VII ZB 54/11

29.04.2013

BUNDESGERICHTSHOF

vom

29. April 2013

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


ZPO § 319


Enthält ein Beschluss keinen Ausspruch über die Zulassung der Rechtsbeschwerde, kann dieser im Wege eines Berichtigungsbeschlusses nachgeholt werden, wenn das Gericht die Rechtsbeschwerde im Beschluss zulassen wollte und dies nur versehentlich unterblieben ist. Dieses Versehen muss nach außen hervorgetreten und selbst für Dritte ohne weiteres deutlich sein (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 11. Mai 2004 - VI ZB 19/04, NJW 2004, 2389).


BGH, Beschluss vom 29. April 2013 - VII ZB 54/11 - LG Kiel, AG Kiel


Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2013 durch den Richter Dr. Eick, die Richterin Safari Chabestari und die Richter Halfmeier, Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 30. Juni 2011, berichtigt durch Beschluss vom 5. August 2011, wird auf ihre Kosten verworfen.

Gründe:

[1] I. Die Sch. Grundbesitzgesellschaft mbH & Co. KG (vormals Schuldnerin zu 1) ist Eigentümerin zweier im Grundbuch von K. Loseblatt 5576 und 40153 verzeichneter Grundstücke, an denen zu Gunsten der Schuldnerin zu 2 ein befristetes Nießbrauchsrecht eingetragen ist.

[2] An den beiden Grundstücken wurde im Jahr 1994 durch notarielle Urkunde des Notars H. Nr. 262/94 eine Gesamteigentümergrundschuld über einen Betrag in Höhe von 1.000.000 DM bestellt.

[3] Die Gläubigerin betreibt aus dem Grundpfandrecht die Zwangsvollstreckung gegen die beiden Schuldnerinnen im Wege der Forderungspfändung. Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht K. wegen eines Teilbetrages in Höhe von 300.000 ? der vollstreckbaren dinglichen Ansprüche gemäß notarieller Urkunde Nr. 262/94 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen. Die hiergegen von den Schuldnerinnen beim Amtsgericht eingelegten Erinnerungen hatten keinen Erfolg.

[4] Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin zu 2 hat das Beschwerdegericht die Entscheidung des Amtsgerichts mit Beschluss vom 30. Juni 2011 teilweise abgeändert und den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben und den Antrag auf Erlass zurückgewiesen, soweit diese gegen die Schuldnerin zu 2 gerichtet worden sind.

[5] Gegen diesen Beschluss hat die Gläubigerin am 26. Juli 2011 Gehörsrüge beim Beschwerdegericht eingelegt, woraufhin dieses mit Beschluss vom 5. August 2011 seinen Beschluss vom 30. Juni 2011 entsprechend § 319 Abs. 1 ZPO ergänzt und die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Nach der Begründung dieser Entscheidung sei die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschlossen, aber versehentlich in der schriftlichen Fassung des Beschlusses vom 30. Juni 2011 nicht ausgesprochen worden. Die Gläubigerin habe frühzeitig um Zulassung der Rechtsbeschwerde gebeten. Das Beschwerdegericht habe dem ersichtlich dadurch Rechnung tragen wollen, dass sie die Entscheidung vom 30. Juni 2011 in voller Besetzung getroffen habe. Bereits aus einer Verfügung des Kammervorsitzenden vom 20. Juli 2011 gehe hervor, dass mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde gerechnet und diesem Umstand dadurch habe Rechnung getragen werden sollen, dass der der Vollstreckung zugrunde liegende Titel nicht an die Gläubigerin zurückgegeben werden, sondern beim Vorgang habe verbleiben sollen.

[6] Mit ihrer in der gesetzlichen Form und Frist eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Vollstreckungsbegehren in dem Umfang weiter, in dem das Beschwerdegericht zu ihrem Nachteil entschieden hat.

[7] II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.

