VI ZR 70/10
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am:
6. März 2012
Böhringer-MangoldJustizamtsinspektorinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Lugano-Übk I Art. 13; EGBGB Art. 40; KWG § 32
Zur internationalen Zuständigkeit bei der Inanspruchnahme schweizerischer Vermögensverwaltungsgesellschaften und einer schweizerischen Bank.
BGH, Urteil vom 6. März 2012 - VI ZR 70/10 - OLG München, LG München I
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen, den Richter Stöhr und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. Februar 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[1] Die in München wohnhafte Klägerin nimmt die Beklagten, Gesellschaften mit Sitz in Zürich, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Vermögensverwaltungsverträgen und einem Hedgefondsgeschäft auf Schadensersatz in Anspruch.
[2] Die Beklagte zu 1 und die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 (nachfolgend: Beklagte zu 2) boten die Verwaltung fremder Vermögen gegen Entgelt an. Die Beklagte zu 3 legte den Fonds "P. Focus Hedge 125%" (nachfolgend: Focus Fonds) auf, dessen Laufzeitende auf Dezember 2013 bestimmt ist. Mit Vertrag vom 24. Februar 2003 beauftragte sie die Beklagte zu 1 mit dem Vertrieb ihrer Produkte. Die Beklagte zu 4 ist eine Schweizer Bank. Keine der Beklagten verfügte über eine Erlaubnis nach § 32 Kreditwesengesetz.
[3] Durch ihren langjährigen Vermögensberater S. war die Klägerin über die von der Beklagten zu 1 angebotene Vermögensverwaltung und das Anlageprodukt der Beklagten zu 3 informiert worden. Am 4. März 2004 unterschrieb sie auf einem Formular der Beklagten zu 1 einen Kontoeröffnungsantrag, in dem sie unter anderem die Beklagte zu 1 auch zur Investition gemäß der von ihr gewählten Strategie beauftragte und ihr - darauf bezogen - auch die aktive Vermögensverwaltung übertrug. Zugleich unterzeichnete sie einen Antrag zur SBI Vermögensverwaltung und einen Letter of Intent, in dem sie "unwiderruflich" "Focus Notes 125%" "zeichnete".
[4] Als Vollmachtgeberin erteilte die Klägerin der Beklagten zu 1 auf einem Formular der Beklagten zu 4 eine "beschränkte Vollmacht für externe Vermögensverwalter". Darin heißt es u.a., die Vollmacht unterstehe schweizerischem Recht, der Vollmachtgeber und der Bevollmächtigte anerkennten die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte in Zürich oder am Ort der schweizerischen Niederlassung, mit welcher die vertragliche Beziehung bestehe.
[5] Die Klägerin erhielt außerdem von der Beklagten zu 4 zur Teilfinanzierung ihrer Anlage unter Verpfändung der Depoteinlagen Kredite bis zu einer Obergrenze von 487.500 Euro.
[6] Mit WertsteIlung vom 15. April 2004 übertrug die Klägerin Depotwerte in Höhe von 231.543,01 auf das für sie eröffnete Konto. Am 1. Dezember 2005 kündigte sie den Vermögensverwaltungsvertrag mit der Beklagten zu 1 und schloss mit der Beklagten zu 2 einen "Beschränkten Vermögensverwaltungsvertrag", den sie am 5. Juli 2007 kündigte. Sie erhielt am 1. Oktober 2008 ein Guthaben in Höhe von 75.446,58 ausgezahlt. Mit der Klage verlangt sie von allen Beklagten gesamtschuldnerisch den Unterschiedsbetrag zu ihrer Einlage (156.096,43 ) und die Erstattung von vorgerichtlichen Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten (2.748,42 ).
[7] Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 antragsgemäß verurteilt und die Klage gegen die Beklagten zu 2 bis 4 abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte zu 1 Berufung eingelegt. Nachdem über das Vermögen der Beklagten zu 1 das Konkursverfahren eröffnet worden ist, hat das Berufungsgericht die gegen die Beklagten zu 2 bis 4 gerichtete Berufung der Klägerin durch Teilurteil zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren gegen die Beklagten zu 2 bis 4 weiter.
