VIII ZR 235/06

08.05.2007

BUNDESGERICHTSHOF

vom

8. Mai 2007

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


GmbHG § 15 Abs. 4


Bei einer die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils begründenden Vereinbarung sind die Erklärungen beider Vertragsparteien beurkundungsbedürftig.


BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - VIII ZR 235/06 - OLG Frankfurt am Main, LG Frankfurt am Main


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Wiechers, die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger sowie den Richter Dr. Koch

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19. Juli 2006 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Ehefrau des Beklagten zu 1 war alleinige Gesellschafterin der mit einem Stammkapital in Höhe von 25.200 € ausgestatteten A. GmbH. Mit notariellem Vertrag vom 21. Dezember 2001 veräußerte sie - nach entsprechender Aufteilung ihres Geschäftsanteils - an die Beklagten zu 1 und zu 2 je einen Geschäftsanteil in Höhe von 12.600 €. Die Klägerin war an diesem Vertrag nicht beteiligt. Der Vertrag enthält jedoch folgende, die Klägerin betreffende Bestimmung:

"Als weitere Bedingung vereinbaren die Erschienenen:

Die Herren O. und M. [= Beklagte] verpflichten sich gegenüber der Verkäuferin, an Frau H. K. B. geb. G.

, geb. am , wohnhaft in P. Ortseil L. , S. weg [= Klägerin], jeweils einen Teilgeschäftsanteil in Höhe von Euro 650,00 (Euro sechshundertfünfzig) unentgeltlich zu übertragen. Dieses Recht auf Anteilsübertragung soll Frau B. als eigenes Recht zustehen. Es ist jedoch weder veräußerlich noch vererblich.

Wird es zu Lebzeiten von Frau B. nicht ausgeübt, erlischt es ersatzlos."

Mit notarieller Urkunde vom 3. Juni 2005 vereinbarten die Beteiligten des Vertrages vom 21. Dezember 2001, dass die vorgenannte Klausel ersatzlos entfallen solle.

Mit der am 21. Juni 2005 eingereichten Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten die Abtretung je eines Geschäftsanteils in Höhe eines Nennbetrags von je 650 € sowie die Abgabe der zum Vollzug der Übertragung erforderlichen Erklärungen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgen die Beklagten ihr Ziel der Klageabweisung weiter.

II. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse - ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein vertraglicher Anspruch auf Übertragung der Geschäftsanteile in Höhe von je 650 € zu. Mit der Erklärung in der notariellen Urkunde vom 21. Dezember 2001 hätten die Beklagten der Klägerin ein Angebot zum Abschluss eines auf die Übertragung der in Rede stehenden Geschäftsanteile gerichteten Vertrages gemacht. Dieses Angebot sei der Klägerin vom Faxgerät der Beklagten übermittelt worden und mithin auch zugegangen. Spätestens mit der Erhebung der Klage habe die Klägerin ihren Willen zur Annahme des Angebots nach außen bekundet. Das Angebot der Beklagten sei zu diesem Zeitpunkt auch nicht durch Zeitablauf erloschen gewesen, denn es sei nichts dafür ersichtlich, dass die von den Beklagten der Klägerin eröffnete Möglichkeit, Anteile an der GmbH zu erwerben, einer zeitlichen Befristung unterlegen habe.

III. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Die Beklagten haben eine mit der Revision geltend zu machende Beschwer von über 20.000 € glaubhaft gemacht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, WM 2002, 1899 unter II). Hierzu genügen die von den Beschwerdeführern vorgelegten Jahresabschlüsse und die von der Beschwerde auf dieser Grundlage vorgenommene Berechnung des Werts des von der Klägerin beanspruchten Geschäftsanteils. Allerdings wendet die Beschwerdeerwiderung zu Recht ein, dass im Rahmen der gewählten Berechnungsmethode die Nettofinanzverschuldung abzuziehen ist und nicht der Gewinnzuwachs von 2003 auf 2004 als Gewinn eingestellt werden kann. Bei Berücksichtigung dieser Einwände ergibt sich zwar nicht der von den Beschwerdeführern angegebene Unternehmenswert von 1,2 bis 1,37 Millionen €, aber immerhin noch ein Wert von etwa 500.000 €, so dass auf den von der Klägerin beanspruchten Geschäftsanteil ein Wert von rund 25.000 € entfällt.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch begründet, denn das angegriffene Urteil verletzt den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert deshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht der Verfahrensbeteiligten, vor einer gerichtlichen Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (BVerfGE 84, 188, 190). Auf einen Gesichtspunkt, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen braucht, darf das Gericht ohne vorherigen Hinweis oder Erörterung mit den Parteien nicht abstellen (BVerfGE 86, 133, 144). Angesichts des Wortlauts der notariellen Urkunde, des übereinstimmenden Verständnisses der Parteien in der ersten Instanz sowie der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts brauchte hier auch eine rechtskundige Partei die - fern liegende - Ansicht des Berufungsgerichtes, durch die Übermittlung des notariellen Vertrages an die Klägerin vom Faxgerät der Beklagten und die spätere Klagerhebung sei ein zur Anteilsübertragung verpflichtender Vertrag zustande gekommen, nicht in Betracht zu ziehen. Das Berufungsgericht hätte den Beklagten daher zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu geben müssen.