[8] 1. Nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist gegen einen Beschluss die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich zugelassen hat, sei es im Tenor oder in den Gründen (BGH, Beschluss vom 24. November 2003 - II ZB 37/02, NJW 2004, 779; Beschluss vom 14. September 2004 - VI ZB 61/03, NJW 2005, 156). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor, denn der Beschluss vom 30. Juni 2011 enthält keine Aussage über die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

[9] 2. Die am 5. August 2011 unter Hinweis auf § 319 Abs. 1 ZPO beschlossene Zulassung der Rechtsbeschwerde bindet den Senat nicht.

[10] a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Berichtigung des Beschlusses, in dem eine beschlossene Zulassung versehentlich nicht aufgenommen wurde, entsprechend § 319 ZPO erfolgen (BGH, Beschlüsse vom 12. März 2009 - IX ZB 193/08, NJW-RR 2009, 1349; vom 14. September 2004 - VI ZB 61/03, aaO; vom 24. November 2003 - II ZB 37/02, aaO). Das Versehen muss dann aber, weil eine Berichtigung nach dieser Vorschrift auch von einem Richter beschlossen werden kann, der an der fraglichen Entscheidung nicht mitgewirkt hat, selbst für Dritte ohne weiteres deutlich sein (BGH, Beschluss vom 14. September 2004 - VI ZB 61/03, aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Mai 2004 - VI ZB 19/04, NJW 2004, 2389 und Urteil vom 25. Februar 2000 - V ZR 206/99, NJW-RR 2001, 61 für die gleichgelagerten Fälle der nachträglichen Zulassung der Revision und der Berufung). Dafür ist erforderlich, dass sich das Versehen aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder mindestens aus den Vorgängen bei seinem Erlass oder bei seiner Verkündung ergibt, weil nur dann eine "offenbare" Unrichtigkeit vorliegen kann (BGH, Beschlüsse vom 12. März 2009 - IX ZB 193/08, aaO; vom 14. September 2004 - VI ZB 61/03, aaO; vom 24. November 2003 - II ZB 37/02, aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Mai 2004 - VI ZB 19/04, aaO; Urteile vom 25. Februar 2000 - V ZR 206/99, aaO; vom 8. Juli 1980 - VI ZR 176/78, BGHZ 78, 22). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzungen ist der Zeitpunkt der Entscheidung selbst (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2008 - II ZB 40/07, MDR 2008, 1292).

[11] b) Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für eine "offenbare" Unrichtigkeit hier nicht gegeben. Weder dem Beschluss vom 30. Juni 2011 selbst noch den Zusammenhängen bei der Beschlussfassung lässt sich entnehmen, dass das Beschwerdegericht seinerzeit die Rechtsbeschwerde zulassen wollte.

[12] Aus dem Umstand, dass vor Erlass des Beschlusses der Einzelrichter die Sache mit Beschluss vom gleichen Tage auf die Kammer übertragen hat, kann allenfalls gefolgert werden, dass der Einzelrichter selbst der Sache eine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO beigemessen und deswegen die Zulassung der Rechtsbeschwerde für erforderlich gehalten hat. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die mit drei Richtern besetzte Kammer bei ihrer Beschlussfassung derselben Auffassung gewesen ist und auch eine entsprechende Entscheidung getroffen hat.

[13] Die vom Beschwerdegericht selbst für die Tatsache der "offenbaren" Unrichtigkeit als maßgeblich angesehene Verfügung des Kammervorsitzenden vom 20. Juli 2011 kann in zeitlicher Hinsicht keine Berücksichtigung finden, da die Beschwerdeentscheidung vom 30. Juni 2011 datiert. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war nicht für einen Dritten ohne weiteres deutlich nach außen hervorgetreten, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde versehentlich unterblieben war.

[14] Selbst für die Rechtsbeschwerdeführerin war dies nicht offenbar. Denn sie hat in ihrer Anhörungsrüge zur Begründung ausgeführt, gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts vom 30. Juni 2011 sei ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.

[15] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick Safari Chabestari Halfmeier

Kosziol Jurgeleit

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