XI ZR 359/03

22.02.2005

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

22. Februar 2005

Herrwerth,Justizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


KAGG §§ 19, 20


Zu den Anforderungen an Verkaufsprospekte von Kapitalanlagegesellschaften.


BGH, Urteil vom 22. Februar 2005 - XI ZR 359/03 - OLG Frankfurt am Main, LG Frankfurt am Main


Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die Richter Dr. Joeres und Dr. Wassermann, die Richterin Mayen und den Richter Dr. Appl

für Recht erkannt:

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. November 2003 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten in der Revisionsinstanz werden dem Kläger zu 1) zu 27%, dem Kläger zu 2) zu 58% und der Klägerin zu 3) zu 15% auferlegt. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten haben die Kläger selbst zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger nehmen die beklagte Kapitalanlagegesellschaft auf Erstattung für den Erwerb von Anteilscheinen gezahlter Beträge in Anspruch.

Die Beklagte legte am 22. Dezember 1999 den J. -Fonds auf. Die Kläger erwarben von der Depotbank der Beklagten am 6. April, 29. Juni und 8. September 2000 Anteile zum Preis von 23.917 ?, 43.008,66 € und 132.596,46 €. Der Kläger zu 2) gab der Beklagten seine Anteile im April 2001 zum Preis von 38.689,28 € zurück. Vor dem Erwerb hatte der Kläger zu 1) den auf dem Stand von November 1999 befindlichen Verkaufsprospekt erhalten; hinsichtlich der anderen Kläger ist dies streitig. In dem Prospekt werden die Anlageziele und -grundsätze u.a. wie folgt beschrieben:

"Der J. -Fonds investiert in erfolgreiche in- und ausländische Unternehmen. Das Anlageziel des Fonds ist langfristiges Kapitalwachstum. Die Auswahl der für das Sondervermögen zu erwerbenden Aktien erfolgt überwiegend nach qualitativen Kriterien. Hierzu zählen beispielsweise eine führende Marktposition des Unternehmens, technologischer Vorsprung, überzeugendes, kreatives Management sowie zukunftsweisende, innovative Produkte und Unternehmensstrategien. Bei der Auswahl der Anlagewerte stehen neben der aktuellen Unternehmensbewertung die Perspektive sowie die Wachstumschancen von innovativen Unternehmen im Vordergrund.

Das Fondsmanagement unterscheidet in strategische und taktische Investments. Langfristig orientierte strategische Investments im Sondervermögen erfolgen ausschließlich aufgrund unserer sorgfältigen Analyse, Unternehmensbesuchen vor Ort sowie kontinuierlichem Meinungsaustausch mit dem Management der Unternehmen. Im Rahmen kurzfristig ausgerichteter taktischer Investments nutzt das Fondsmanagement Kursschwankungen verschiedener Einzelunternehmen und Branchentrends. Quantitative Kriterien wie z.B. historisches und künftig erwartetes Gewinnwachstum oder relative Stärke sowie die Charttechnik spielen eine untergeordnete Rolle.

Der Fonds strebt als Anlageziel die Erwirtschaftung eines Vermögenszuwachses in erster Linie durch die Auswahl der Einzeltitel (Aktienselektion) an und nur sehr eingeschränkt durch Veränderungen des Investitionsgrades.

