V ZR 235/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am:
10. Juni 2005
W i l m s,Justizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
WEG § 27 Abs. 2 Nr. 5
Der bestandskräftige Beschluß der Wohnungseigentümer, einzelne Mitglieder der Gemeinschaft allgemein zur Geltendmachung von Forderungen der Gemeinschaft zu ermächtigen, ist wirksam.
BGB § 273 Abs. 1
Der nachhaltige Zahlungsrückstand des Mitglieds einer nicht rechtsfähigen Gemeinschaft berechtigt deren Mitglieder zur Verhängung einer Versorgungssperre.
BGH, Urt. v. 10. Juni 2005 - V ZR 235/04 - LG Berlin, AG Schöneberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2005 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 52 des Landgerichts Berlin vom 9. August 2004 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Den Parteien steht jeweils ein Erbbaurecht an Grundstücken des Bauabschnitts 772 der "Gartenstadt D. " in B. zu. Die Grundstücke sind mit Einfamilienhäusern bebaut. Diese verfügen über keine eigenen Anlagen zur Wärmeerzeugung, sondern werden gemeinschaftlich mit Heizwärme und warmem Wasser versorgt. Ebenso erfolgt die Abfallentsorgung gemeinschaftlich. Die Spielplätze und Erschließungswege des Baugebiets sind auf Grundstücken angelegt, an denen den Berechtigten der Wohngrundstücke gemeinschaftliche Erbbaurechte nach Bruchteilen zustehen. Zur Verwaltung der gemeinschaftlichen Versorgung und der gemeinschaftlichen Einrichtungen haben die Erbbauberechtigten eine "Gemeinschaftsordnung" vereinbart und auf der Grundlage einer "Verwaltungs- und Betreuungsordnung" einen Verwalter bestellt.
Die Versorgung der Häuser mit Wärme erfolgt durch die S. Fernwärme GmbH (S. ). Jeder Erbbauberechtigte steht in einem Vertragsverhältnis zu S. , aufgrund dessen S. an sogenannten Übergabestationen Wärme in Ringleitungen einspeist, an die jeweils bis zu 20 Häuser angeschlossen sind. Die Ringleitungen führen durch die Keller der angeschlossenen Häuser. Dort zweigen Stichleitungen ab, über die das jeweilige Haus versorgt wird. S. rechnet die Kosten der Wärmelieferungen gegenüber dem Verwalter auf der Grundlage von Meßeinrichtungen in den Übergabestationen ab. Der Verwalter verteilt die Kosten gegenüber den Erbbauberechtigten auf der Grundlage der Ablesung von Zwischenzählern, die sich an den Stichleitungen befinden. Nach der "Verwaltungs- und Betreuungsordnung" haben die Erbbauberechtigten in Gestalt von "Hausgeld" Vorschüsse auf die Verwaltungskosten zu zahlen. Aus diesen begleicht der Verwalter insbesondere die Kosten der Wärmelieferungen von S. . Soweit die Vorschüsse nicht ausreichen, den Aufwand zu decken, hat der Verwalter Nachschüsse einzufordern.
Am 18. Oktober 1995 beschlossen die Erbbauberechtigten der Bauabschnitte 771 bis 774 mehrheitlich, "zur Vereinfachung der Prozeßführung und der Durchsetzung evtl. Zwangsverfahren gegen säumige Wohnungseigentümer ... (jeweils zwei oder drei namentlich benannte Erbbauberechtigte der jeweiligen Bauabschnitte) in den Status der Prozeßstandschaft zu versetzen". Dies sind für den Bauabschnitt 772 die Kläger.