Entscheidungsgründe:
[8] I. Das Berufungsgericht führt u.a. aus:
[9] Zu Recht habe das Landgericht die Klage gegen die Beklagte zu 2 wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen. Bei der Beurteilung dieser Frage komme es darauf an, ob es sich bei dem Rechtsverhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 2 um eine Verbrauchersache im Sinne von Art. 13 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen geschlossen in Lugano am 16. September 1988 (LugÜ I) handele. Eine solche liege jedoch nach Einschätzung des Senats eindeutig nicht vor. Aus den Darlegungen der Klägerin könne nicht hergeleitet werden, sie habe diesen Vertrag aufgrund eines ausdrücklichen Angebots der Beklagten zu 2 oder einer vorausgegangenen Werbung abgeschlossen. Zur Frage eines Angebots oder einer Werbung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a LugÜ I habe das Landgericht durch Vernehmung der Zeugen P. und S. Beweis erhoben. Die gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vorgebrachten Bedenken der Klägerin überzeugten im Ergebnis nicht. Es bestehe kein Grund zu der Annahme, die Beklagte zu 2 habe sich von sich aus aktiv an den deutschen Markt gewandt.
[10] Wie das Landgericht überzeugend herausgearbeitet habe, hätten die Parteien im Vermögensverwaltungsvertrag vom 24. November 2005 wirksam die Zuständigkeit Schweizer Gerichte vereinbart. Diese Gerichtsstandvereinbarung entspreche in jeder Hinsicht den rechtlichen Vorgaben von Art. 17 Abs. 1 LugÜ I.
[11] Hinsichtlich der Beklagten zu 3 habe das Landgericht zu Recht seine internationale Zuständigkeit bejaht. Es habe aber zutreffend einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 3 aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 KWG oder aus § 826 BGB verneint. Auch zu diesem Punkt greife die Klägerin die Beweiswürdigung des Landgerichts ohne Erfolg an. Das Landgericht habe keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Beklagte zu 3 für das Konzept, das von der Beklagten zu 1 gestaltet worden sei, verantwortlich gewesen sein solle. Für sonstige Anspruchsgrundlagen fehle die internationale Zuständigkeit.
[12] Hinsichtlich der Beklagten zu 4 habe das Landgericht die internationale Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 3 LugÜ I bejaht, da die Klägerin ihre Ansprüche mit einer unerlaubten Handlung der Beklagten zu 4 begründet habe. Es habe jedoch klar herausgestellt, dass der Klägerin keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 4 zustünden. Der Senat teile im Ergebnis diese Beurteilung. So sehe er keine Haftung der Beklagten zu 4 wegen einer eigenen Verletzung des § 32 KWG. Die Klägerin habe ein Konto in der Schweiz eröffnet. Der Kredit, den die Beklagte zu 4 nach dem Kreditvertrag an die Klägerin freizugeben hatte, habe in der Schweiz ausgereicht werden sollen. Diese Vorgänge unterstünden schon grundsätzlich nicht der deutschen Bankenaufsicht.
[13] II. Die Revision hat Erfolg.
[14] 1. Der erkennende Senat hat mit Urteilen vom 31. Mai 2011 in Rechtsstreitigkeiten, in denen die Beklagten zu 2 und 3 und schweizerische Banken, unter anderem die hiesige Beklagte zu 4, von anderen Auftraggebern unter Berufung auf die auch dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die gegen die Beklagten zu 2 bis 4 erhobenen Klagen bejaht (Senatsurteile vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, NJW 2011, 2809 Rn. 15 ff. und - VI ZR 161/10, IHR 2011, 258 Rn. 16 ff.). Die in diesen Urteilen im Einzelnen dargelegte grundsätzliche rechtliche Beurteilung, auf die nebst den umfangreichen Nachweisen ergänzend verwiesen wird, gilt auch hinsichtlich der Rechtsbeziehungen der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits.