Wir nennen unseren Fonds "creativ", weil die Anlageentscheidungen im Rahmen unseres Management-Ansatzes nicht nur auf der fundamentalen Analyse des Geschäftsablaufes einzelner Unternehmen basieren. Ein hohes Maß an Antizipationsfähigkeit für zukünftige Entwicklungen und die Verflechtungen zwischen Unternehmen - auch grenzüberschreitend - kennzeichnet unseren Anlagestil. Der Erfolg des Fonds wird im wesentlichen darin bestehen, die Zukunftschancen einzelner Unternehmen oder Branchen im Rahmen der Globalisierung des Wirtschaftsgeschehens zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu erkennen und daraus die relevanten Anlageentscheidungen abzuleiten. Wir verstehen unseren Anlageprozeß als eine Kombination zwischen dem Hineindenken in die Bedürfnisse der künftigen Gesellschaft, dem interdisziplinären Querdenken und dem Vordenken künftiger Wachstumschancen. Die extrem schnellen Veränderungen unseres Wirtschaftsumfeldes im Zeitalter der vollkommenen Information können auch im Portfolio-Management nicht mehr mit herkömmlichen Methoden monokausaler Erklärungsmuster bewältigt werden, sondern fordern eine interaktive Kommunikationsstruktur in Netzwerken.

Neben den vorgenannten Aktien werden im Rahmen der Anlagegrenzen auch Aktienzertifikate, Indexzertifikate, Optionsscheine und Genußscheine sowie weitere in Wertpapieren verbriefte Finanzinstrumente in- und ausländischer Aussteller erworben. Sofern diese Wertpapiere Finanzinstrumente sind oder die Wertpapiere Finanzinstrumente enthalten, ist ihr Einsatz nur im Rahmen des § 8 d KAGG zulässig.

Unter Beachtung der Chancen und Risiken der Anlage in Aktien erwirbt die Gesellschaft für das Sondervermögen insbesondere Wertpapiere, die an Börsen des In- und Auslandes amtlich zugelassen, an organisierten Märkten gehandelt werden, die anerkannt und für das Publikum offen sind und deren Funktionsweise ordnungsgemäß ist. Daneben werden Wertpapiere aus Neuemissionen erworben, deren Emissionsbedingungen die Verpflichtung enthalten, die Zulassung zur amtlichen Notierung an einer Börse oder an einem organisierten Markt zu beantragen, sofern ihre Zulassung spätestens vor Ablauf eines Jahres nach der Emission erlangt wird.

Die Kurse der Wertpapiere eines Fonds können gegenüber dem Einstandspreis steigen oder fallen. Dies hängt insbesondere von der Entwicklung der Kapitalmärkte ab, oder von besonderen Entwicklungen der jeweiligen Aussteller, die nicht vorhersehbar sind. Auch bei sorgfältigster Auswahl der Wertpapiere kann nicht ausgeschlossen werden, daß Verluste durch Vermögensverfall von Ausstellern eintreten. Die Gesellschaft versucht jedoch, die bestehenden Risiken zu minimieren und die Chancen zu erhöhen.

ES KANN KEINE ZUSICHERUNG GEMACHT WERDEN, DASS DIE ZIELE DER ANLAGEPOLITIK ERREICHT WERDEN."

Die Beklagte führte im Vorwort ihres Halbjahresberichts zum 31. Mai 2000 aus, der Neue Markt Deutschland habe das Kerninvestment dargestellt. In diesem Zeitpunkt hatte der Fonds sein Vermögen mindestens zu 53,91% in Aktien des Neuen Marktes angelegt.

Nach einem starken Kursverfall der Anteilscheine vertreten die Kläger die Auffassung, der Verkaufsprospekt sei unrichtig und unvollständig. Er weise insbesondere nicht hinreichend auf den Anlageschwerpunkt im Neuen Markt hin. Die Kläger zu 1) und 3) nehmen die Beklagte auf Erstattung der für den Erwerb der Anteilscheine gezahlten Beträge in Höhe von 23.917 ? und 43.008,66 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe der Anteilscheine und auf Feststellung, daß die Beklagte mit der Rücknahme der Anteilscheine in Verzug ist, in Anspruch. Der Kläger zu 2) begehrt Erstattung der Differenz zwischen dem von ihm für den Erwerb der Anteilscheine gezahlten Betrag und dem von der Beklagten gezahlten Rückgabepreis, d.h. Zahlung von 93.907,18 € nebst Zinsen.