Die Beklagten sind mit den an den Verwalter zu leistenden Zahlungen seit Jahren im Rückstand. Zu Beginn des Jahres 2003 betrug ihr Rückstand 16.534,06 . Die Vollstreckung der titulierten Rückstände gegen sie bietet keine Aussicht auf Erfolg. Im Hinblick auf den Zahlungsrückstand der Beklagten beschlossen die Erbbauberechtigten des Bauabschnitts 772 in der "Wohnungseigentümerversammlung" vom 5. März 2003, die Versorgung des Hauses der Beklagten mit Heizwärme durch Trennung der Stichleitung von der Ringleitung im Keller des Hauses der Beklagten zu unterbrechen, bis ihre "Hausgeldschuld getilgt bzw. nachhaltig und regelmäßig abgezahlt" würde. Den mit der Trennung beauftragten Mitarbeitern eines Fachunternehmens verweigern die Beklagten den Zutritt.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Unterbrechung der Stichleitung und nach näherer Maßgabe das Betreten ihres Hauses durch die Mitarbeiter eines Fachunternehmens zu diesem Zweck zu dulden. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht bejaht die geltend gemachten Ansprüche. Es meint, die Beklagten seien aufgrund der "Verwaltungs- und Betreuungsordnung" den übrigen Erbbauberechtigten der "Gartenstadt" gegenüber verpflichtet, die von dem Verwalter in Rechnung gestellten rückständigen und laufenden Zahlungen zu begleichen. Da sie diese Pflicht nachhaltig verletzten, übersteige das Interesse der anderen Erbbauberechtigten, ein Anwachsen des Rückstands zu verhindern, das zu berücksichtigende Interesse der Beklagten an der ungestörten Nutzung ihres Hauses. In entsprechender Anwendung von § 242 BGB seien die Beklagten daher verpflichtet, die Unterbrechung der Versorgung ihres Hauses mit Heizwärme hinzunehmen und hierzu den Mitarbeitern des Installationsunternehmens Einlaß zu gewähren. Diese Ansprüche könnten die Kläger gegenüber den Beklagten durchsetzen.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im wesentlichen stand.
II. 1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen das Prozeßführungsrecht der Kläger. Es folgt aus dem Beschluß der Erbbauberechtigten vom 18. Oktober 1995, durch den die Kläger ermächtigt worden sind, Ansprüche gerichtlich und außergerichtlich in Prozeßstandschaft der Erbbauberechtigten geltend zu machen. Dieser Beschluß ist nach den Regeln des Wohnungseigentumsrechts, das die "Gemeinschaftsordnung" für anwendbar erklärt, wirksam. Er verstößt weder gegen § 27 Abs. 3 WEG, noch handelt es sich um einen vereinbarungsabändernden Beschluß, der nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 145, 15, 162 ff.) wegen fehlender Beschlußkompetenz nichtig wäre. Zwar ist nach § 13 Abs. 2 Nr. 5 der "Gemeinschaftsordnung" der Verwalter berechtigt, im Namen aller Erbbauberechtigten mit Wirkung für und gegen sie Ansprüche gerichtlich und außergerichtlich in Prozeßstandschaft geltend zu machen. Das Recht steht jedoch unter dem Beschlußvorbehalt der Ermächtigung. Die Erbbauberechtigten sind also sowohl in ihrer Entscheidung, ob und in welcher Höhe sie Ansprüche geltend machen wollen, als auch in ihrer Entscheidung, wen sie zur Geltendmachung ermächtigen wollen, frei. Sie können mithin auch durch Mehrheitsbeschluß einen Dritten, insbesondere einzelne Erbbauberechtigte zur Geltendmachung von Ansprüchen ermächtigen (Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 27 WEG Rdn. 28, 34). Ob ein solcher Beschluß ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, kann hier offen bleiben, weil der Beschluß nicht angefochten wurde, sondern bestandskräftig geworden ist.
2. Die Beklagten sind verpflichtet, die Unterbrechung ihres Hauses mit Heizwärme zu dulden und hierzu den Mitarbeitern des von dem Verwalter beauftragten Fachunternehmens Eintritt in den Keller ihres Hauses zu gewähren.