[15] 2. Mit Recht wendet sich die Revision daher gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, hinsichtlich der gegenüber der Beklagten zu 2 geltend gemachten Ansprüche fehle die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
[16] Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1 Fall 2 LuGÜ I kann ein Verbraucher eine Klage aus einem Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung vor den Gerichten des Vertragsstaates erheben, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, sofern dem Vertragsabschluss in diesem Staat ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a LugÜ I) und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b LugÜ I). Unter einem Verbraucher ist dabei gemäß Art. 13 Abs. 1 LugÜ I eine Person zu verstehen, die zu einem Zweck tätig wird, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
[17] Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
[18] a) Die Klägerin hat den Vermögensverwaltungsvertrag mit der Beklagten zu 2 als Verbraucherin im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I abgeschlossen. Der Vertrag diente der Anlage und Verwaltung ihres privaten Vermögens und kann deshalb nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden. Der Vermögensverwaltungsvertrag ist als synallagmatischer Vertrag im Sinne des Art. 13 Abs. 1 LugÜ I zu qualifizieren, weil sich die Klägerin zur Zahlung eines Entgelts für die von der Beklagten zu 2 zu erbringenden Leistungen verpflichtet hat. Der Vertrag war auch auf die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet, da es sich um einen Vertrag handelt, in dem dem Verbraucher - wie im Streitfall - eine tätigkeitsbezogene Leistung versprochen wird.
[19] b) Auch die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b LugÜ I sind erfüllt. Der Begriff "Werbung" im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a LugÜ I umfasst alle Formen der Werbung in dem Vertragsstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, unabhängig davon, ob sie allgemein verbreitet oder unmittelbar an den Empfänger gerichtet wird. Der Begriff "ausdrückliches Angebot" ist nicht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen. Er setzt kein Vertragsangebot gemäß § 145 BGB voraus, sondern erfasst auch eine invitatio ad offerendum. Es ist nicht erforderlich, dass die Initiative zur Unterbreitung eines Angebots vom Unternehmer ausgegangen ist. Eine solche Voraussetzung sieht Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I nicht vor. Die Bestimmung lässt es genügen, dass dem Verbraucher vor dem Vertragsabschluss ein Angebot unterbreitet worden ist, ohne danach zu differenzieren, auf wessen Veranlassung dies geschehen ist. Der enge Inlandsbezug zwischen dem abgeschlossenen Vertrag und dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers, den die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b LugÜ I gewährleisten sollen, ist auch dann gegeben, wenn dem im Wohnsitzstaat des Verbrauchers abgegebenen Angebot des Unternehmers eine Kontaktaufnahme durch den Verbraucher vorausgegangen ist. Im Interesse eines effizienten Verbraucherschutzes erfasst Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I deshalb auch die Fälle, in denen der Verbraucher die Initiative ergriffen und den Unternehmer um Übersendung eines Angebots oder von Informationsmaterial gebeten hat.
[20] c) Mit "zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen" im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b LugÜ I ist jede schriftliche Rechtshandlung und jeder andere Schritt des Verbrauchers in seinem Wohnsitzstaat gemeint, in denen sein Wille, der Aufforderung des Gewerbetreibenden Folge zu leisten, zum Ausdruck kommt. Durch die Übersendung der Vertragsunterlagen nach München hat die Beklagte zu 2 der Klägerin in deren Wohnsitzstaat ein ausdrückliches Angebot im Sinne der genannten Bestimmung unterbreitet. Dieser Beurteilung stünde nicht entgegen, wenn der Kontakt zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2 auf die Initiative der Klägerin, nämlich der aktiven Suche nach einem geeigneten Vermögensverwalter, zurückzuführen gewesen wäre. Mit der Unterzeichnung eines Angebots zum Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrags in München hat die Klägerin auch in ihrem Wohnsitzstaat die von ihrer Seite "zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen" vorgenommen.
[21] d) Das von der Klägerin verfolgte Begehren aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG ist auch als Klage "aus" einem Vertrag im Sinne des Art. 13 Abs. 1 LugÜ I zu qualifizieren. Für die Begründung des Verbrauchergerichtsstands gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I ist nicht die Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs im engeren Sinne erforderlich. Vielmehr genügt es, dass sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann.
