, aaO, § 21 Rn. 214). Es ist daher stets zu prüfen, ob und ggf. auf welche Weise es den Wohnungseigentümern ermöglicht werden kann, noch selbst in eigener Regie eine Entscheidung zu treffen (Suilmann in Jennißen, aaO, § 21 Rn. 1 mwN). Vorliegend ist Dreh- und Angelpunkt des Streits die Frage, ob nur eine DIN-gerechte Sanierung den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht. Die Klägerin verweist jedenfalls im Revisionsverfahren auf kein tatsächliches Vorbringen, wonach die ernstliche Gefahr besteht, dass die Wohnungseigentümer nach rechtskräftiger Klärung dieser Frage nicht die auf dieser Grundlage erforderlichen Maßnahmen beschließen werden. Bei einer solchen Sachlage genügt es in der Regel, wenn das Gericht nach § 21 Abs. 8 WEG die entscheidende Richtung - hier die Art der Sanierung - vorgibt. Ist dagegen zudem die Konkretisierung im Streit, ist der Ersetzungsbeschluss - gegebenenfalls nach Einholung eines Sachverständigengutachtens (Suilmann in Jennißen, aaO, § 21 Rn. 151) - so detailliert zu fassen, dass insoweit insbesondere für den zur Umsetzung berufenen Verwalter klar ist, welche konkreten Maßnahmen zu veranlassen sind. Dabei sind allerdings Verallgemeinerungen nicht von vornherein ausgeschlossen, weil sich im Zuge der Bauausführung noch gewisse Änderungen und weiterer Konkretisierungsbedarf ergeben können. Es müssen jedoch auch dann die durchzuführenden Arbeiten in ihren wesentlichen Umrissen und Schritten in dem Beschluss umschrieben werden (ähnlich zur Bestimmtheit von
Duldungsanträgen BGH, Urteil vom 28. September 2011 - VIII ZR 242/10, NJW 2012, 63 f.; vgl. auch Merle in Bärmann, aaO, § 23 Rn. 56; strenger wohl Elzer in Jennißen, aaO, vor §§ 23 ff. Rn. 146 u. 148 aE).
Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch
Roth Weinland