a) Jeder Erbbauberechtigte der Gartenstadt schuldet den übrigen Berechtigten, die Zahlungen an den Verwalter zu leisten, die zur Deckung des laufenden Aufwands und etwaiger Rückstände beschlossen worden sind. Soweit die S. Energie an die Erbbauberechtigten liefert und die Gegenlei-stung hierfür von den Erbbauberechtigten als Gesamtschuldnern zu erbringen ist, bedeutet die Leistung der S. im Verhältnis der Erbbauberechtigten untereinander wirtschaftlich eine Leistung der Gemeinschaft an den Einzelnen (vgl. zur Wohnungseigentümergemeinschaft Gaier, ZWE 2004, 109, 112). Kommt ein Mitglied der Gemeinschaft seinen Pflichten nicht nach, sind die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft grundsätzlich berechtigt, den Säumigen von dem weiteren Leistungsbezug auszuschließen (vgl. OLG Celle NJW-RR 1991, 1118; BayObLG WE 1992, 347; NJW-RR 2004, 1382; OLG Hamm OLGZ 1994, 269, 272; KG NJW-RR 2001, 456, 457; ZWE 2002, 182, 183; AG Tempelhof-Kreuzberg, GE 1997, 565; AG Peine NZM 2001, 534, 535; Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 28 WEG Rdn. 148; Wolicki in Köhler/Bassenge, Wohnungseigentumsrecht, Teil 19, Rdn. 352 ff., 375; Armbrüster, WE 1999, 14, 15; Suilmann, ZWE 2001, 476, 477). Grundlage dieses Rechts ist § 273 BGB (Gaier, aaO, S. 112). Die Konnexität der zurückgehaltenen Leistung mit der Verpflichtung, zu deren Durchsetzung das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird, folgt aus der für alle Mitglieder der Gemeinschaft bestehenden Berechtigung zur Teilhabe an den gemeinschaftlichen Leistungen und der damit korrespondierenden Pflicht zur Erfüllung der jedem Mitglied der Gemeinschaft gegenüber allen anderen Mitgliedern bestehenden Verpflichtungen (Gaier, aaO, S. 112). Das wird im Urteil des OLG Köln NJW-RR 2001, 301, 302 und von Wolicki, aaO, Rdn. 378 verkannt.
b) Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes ist ein Druck- und Sicherungsmittel der Gemeinschaft. Es geht über die durch die "Gemeinschaftsordnung" und die "Verwaltungs- und Betreuungsordnung" dem Verwalter eingeräumten Befugnisse zur Anforderung laufender und rückständiger Zahlungen hinaus und bedarf daher eines Beschlusses der Mitglieder der Gemeinschaft (vgl. OLG Celle NJW-RR 1991, 118; Armbrüster, WE 1999, 14, 17; Kümmel/v. Seldeneck, GE 2002, 1045). Die Bedeutung der Belieferung mit Heizwärme für die Bewohnbarkeit der an die gemeinschaftliche Versorgung angeschlossenen Häuser und die Pflicht der Mitglieder der Gemeinschaft untereinander zur Rücksichtnahme läßt einen Beschluß, die Versorgung mit Heizwärme zu unterbinden, nur bei einem erheblichen Rückstand des betroffenen Mitglieds rechtmäßig sein. Als erheblich ist insoweit ein Rückstand mit mehr als sechs Monatsbeträgen des "Hausgelds" anzusehen (vgl. Staudinger/Bub, aaO, § 28 WEG Rdn. 147; Armbrüster, WE 1999, 14, 16, Kümmel/v. Seldeneck, GE 2002, 1045, 1046). Die Voraussetzung ist hier erfüllt. Des weiteren muß dem Vollzug der Sperre eine Androhung vorausgehen (Gaier, aaO, S. 115 f), sofern um den Vollzug nicht - wie hier - prozessiert wird.
c) Die technischen Gegebenheiten ermöglichen die Unterbrechung der Versorgung des Hauses der Beklagten nur in dessen Keller. Gemäß § 10 der "Verwaltungs- und Betreuungsordnung" ist der Verwalter zur Wahrnehmung seiner Aufgaben berechtigt, das Haus der Beklagten zu betreten und sich hierbei Dritter als Erfüllungsgehilfen zu bedienen. Um diese handelt es sich bei den Mitarbeitern des Unternehmens, das die Sperrung vornehmen soll.
Dies würde entgegen der Meinung der Revision nicht durch eine Berechtigung von S. ausgeschlossen, die Versorgung des Hauses der Beklagten mit Heizwärme zu unterbinden. Das Bestehen derselben Berechtigung eines weiteren Berechtigten beschränkt die Befugnisse eines anderen Berechtigten nicht. Darüber hinaus übersieht die Revision, daß S. die Versorgung des Hauses der Beklagten nicht unterbrechen darf, solange ihre Ansprüche von der Gemeinschaft der Erbbauberechtigten erfüllt werden.
Wenzel Krüger Klein
Stresemann Czub
8