[22] e) Entgegen den Ausführungen in der Revisionserwiderung der Beklagten zu 2 und 3 steht der Anwendung der Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 und Art. 14 Abs. 1, Fall 2 LugÜ I (Zuständigkeit für Verbrauchersachen) nicht entgegen, dass die Parteien in dem zwischen ihnen zustande gekommenen Vermögensverwaltungsvertrag als ausschließlichen Gerichtsstand Zürich vereinbart haben. Denn gemäß Art. 15 LugÜ I kann von den Vorschriften über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen im Wege der Vereinbarung nur dann abgewichen werden, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird, dem Verbraucher lediglich zusätzliche Klagemöglichkeiten eröffnet oder die Gerichte des Staates für zuständig erklärt, in dem beide Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
[23] f) Zur materiellen Rechtslage hat das Berufungsgericht folgerichtig keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob der Anspruch der Klägerin nach deutschem oder nach schweizerischem Recht zu beurteilen ist (vgl. dazu Art. 3 Abs. 2 EGBGB in der bis zum 10. Januar 2009 geltenden Fassung, Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB; Art. 133 Abs. 2 des schweizerischen Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht - IPRG).
[24] 3. Auch hinsichtlich der Beklagten zu 3 hält die Klageabweisung rechtlicher Nachprüfung nicht Stand.
[25] a) Mit Recht beanstandet die Revision die Ausführungen des Berufungsgerichts zur internationalen Zuständigkeit. Das Berufungsgericht stützt diese lediglich auf Art. 5 Nr. 3 LugÜ I, wonach Personen, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, grundsätzlich in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden können, wenn eine unerlaubte Handlung den Gegenstand dieses Verfahrens bildet, und prüft demgemäß nur, ob das Landgericht zutreffend einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 KWG und einen Anspruch aus § 826 BGB verneint hat. Es meint, soweit die Klägerin sich auf sonstige Ansprüche berufe, fehle es an einer internationalen Zuständigkeit. Ansprüche auf Grund Prospekthaftung fielen nicht unter die Vorschrift des Art. 5 Nr. 3 LugÜ I. Nach dem eigenen Sachvortrag der Klägerin sei ihr überhaupt kein Prospekt übergeben worden. Die Voraussetzungen des § 264a StGB könnten daher nicht vorliegen.
[26] Damit zieht das Berufungsgericht nicht alle Umstände des Streitfalls, die für die internationale Zuständigkeit von Bedeutung sein können, in Betracht.
[27] Wie oben ausgeführt (1 und 2) kann sich die internationale Zuständigkeit schon hinsichtlich des Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 KWG aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 und Art. 14 Abs. 1 Fall 2 LugÜ I (Zuständigkeit für Verbrauchersachen) ergeben.
[28] Die Klägerin hat die Klage auch auf Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c.) und auf Prospekthaftung gestützt. Die Revision weist auch auf einen Anspruch aus § 127 Abs. 1 des Investmentgesetzes vom 15. Dezember 2003 (InvG) hin. Diese Ansprüche können aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag, der als Vertrag im Sinne des Art. 13 Abs. 1 LugÜ I anzusehen ist, hergeleitet werden. Dem wird der auf § 264a StGB beschränkte Hinweis des Berufungsgerichts nicht gerecht. Mit Recht weist die Revision auch darauf hin, dass die Überlegung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei kein Prospekt übergeben worden, nicht gegen das Bestehen von Prospekthaftungsansprüchen spricht. Ein Prospektfehler ist auch dann ursächlich für die Anlageentscheidung, wenn der Prospekt entsprechend dem Vertriebskonzept der Anlagegesellschaft von den Anlagevermittlern als alleinige Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche benutzt wird, wobei es dann nicht darauf ankommt, ob der Prospekt dem Anlageinteressenten übergeben worden ist (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, VersR 2008, 830 Rn. 17; vom 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, WM 2003, 1818, 1820 f.). Unter den Umständen des Streitfalls kann die Anwendung des Art. 13 Abs. 1 LugÜ I nicht, wie das Berufungsgericht meint, mit der Erwägung verneint werden, die Beklagte sei "nicht an die Klägerin herangetreten". Insoweit ist das Zusammenwirken der Beklagten in den Blick zu nehmen.
