XI ZB 41/05

18.07.2006

BUNDESGERICHTSHOF

vom

18. Juli 2006

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein


RVG VV Nr. 3104, 3105


Dem Prozessbevollmächtigten, der sowohl das erste als auch das zweite Versäumnisurteil erwirkt, steht eine 1,2-Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 RVG VV, nicht nur eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 RVG VV zu.


BGH, Beschluss vom 18. Juli 2006 - XI ZB 41/05 - OLG Düsseldorf, LG Düsseldorf


Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die Richter Dr. Müller und Dr. Joeres, die Richterin

Mayen und den Richter Prof. Dr. Schmitt

am 18. Juli 2006

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin werden der Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. Dezember 2005 und der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 3. August 2005 aufgehoben und es wird angeordnet, dass der Beklagte der Klägerin 427,11 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Juli 2005 zu erstatten hat.

Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 427,11 €.

Gründe:

[1] I. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erwirkten am 18. März 2005 gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil über 12.959,26 € nebst Zinsen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. April 2005 wurde auch die von der Klägerin angemeldete 0,5-Terminsgebühr gemäß Nr. 3105 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, im Folgenden: RVG VV) festgesetzt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil erschien erneut für den Beklagten niemand. Daraufhin verwarf das Landgericht seinen Einspruch auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und legte ihm die weiteren Kosten des Rechtsstreits auf. Die Klägerin hat anschließend die Festsetzung einer 0,7-Terminsgebühr zuzüglich 16% USt., insgesamt 427,11 €, beantragt. Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

[2] II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist in vollem Umfang begründet.

[3] 1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Für die Vertretung der Klägerin in den beiden Terminen sei jeweils eine 0,5-Gebühr nach Nr. 3105 RVG VV angefallen, weil die Terminsgebühr mit jeder Verhandlung neu entstehe. Da gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG die Gebühr jedoch nur einmal gefordert werden könne und das Verfahren über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil mit dem vorausgegangenen Verfahren "dieselbe Angelegenheit" im Sinne des § 15 RVG bilde, stehe der Klägerin nur eine 0,5-Gebühr zu. Nr. 3104 RVG VV sei nicht einschlägig. Da für die einzelnen Termine gesondert zu prüfen sei, welchen Gebührentatbestand sie erfüllen, sei jeweils nur Nr. 3105 RVG VV gegeben.

[4] 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

[5] a) Mit der Wahrnehmung des zweiten Verhandlungstermins ist für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG VV angefallen, auf welche die zuvor entstandene und bereits festgesetzte 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 RVG VV zu verrechnen ist (§ 15 Abs. 2 RVG), so dass der Beklagte noch die geltend gemachte 0,7-Differenzgebühr in Höhe von 427,11 € zu erstatten hat.

[6] b) Nach Nr. 3104 RVG VV erhält der Prozessbevollmächtigte im ersten Rechtszug für die Vertretung in einem Termin zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich eine 1,2-Terminsgebühr. Nur in den von Nr. 3105 RVG VV geregelten Fällen entsteht lediglich eine 0,5-Terminsgebühr. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur ist umstritten, ob dem Prozessbevollmächtigten, der im ersten Termin eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 RVG VV verdient hatte und der nach Einspruch gegen das Versäumnisurteil lediglich Antrag auf Erlass eines "zweiten Versäumnisurteils" stellt, insgesamt nur eine 0,5-Terminsgebühr gemäß Nr. 3105 RVG VV (so OLG Nürnberg NJW 2006, 1527; AnwK-RVG/Onderka, 3. Aufl. Nr. 3105 VV Rdn. 17; Hartmann, Kostengesetze 36. Aufl. § 15 RVG Rdn. 20) oder eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG VV zusteht (so BGH, Beschluss vom 7. Juni 2006 - VIII ZB 108/05, Umdruck S. 4; OLG Celle NJW 2005, 1283; OLG München AnwBl. 2006, 286; LG Düsseldorf AGS 2006, 162; LG Regensburg

JurBüro 2005, 648; LG Aachen NJW 2006, 1528; LG Bonn AGS 2006, 163; Enders, RVG für Anfänger 13. Aufl. Rdn. 1044; Mayer, in: Mayer/

Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 2. Aufl. Nr. 3105 VV Rdn. 9;

Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt/Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 17. Aufl. Nr. 3105 VV Rdn. 34; Schons, in:

Hartung/Römermann/Schons, Praxiskommentar zum RVG 2. Aufl. Nr. 3105 VV Rdn. 16; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 345 Rdn. 7).

[7] c) Der erkennende Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an, wenn derselbe Prozessbevollmächtigte - wie hier - bereits das erste Versäumnisurteil erwirkt hat.

[8] aa) Schon der Wortlaut von Nr. 3105 RVG VV - "Wahrnehmung nur eines Termins" - spricht dafür, dass diese Ausnahmeregelung nicht gilt, wenn der Prozessbevollmächtigte an mehreren Terminen teilgenommen hat. Das Wort "ein" vor "Termin" ist Zahlwort, nicht unbestimmter Artikel. Dieses Verständnis entspricht auch der Gesetzesbegründung, nach der die reduzierte Terminsgebühr anfallen soll, wenn nur ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattfindet und daraufhin ein Versäumnisurteil ergeht (BT-Drucks. 15/1971 S. 212).

[9] bb) Für diese enge Auslegung der Nr. 3105 RVG VV spricht des Weiteren, dass Nr. 3104 RVG VV nur geringe Anforderungen an das Entstehen der 1,2-Terminsgebühr stellt. Es genügt, dass der Prozessbevollmächtigte bei Aufruf der Sache vertretungsbereit anwesend ist; die Vornahme weitergehender Tätigkeiten ist nicht erforderlich (BT-Drucks. 15/1971 S. 209).

[10] cc) Diese Auslegung steht nicht im Widerspruch zu § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG. Denn wie sich ebenfalls aus dem Wortlaut von Nr. 3105 RVG VV ergibt ("Die Gebühr 3104 beträgt"), schafft diese Vorschrift keine neue, eigenständige Gebührenart, sondern enthält nur einen Ermäßigungstatbestand für die in Nr. 3104 RVG VV geregelte Gebühr (Müller-Rabe aaO Rdn. 38).

[11] Die Beschränkung der Nr. 3105 RVG VV auf die Wahrnehmung eines einzigen Termins widerspricht auch nicht etwa der gesetzgeberischen Intention, mit der verminderten Terminsgebühr dem in der Regel

verminderten Aufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen (BT-Drucks. 15/1971 S. 212). Denn von einem verminderten Aufwand kann keine Rede sein, wenn der Prozessbevollmächtigte an mehreren Terminen teilnimmt (vgl. Mayer RVG-Letter 2005, 29, 30).

Nobbe Müller Joeres

Mayen Schmitt

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