Das Landgericht (ZIP 2003, 295) hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht (WM 2003, 2460) hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Ein Anspruch gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 KAGG bestehe nicht, weil der Verkaufsprospekt keine Lücke aufweise. § 19 Abs. 2 Nr. 4 KAGG, der eine Beschreibung der Anlageziele und der Anlagepolitik des Sondervermögens vorsehe, sei nicht verletzt. Der Verkaufsprospekt enthalte eine Beschreibung, die einer wesentlichen Investition in den Neuen Markt entspreche. Er bringe zum Ausdruck, daß für den Erwerb von Aktien eines Unternehmens nicht nur dessen Solidität und sichere Marktposition, sondern auch Wachstumschancen und Innovationsfähigkeit von Bedeutung seien. Daraus gehe hervor, daß die Anlagestrategie auch Unternehmen einbeziehe, die hinsichtlich ihrer Entwicklung und Ertragsfähigkeit schwer einzuschätzen seien, und daß deshalb mit einer nicht unerheblichen Spekulation zu rechnen sei. Die Erläuterung des Namensbestandteils "Creativ" mache deutlich, daß Anlageentscheidungen nicht nur auf der Analyse der Geschäftsabläufe einzelner Unternehmen basierten, sondern durch ein hohes Maß an Antizipationsfähigkeit für zukünftige Entwicklungen gekennzeichnet seien. Der Erfolg solle im wesentlichen darin bestehen, die Zukunftschancen einzelner Unternehmen oder Branchen im Rahmen der Globalisierung des Wirtschaftsgeschehens möglichst früh zu erkennen und daraus die relevanten Anlageentscheidungen abzuleiten. Der sich aufdrängende Eindruck, daß der Fonds für eine sichere Geldanlage ungeeignet sei, werde durch die Bemerkung bestätigt, das Sondervermögen solle insbesondere in Wertpapieren angelegt werden, die an Börsen amtlich zugelassen seien oder an organisierten Märkten gehandelt würden. Dadurch werde die Möglichkeit eröffnet, auch ganz andere Werte, etwa Neuemissionen anzuschaffen.

Der Prospekt vermittle den Gesamteindruck, daß es sich bei dem Fonds um eine sehr riskante Anlage handele, die erheblicher Spekulation unterliege. Auch dem durchschnittlichen Anleger habe bei der Lektüre klar werden müssen, daß er mit einer Investition in den Fonds ein sehr viel höheres Risiko eingehe als beim Erwerb von Werten aus dem DAX, und daß für den Fonds die Investition in den Neuen Markt das Gegebene sei. Dieser habe nach dem Börsenlexikon der Gruppe Deutsche Börse risikobereiten Investoren hochrentable Anlagemöglichkeiten mit diversifizierbaren Risiken geboten. Da der Prospekt hinreichend auf diese Risiken des Neuen Marktes hingewiesen habe, sei es nicht erforderlich gewesen, die Bezeichnung "Neuer Markt" ausdrücklich in den Prospekt aufzunehmen.

Eine solche Verpflichtung ergebe sich auch nicht aus dem Gebot des § 19 Abs. 2 Nr. 4 KAGG, etwaige Beschränkungen der Anlagepolitik anzugeben. Es sei nicht festzustellen, daß die Beklagte ihre Anlagepolitik nicht nur anfangs, sondern auf Dauer auf den Neuen Markt habe konzentrieren wollen. Daß der Fonds im Jahr 2000 zu 53,91% und im Mai 2001 zu ca. 70% in Werte des Neuen Marktes investiert habe, genüge dafür nicht, weil die Zusammensetzung des Fonds sich in der Zwischenzeit grundlegend gewandelt habe. Investitionsschwerpunkte seien heute neben dem Nasdaq asiatische Märkte, nicht aber der Tec-Dax, wie es bei einer Festlegung auf deutsche Innovations- und Technologiewerte nach Schließung des Neuen Marktes zu erwarten gewesen wäre. Die von den Klägern angeführten Äußerungen des Fondsmanagers seien ebenfalls keine ausreichenden Anzeichen für eine von vornherein geplante, dauerhafte Beschränkung auf Werte des Neuen Marktes.