[29] Abgesehen davon kann sich die internationale Zuständigkeit aus Art. 18 LugÜ I ergeben, wonach ein Gericht eines Vertragsstaats, sofern es nicht bereits nach anderen Vorschriften des Übereinkommens zuständig ist, zuständig wird, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt, ohne den Mangel der Zuständigkeit zu rügen, und keine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit begründet ist (vgl. dazu Senatsurteile vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, aaO Rn. 34 ff. und - VI ZR 161/10, aaO Rn. 35 ff.).
[30] b) Da das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit lediglich hinsichtlich eines Anspruchs gegen die Beklagte zu 3 aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 KWG bejaht hat, hat es folgerichtig zu den materiellen Voraussetzungen der anderen Anspruchsgrundlagen keine Feststellungen getroffen. Dies wird, sofern die internationale Zuständigkeit aufgrund der neuen Verhandlung zu bejahen ist, nachzuholen sein. Die neue Verhandlung gibt auch - soweit erforderlich - Gelegenheit, die bisherige Begründung zur Ablehnung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 KWG unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens der Parteien zu überdenken, insbesondere zu prüfen, ob nach dem Ergebnis der bisherigen, eventuell ergänzungsbedürftigen Beweisaufnahme eine nach dem Kreditwesengesetz verbotene Tätigkeit der Beklagten zu 3 weiterhin verneint werden kann.
[31] Anlässlich der neuen Verhandlung wird zudem zu prüfen sein, ob der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 3 nach deutschem oder nach schweizerischem Recht zu beurteilen ist (vgl. dazu Art. 40 EGBGB; zur deliktsrechtlichen Natur des § 127 InvG vgl. Junker, RIW 2010, 257, 260 ff. mwN).
[32] 4. Schließlich kann auch die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 4 mit der bisherigen Begründung nicht aufrechterhalten werden.
[33] a) Das Berufungsgericht bejaht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die gegen die Beklagte zu 4 gerichtete Klage nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ I. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ergibt sich die internationale Zuständigkeit - entgegen den Ausführungen der Revisionserwiderung der Beklagten zu 4 - insoweit aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1 Fall 2 LugÜ I (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, aaO, Rn. 37 ff.).
[34] b) In der Sache prüft das Berufungsgericht die Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs nach deutschem Recht. Es zitiert dazu Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, trifft aber dazu keine Feststellungen. In ihrer Revisionserwiderung macht die Beklagte zu 4 geltend, dass schweizerisches Recht anzuwenden sei. Dies kommt hinsichtlich des Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 KWG in Betracht, wenn Handlungs- oder Erfolgsort in der Schweiz liegen (vgl. Art. 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB; Art. 133 Abs. 2 IPRG). Der Anspruch aus c.i.c. richtet sich im Streitfall, auf den die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II") noch nicht anzuwenden ist, nach dem Vertragsstatut (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1986 - II ZR 241/85, NJW 1987, 1141 f.; vom 13. September 2004 - II ZR 276/02, VersR 2005, 1390, 1392).
[35] Zwar wäre deutsches Recht anwendbar, wenn die Parteien im Laufe des Rechtsstreits nachträglich eine entsprechende stillschweigende und wirksame Rechtswahlvereinbarung gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 1, Art. 42 Satz 1 EGBGB in der bis 16. Dezember 2009 geltenden Fassung getroffen hätten. Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht aber nicht getroffen. Sofern die Parteien in den Vorinstanzen übereinstimmend von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgegangen sein sollten, genügt dies nicht ohne weiteres den Anforderungen an eine nachträgliche Rechtswahl (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, aaO Rn. 47 mwN).
[36] c) Das angefochtene Urteil ist danach auch hinsichtlich der Beklagten zu 4 aufzuheben. Bei der neuen Verhandlung werden die erforderlichen Feststellungen zum anwendbaren Recht zu treffen sein. Sollte sich wiederum die An-
wendbarkeit deutschen Rechts ergeben, wird das Berufungsgericht den Vortrag der Parteien in der Revisionsinstanz in Erwägung zu ziehen haben.
Galke Zoll Diederichsen
Stöhr von Pentz