VII ZR 59/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am:
7. Juli 2005
Seelinger-Schardt,Justizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB § 635 a.F.
Erweist sich eine Klage auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten nicht im geltend gemachten Umfang als begründet, weil das Gericht eine kostengünstigere Maßnahme für ausreichend hält, hat es im Rahmen der Beweisaufnahme zur Höhe dieser geringeren Kosten Feststellungen zu treffen.
BGH, Urteil vom 7. Juli 2005 - VII ZR 59/04 - OLG Köln, LG Köln
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka, Bauner und die Richterin Safari Chabestari
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Schlußurteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. Februar 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger macht einen Schadensersatz-, hilfsweise einen Minderungsanspruch mit der Behauptung geltend, die Beklagte habe in zwei Lagerhallen des Klägers mangelhafte Gußasphaltböden eingebracht.
Der Kläger beauftragte die Beklagte im März 1993, in beiden Hallen (als Hallen 12 und 14 bezeichnet) "Hartgußasphalt für Gabelstaplerverkehr ..., 30 mm stark" zu verlegen. Die VOB/B war vereinbart. Die Arbeiten wurden ausgeführt und die Hallen ab 26. März 1993 genutzt. Im April und im Herbst 1993 rügte der Kläger gegenüber der Beklagten schriftlich, daß in den Hallen Risse in den Böden aufgetreten seien. Am 25. November 1993 fand ein Ortstermin statt, an dem auf Veranlassung der Beklagten auch Vertreter der Herstellerfirma des Gußasphalts teilnahmen. Mit Schreiben vom 27. Mai und 8. Juli 1994 mahnte der Kläger die Mängelbeseitigung an und setzte ergebnislos eine Frist bis zum 31. Juli 1994. Nach einer erneuten Rüge im November 1995 berief sich die Beklagte auf Verjährung. Im Januar 1996 und September 1997 leitete der Kläger zwei selbständige Beweisverfahren ein.
Der Kläger hat am 4. Februar 2000 Klage erhoben und neben den Rissen - soweit in der Revision von Interesse - auch gerügt, die vereinbarte Asphaltstärke von 30 mm sei nicht eingehalten worden. Er hat Gewährleistungsansprüche nicht nur für die Hallen 12 und 14, sondern auch für eine dritte Halle, die Halle 16, geltend gemacht. Er hat Rückzahlung des an die Beklagte für die drei Hallen gezahlten Werklohns und einen Teil der Kosten für das Beseitigen der Böden, insgesamt 236.215 DM, verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger Rückzahlung von Werklohn für die Hallen 12 und 14 noch in Höhe von 72.485,97 DM und für die Halle 16 in Höhe von 39.382,27 DM verlangt sowie 101.960,33 DM für das Entfernen der Böden. Ferner hat er begehrt festzustellen, daß die Beklagte für alle weiteren Schäden in den drei Hallen ersatzpflichtig sei. Das Berufungsgericht hat durch rechtskräftiges Teilurteil die Berufung hinsichtlich der Halle 16 zurückgewiesen. Hinsichtlich Halle 14 hat der Kläger den Feststellungsantrag zurückgenommen. Im übrigen hat das Berufungsgericht durch Schlußurteil die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Das für die Beurteilung maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I. Das Berufungsgericht führt aus, Gewährleistungsansprüche des Klägers wegen der Risse in den Hallenböden seien nicht verjährt. Die Verjährung sei durch die Prüfung des Mangels durch die Beklagte und die Einleitung der selbständigen Beweisverfahren rechtzeitig gehemmt und unterbrochen worden. Die Kosten für das Herausreißen der Böden könne der Kläger jedoch nicht verlangen. Denn zur Mängelbeseitigung sei das Herausreißen der Böden nicht erforderlich. Ausreichend sei Verfüllen und Verpressen mit einer Fugenmasse. Die dafür anfallenden Kosten habe der Kläger nicht geltend gemacht, sie seien nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Die geschuldete Asphaltstärke von 30 mm sei zwar in der Halle 14 teilweise unterschritten worden. In diesem Bereich reiße der Belag nach dem Sachverständigengutachten schneller. Auch insoweit sei jedoch als Mängelbeseitigungsmaßnahme das Verpressen der Risse ausreichend und dauerhaft.
Der Feststellungsantrag hinsichtlich Halle 12 sei unbegründet und auch unzulässig. Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung nicht dargelegt. Er habe nicht ausreichend vorgetragen, warum es ihm bis zur letzten mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen sei, den Sanierungsaufwand zu beziffern.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung weitgehend nicht stand.
1. Das Berufungsgericht bejaht zu Recht dem Grunde nach einen durchsetzbaren Schadensersatzanspruch des Klägers wegen der in den Böden der Hallen 12 und 14 unstreitig aufgetretenen Risse. Rechtsfehlerhaft spricht es ihm jedoch keinen Schadensersatz zu.
a) Die Kosten für das Verfüllen und Verpressen der Risse sind Gegenstand des Rechtsstreits.
Nach dem Vortrag des Klägers ist eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung nur dadurch möglich, daß die mangelhaften Böden entfernt und durch neue ersetzt werden. Er verlangt daher als Schadensersatz die Kosten für das Entfernen der Böden, also Mängelbeseitigungskosten. Gegenstand des Rechtsstreits sind damit die Kosten, die für eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung erforderlich sind. Das gilt unabhängig davon, ob die Beweisaufnahme den Vortrag des Klägers bestätigt oder ob davon auszugehen ist, daß einzelne einfachere und kostengünstigere Sanierungsmaßnahmen ausreichen. Auch die insoweit anfallenden Kosten sind Mängelbeseitigungskosten. Sie unterscheiden sich lediglich der Höhe nach von den Kosten der Vollsanierung.
b) Der Kläger war nicht verpflichtet, zur Höhe der durch das Verfüllen und Verpressen der Risse entstehenden Mängelbeseitigungskosten vorzutragen. Er begehrt die Vollsanierung der Böden und hat den ihm entstandenen Schaden einschließlich der Kosten für das Entfernen der alten Böden dargelegt. Erweist sich seine Klage nicht in diesem Umfang als begründet, weil die Mängelbeseitigungskosten niedriger anzusetzen sind, hat das Gericht hierzu im Rahmen der Beweisaufnahme Feststellungen zu treffen.