Zur Angabe lediglich vorübergehend gebildeter Anlageschwerpunkte sei die Beklagte weder gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 4 KAGG noch gemäß § 19 Abs. 4 KAGG verpflichtet gewesen. Nach § 19 Abs. 4 KAGG seien die Angaben von wesentlicher Bedeutung zwar auf dem neuesten Stand zu halten. Dies bedeute aber nicht, daß eine Kapitalanlagegesellschaft die vorübergehende Bildung bzw. Änderung tatsächlicher Anlageschwerpunkte stets in ihren Verkaufsprospekt aufnehmen müsse. Ein Anspruch gemäß § 20 Abs. 1 KAGG entfalle somit, weil die Angaben im Verkaufsprospekt nicht unrichtig oder unvollständig seien.

Da die Beklagte die Kläger im Verkaufsprospekt ordnungsgemäß informiert habe, seien weder Ansprüche aufgrund der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung noch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG bzw. § 264 a StGB gegeben.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

1. Die Kläger haben gegen die Beklagte keine Ansprüche gemäß § 20 Abs. 1 KAGG, weil der Verkaufsprospekt, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben, die für die Beurteilung der Anteilscheine von wesentlicher Bedeutung sind, enthält.

a) aa) Zu den wesentlichen Angaben gehört u.a. die Darstellung der Anlageziele und der Anlagepolitik gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 KAGG. Deren Beschreibung muß einem durchschnittlichen Anleger, nicht einem flüchtigen Leser (so aber Schäfer BKR 2003, 78) ein richtiges Gesamtbild (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 - II ZR 175/81, WM 1982, 862; Schödermeier/Baltzer, in: Brinkhaus/Scherer, KAGGAuslInvestmG, § 20 KAGG Rdn. 5) von den Anlagegegenständen, ihren Risiken und Auswirkungen auf die finanzielle Beurteilung der Anlage vermitteln (Baur, Investmentgesetze 2. Aufl. § 19 KAGG Rdn. 31; Schödermeier/Baltzer, in: Brinkhaus/Scherer, KAGGAuslInvestmG, § 19 KAGG Rdn. 28). Je spezialisierter die Anlagepolitik ist, desto umfassender ist über die Auswirkungen einer nur eingeschränkten Risikomischung aufzuklären (Beckmann, in: Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment § 19 KAGG Rdn. 14).

bb) Diesen Anforderungen genügt der Verkaufsprospekt der Beklagten.

(1) Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Prospekt vermittele einem durchschnittlichen Anleger den Eindruck, der Fonds sei als sichere Geldanlage ungeeignet, es handele sich um eine sehr riskante Anlage, die erheblicher Spekulation unterliege, ist, anders als die Revision meint, nicht zu beanstanden. Der Anleger wird auf den Seiten 4 und 5 des Prospekts unter der Überschrift "Anlageziel und Anlagegrundsätze" ausreichend darüber informiert, daß der Fonds das Anlageziel "langfristiges Kapitalwachstum" insbesondere auch durch spekulative Ausnutzung von Kursschwankungen, durch sehr stark zukunftsorientierte Investitionen in (noch) nicht börsennotierte Wertpapiere sowie in Neuemissionen erreichen will. Daß dem Fonds zur Erreichung des Anlageziels auch der Abschluß hochspekulativer Wertpapieroptionsgeschäfte, Wertpapierterminkontrakte, Finanzterminkontrakte und sogar von OTC-Geschäften mit dem ihnen eigenen Liquiditäts- und Kontrahentenrisiko erlaubt sein sollte, ergibt sich deutlich aus den Seiten 6-10 des Prospekts, die auch auf die mit solchen Geschäften verbundenen hohen Risiken hinweisen. Für einen durchschnittlichen Anleger konnte danach nicht zweifelhaft sein, daß es sich bei dem Fonds um eine hochspekulative risikoreiche Anlage handelt.