Das Urteil des Berufungsgerichtes beruht auch auf diesem Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht anders entschieden hätte, wenn es den Beklagten Gelegenheit gegeben hätte, zu der von ihm erwogenen rechtlichen Konstruktion Stellung zu nehmen. Die Beklagten hätten dann - wie jetzt in der Beschwerdebegründung vorgetragen - schon im Berufungsrechtszug darauf hingewiesen, dass eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird, nach § 15 Abs. 4 GmbHG der notariellen Form bedarf. Bei einer solchen Vereinbarung sind die Erklärungen beider Vertragsparteien beurkundungsbedürftig (Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Aufl., § 15 Rdnr. 22, 30; Scholz/Winter, GmbHG, 9. Aufl., § 15 Rdnr. 54, 56; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 15 Rdnr. 16, 28 ff.). Es fehlt aber an einer notariell beurkundeten Willenserklärung der Klägerin, so dass der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Übertragung von Geschäftsanteilen nicht auf einen zwischen ihr und den Beklagten geschlossenen Vertrag gestützt werden kann.

Der Anspruch der Klägerin hängt deshalb davon ab, ob die Beteiligten des notariellen Vertrages vom 21. Dezember 2001 einen echten Vertrag zugunsten der Klägerin (§ 328 BGB) geschlossen und ob sie sich dabei das Recht vorbehalten haben, das in der Vertragsurkunde genannte "eigene Recht" der Klägerin ohne deren Zustimmung wieder aufzuheben. Diese Fragen sind gemäß § 328 Abs. 2 BGB in Ermangelung einer besonderen vertraglichen Bestimmung aufgrund der Umstände, insbesondere des Zwecks des Vertrages zu beantworten. Hiervon ist - wie die prozessleitende Verfügung vom 14. März 2006, in der die Beklagten zur näheren Darlegung der Hintergründe der zugunsten der Klägerin vorgesehenen Anteilsübertragung aufgefordert wurden, zeigt - offenbar auch das Berufungsgericht zunächst ausgegangen. Die weitere Sachaufklärung und Beweisaufnahme hierzu - die Beklagten hatten Zeugenbeweis dafür angeboten, dass sich die Beteiligten des Vertrages vom 21. Dezember 2001 die Aufhebung des Rechts der Klägerin vorbehalten hätten - ist offenbar allein deshalb unterblieben, weil es darauf später aus der geänderten Sicht des Berufungsgerichts wegen der Annahme eines wirksamen Vertrages zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits nicht mehr ankam.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung ist die Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung richtig. Das Landgericht hat die von den Beklagten unter Beweis gestellte Behauptung, die Beteiligten des notariellen Vertrags vom 21. Dezember 2001 hätten sich das Recht vorbehalten, das Recht der Klägerin wieder aufzuheben, nicht für erheblich gehalten, weil es in der Vertragsurkunde nicht zum Ausdruck gekommen sei; die Beklagten hätten zumindest Umstände vortragen müssen, weshalb sie etwas ganz anderes hätten vereinbaren wollen als im notariellen Vertrag niedergelegt. Diese Begründung machte eine Beweisaufnahme nicht entbehrlich.

Es gehört zu den anerkannten Grundsätzen der Auslegung einer Individualvereinbarung, dass zwar der Wortlaut einer Vereinbarung den Ausgangspunkt der Auslegung bildet, dass jedoch der übereinstimmende Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vorgeht (st. Rspr., z.B. BGH, Urteil vom 20. Januar 1994 - VII ZR 174/92, NJW 1994, 1528 = WM 1994, 551, unter II 2 a). Dies gilt auch für formbedürftige Willenserklärungen und selbst dann, wenn das übereinstimmende Verständnis in der erstellten Urkunde keinen Niederschlag gefunden hat (BGH, Urteil vom 19. Januar 2004 - II ZR 303/01, WM 2004, 627 = NJW-RR 2004, 630, unter II 2). Erläuterungen, die das behauptete übereinstimmende Verständnis der Parteien nachvollziehbar und plausibel machen und für die Beweiswürdigung bedeutsam sein mögen, brauchten die Beklagten zur Erfüllung ihrer Darlegungslast nicht vorzubringen (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1999 - VIII ZR 232/98, NJW-RR 2000, 273, unter II 3 a, c).

IV. Die Verletzung der Beklagten in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Ball Wiechers Hermanns

Dr. Milger Dr. Koch

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