2. Unzutreffend ist die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger könne seinen Schadensersatzanspruch nicht auch darauf stützen, daß die eingebrachte Gußasphaltschicht teilweise dünner als 30 mm ist.
a) Das Werk der Beklagten ist wegen dieses Umstands mangelhaft.
aa) Die Beklagte schuldet nach dem Vertrag eine Gußasphaltschicht mit einer Stärke von durchweg 30 mm. Von dieser vertraglich vereinbarten Beschaffenheit weicht ihr Werk ab. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Sachverständigengutachten ist die Schichtstärke uneinheitlich. Sie erreicht in Halle 14 nicht und in Halle 12 nur teilweise die geschuldeten 30 mm.
bb) Durch diese vertragswidrige Ausführung ist der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch gemindert. Wie den aufgrund der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, entstehen in den Bereichen zu geringer und unterschiedlicher Schichtstärken Spannungen und reißt deshalb die Gußasphaltschicht schneller.
b) Dieser in der zu geringen Schichtstärke als solcher liegende Mangel kann nicht dadurch in vertragsgemäßer Weise behoben werden, daß die bereits entstandenen Risse mit Fugenmasse verfüllt und verpreßt werden, mögen auch die Risse selbst auf diese Weise ausreichend und dauerhaft beseitigt werden können. Es ist nicht auszuschließen, daß weitere Spannungsrisse entstehen.
c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist der auf diesen Mangel gestützte Schadensersatzanspruch nicht verjährt. Denn der Mangel, der durch die Risse in Erscheinung tritt, war Gegenstand der vorprozessualen Verhandlungen der Parteien und der selbständigen Beweisverfahren.
aa) Der Kläger hatte zunächst nur gerügt, daß die Hallenböden Risse aufweisen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der sich aus diesem Mangel ergebende Schadensersatzanspruch sei wegen Hemmung und Unterbrechung nicht verjährt, trifft zu.
bb) Bei den gerügten Rissen handelt es sich nicht nur um einen Mangel, sondern gleichzeitig um Symptome eines anderen Mangels. Sie sind zumindest auch darauf zurückzuführen, daß die vereinbarte Schichtdicke von 30 mm nur teilweise erreicht wird und so im Boden Spannungen entstehen.
Der Auftraggeber, der Mängelansprüche verfolgt, ist nicht gehalten, zu den Ursachen der festgestellten Mangelerscheinungen vorzutragen. Er genügt seiner Darlegungslast mit der hinreichend genauen Bezeichnung der Mangelerscheinungen, die er der fehlerhaften Leistung des Auftragnehmers zuordnet. Dadurch werden die Mängel selbst Gegenstand des Vortrags (BGH, Urteil vom 8. Mai 2003 - VII ZR 407/01, BauR 2003, 1247 = NZBau 2003, 501 = ZfBR 2003, 559; st. Rspr.). Entsprechend beschränkt sich die Hemmung der Verjährung nach § 639 Abs. 2 BGB nicht auf die Mangelerscheinungen, die der Auftragnehmer prüft oder zu beseitigen versucht, sondern erstreckt sich auf den zugrundeliegenden Mangel, der für die Mangelerscheinungen ursächlich geworden ist (BGH, Urteile vom 20. April 1989 - VII ZR 334/87, BauR 1989, 603 = ZfBR 1989, 202 und vom 18. Januar 1990 - VII ZR 260/88, BGHZ 110, 99).
d) Das Berufungsgericht wird dem unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers, der Mangel könne nur durch ein vollständiges Beseitigen der alten Böden behoben werden, das Aufbringen einer zusätzlichen Schicht sei nicht ausreichend, nachzugehen haben.
3. Unzutreffend ist ferner die Ansicht des Berufungsgerichts, der Feststellungsantrag bezüglich der Halle 12 sei unzulässig.
Der Kläger hat bezüglich der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht sanierten Halle 12 die Kosten für das Herausreißen des Bodens anhand einer Rechnung vom 17. April 1997 über die Sanierung der Halle 16 berechnet. Er hat zu dem mit der Berufungsbegründung vom 6. März 2001 gestellten Feststellungsantrag ausgeführt, mit diesem werde dem Umstand Rechnung getragen, daß er nicht sicher sein könne, nur den Quadratmeterpreis der Halle 16 für die Halle 12 aufwenden zu müssen. Damit hat er das Feststellungsinteresse hinreichend dargelegt. Die durch das Herausreißen des Bodens tatsächlich anfallenden Kosten standen auch bei Schluß der mündlichen Verhandlung noch nicht fest. Im übrigen übersieht das Berufungsgericht, daß der Kläger regelmäßig nicht verpflichtet ist, während des Prozesses von der Feststellungs- zur Leistungsklage überzugehen (BGH, Urteile vom 4. Juni 1996 - VI ZR 123/95, NJW 1996, 2725, 2726 und vom 4. November 1998 - VIII ZR 248/97, NJW 1999, 639, 640 m.w.N.).
Dressler Kuffer Kniffka
Bauner Safari Chabestari