(2) Der Verkaufsprospekt bringt ferner zum Ausdruck, daß die Anlagepolitik der Beklagten auch den Erwerb am Neuen Markt gehandelter Aktien umfaßte. Der Neue Markt wurde an der Frankfurter Wertpapierbörse als Marktsegment angeboten, in dem junge, innovative Wachstumsunternehmen, die meist nur mit wenigen, neuen Produkten und Dienstleistungen am Wettbewerb teilnahmen, Risikokapital aufnehmen konnten. Er ermöglichte Anlegern Investitionen in Aktien mit einem erheblichen Risiko und einer entsprechend erhöhten Gewinnchance (Senat, Urteil vom 13. Juli 2004 - XI ZR 178/03, WM 2004, 1774, 1777, für BGHZ vorgesehen). Daß die Anlagepolitik der Beklagten sich auf den Erwerb solcher Aktien erstreckte, bringt der Prospekt, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat, deutlich zum Ausdruck, indem er als Kriterien für die Anlage des Sondervermögens u.a. zukunftsweisende, innovative Produkte und Unternehmensstrategien sowie Wachstumschancen von innovativen Unternehmen nennt. Schon der Name des "Creativ-Fonds" deutet, wie der Prospekt im einzelnen und für den durchschnittlichen Anleger verständlich erläutert, darauf hin, daß sein Erfolg u.a. von dem frühzeitigen Erkennen der Zukunftschancen einzelner Unternehmen oder Branchen und dem Vordenken künftiger Wachstumschancen abhängt.

Da hiermit die wesentlichen Eigenschaften und besonderen Risiken der am Neuen Markt gehandelten Aktien bezeichnet sind, war die ausdrückliche Erwähnung des Marktsegments "Neuer Markt" im Verkaufsprospekt nicht erforderlich. Die Revision beruft sich für ihre gegenteilige Auffassung ohne Erfolg darauf, daß sowohl gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 KAGG als auch gemäß Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) vom 20. Dezember 1985 (ABl. EG 1985, Nr. L 375 S. 3), deren Umsetzung § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 KAGG dient, alle erforderlichen Angaben im Prospekt selbst und nicht in zusätzlich heranzuziehenden Unterlagen, etwa einem Börsenlexikon, enthalten sein müssen. Diesem Erfordernis genügt der Prospekt, weil er selbst, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausführt, die Anlagepolitik so beschreibt, daß sie auch Investitionen am Neuen Markt ohne weiteres umfaßt. Das vom Berufungsgericht zitierte Börsenlexikon enthält ersichtlich nicht einen - im Prospekt selbst fehlenden - Teil der Beschreibung der Anlagepolitik der Beklagten, sondern eine Erläuterung des Begriffs des Neuen Marktes. Darin sieht das Berufungsgericht zu Recht einen Beleg für seine Auffassung, daß die im Prospekt dargelegte Anlagepolitik sich auch auf Investitionen in den Neuen Markt erstreckt.

(3) Der fehlende ausdrückliche Hinweis auf einen schwerpunktmäßigen Erwerb am Neuen Markt gehandelter Aktien und die mit dieser (teilweisen) Konzentration auf ein Marktsegment verbundenen Risiken verstößt nicht gegen das Gebot des § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 KAGG, etwaige Beschränkungen bezüglich der Anlagepolitik darzustellen. Entgegen der Auffassung der Revision mußte im Prospekt eine schwerpunktmäßige Investition in ein bestimmtes Marktsegment nicht angegeben werden, weil nach den rechtsfehlerfreien Ausführungen des Berufungsgerichts die Absicht, die Anlagepolitik dauerhaft auf den Neuen Markt zu konzentrieren, nicht feststellbar ist.

An dieser Feststellung war das Berufungsgericht durch die gegenteilige Feststellung des Landgerichts, die Beklagte habe von Beginn an und dauerhaft die Absicht verfolgt, einen wesentlichen Anlageschwerpunkt in Aktien des Neuen Marktes zu setzen, nicht gehindert. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen nur gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, die die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Landgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, WM 2004, 845, 846, für BGHZ vorgesehen, m.w.Nachw.). Ein solcher Verfahrensfehler liegt vor, wenn die Beweisaufnahme oder die Beweiswürdigung des Landgerichts unvollständig sind (Ball, in: Musielak, ZPO 4. Aufl. § 529 Rdn. 8).

Dies ist hier, wie die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung zu Recht gerügt hat, der Fall, weil das Landgericht die dauerhafte Absicht der Beklagten, einen wesentlichen Anlageschwerpunkt in Aktien des Neuen Marktes zu setzen, festgestellt hat, ohne den von der Beklagten für ihren gegenteiligen Vortrag als Zeugen benannten Fondsmanager zu vernehmen. Statt dessen hat sich das Landgericht zur Begründung seiner Feststellung u.a. auf ein Zeitungsinterview des Fondsmanagers bezogen, ohne sich gemäß § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO damit auseinanderzusetzen, daß dieses Gespräch etwa 18 Monate vor der Emission des Fonds stattgefunden hatte. Angesichts dieser Verfahrensfehler konnte das Berufungsgericht ohne Bindung an die landgerichtlichen Feststellungen entscheiden, daß eine von Beginn an und dauerhaft verfolgte Absicht der Beklagten, einen wesentlichen Anlageschwerpunkt in Aktien des Neuen Marktes zu setzen, nicht feststellbar ist. Die Begründung dieser Feststellung ist rechtsfehlerfrei. Insbesondere ist es entgegen der Auffassung der Revision rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht, anders als das Landgericht, die Entwicklung der Zusammensetzung des Sondervermögens bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in seine Würdigung einbezogen und als Indiz gegen die fragliche Absicht der Beklagten gewertet hat.

Da die Beklagte nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht das Anlageziel verfolgte, einen Schwerpunkt in einem bestimmten Marktsegment zu setzen, bedarf die Frage, ob ein solches Anlageziel gemäß Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Dezember 1985 (ABl. EG 1985, Nr. L 375 S. 3) i.V. mit dem Anhang Schema A Ziffer 1.15 in Verkaufsprospekten anzugeben ist, entgegen der Auffassung der Revision keiner Entscheidung.

(4) Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, weder § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 KAGG noch § 19 Abs. 4 KAGG gebiete die Angabe lediglich vorübergehend gebildeter, tatsächlicher Anlageschwerpunkte.

Die Anlagepolitik des Fonds war nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts von Anfang an auf Investitionen in wachstumsorientierte, innovative Unternehmen ohne Festlegung auf bestimmte Märkte, Segmente, Branchen oder Länder gerichtet. Dies bedeutet indes nicht, daß das Sondervermögen gleichmäßig auf die vorhandenen Märkte, Segmente, Branchen und Länder verteilt wird. Die Gewinnorientierung des Fonds hat vielmehr zur Folge, daß unterschiedliche wirtschaftliche Gegebenheiten und Renditeaussichten zu einer stärkeren bzw. schwächeren Berücksichtigung einzelner Märkte, Segmente, Branchen oder Länder führen können. Daraus ergeben sich Anlageschwerpunkte, die bei Veränderungen der wirtschaftlichen Gegebenheiten und Gewinnchancen jederzeit wieder aufgelöst oder verlagert werden können. Da diese vorübergehenden faktischen Anlageschwerpunkte sich erst im Verlauf der Geschäftstätigkeit des Fonds bilden und nicht selbst Gegenstand der Anlagepolitik sind, müssen sie weder gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 KAGG im Verkaufsprospekt angegeben noch gemäß § 19 Abs. 4 KAGG auf dem neuesten Stand gehalten werden.

b) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe sich unter Verstoß gegen § 547 Nr. 6 ZPO nicht mit der vom Landgericht offengelassenen Frage, ob der Prospekt aus anderen Gründen unvollständig sei, und dem diesbezüglichen Vortrag der Kläger auseinandergesetzt. § 547 Nr. 6 ZPO ist u.a. dann verletzt, wenn das Berufungsurteil auf ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne des § 146 ZPO nicht eingeht und dieses zur Begründung bzw. Abwehr der Klage nicht ohnehin ungeeignet ist (BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99, WM 2000, 2393, 2394; Ball, in: Musielak, ZPO 4. Aufl. § 547 Rdn. 15 und 18). Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann nicht geprüft werden.

Die Revision hat es, wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, versäumt, die erhobene Verfahrensrüge ordnungsgemäß auszuführen. Nach § 557 Abs. 3 Satz 2, § 551 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO bedarf es insoweit der Bezeichnung der Tatsachen, aus denen sich die Verfahrensverletzung ergeben soll, unter Angabe der Fundstellen in den Schriftsätzen der Tatsacheninstanzen (BGHZ 14, 205, 209 f.; Stein/

Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. § 551 Rdn. 11; Zöller/Gummer, ZPO 25. Aufl. § 551 Rdn. 14). Der angeblich übergangene Vortrag wird in der Revisionsbegründung überhaupt nicht wiedergegeben. Diese beschränkt sich insoweit vielmehr auf eine Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts. In diesem ist das Vorbringen der Kläger lediglich kurz zusammengefaßt. Ob es zur Begründung der Klage geeignet, insbesondere ausreichend substantiiert ist, so daß sich das Berufungsgericht damit hätte befassen müssen, ist dem Urteil des Landgerichts, das nicht auf bestimmte Fundstellen in den erstinstanzlichen Schriftsätzen der Kläger verweist, nicht zu entnehmen.

c) Da mithin davon auszugehen ist, daß der Verkaufsprospekt keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben enthält, braucht über die weiteren Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 20 Abs. 1 KAGG, insbesondere die Frage der Kausalität, nicht entschieden zu werden.

2. Mangels unrichtiger oder unvollständiger Prospektangaben kommen Ansprüche aufgrund der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG bzw. § 264 a StGB von vornherein nicht in Betracht. Die Streitfragen, ob die Grundsätze der allgemeinen Prospekthaftung neben § 20 Abs. 1 KAGG anwendbar sind (vgl. dazu Baur, Investmentgesetze 2. Aufl. § 20 KAGG Rdn. 33) und ob § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG ein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. dazu Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG 3. Aufl. Rdn. 17 vor § 31), bedürfen danach keiner Entscheidung.

3. Für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 EG besteht kein Anlaß, weil die von der Revision formulierten Vorlagefragen sämtlich nicht entscheidungserheblich sind. Ob Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Dezember 1985 (ABl. EG 1985, Nr. L 375 S. 3) Prospektangaben, die nicht aus sich heraus verständlich sind, zuläßt und die Angabe des Anlageziels, einen Schwerpunkt in einem bestimmten Marktsegment zu setzen, erfordert, bedarf keiner Entscheidung. Der Verkaufsprospekt der Beklagten ist, wie dargelegt, aus sich heraus verständlich. Das Anlageziel, einen Schwerpunkt in einem bestimmten Marktsegment zu setzen, hat die Beklagte nicht verfolgt. Die weitere von der Revision angeführte Vorlagefrage betrifft die Kausalität, auf die es für die Entscheidung nicht ankommt.

III. Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.

Nobbe Joeres Wassermann

Mayen Appl

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