XII ZB 255/03
BUNDESGERICHTSHOF
vom
23. März 2005
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, 4
Anrechte bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg (ZVK-KVBW) sind nach der Änderung der für sie geltenden Satzung der ZVK-KVBW im Anwartschaftsstadium als statisch, im Leistungsstadium jedoch als volldynamisch zu beurteilen (im Anschluß an die Senatsbeschlüsse vom 7. Juli 2004 - XII ZB 277/03 - FamRZ 2004, 1474 und vom 8. September 2004 - XII ZB 144/04 - FamRZ 2004, 1706 und vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 133/04 - FamRZ 2004, 1959).
BGH, Beschluß vom 23. März 2005 - XII ZB 255/03 - OLG Karlsruhe, AG Überlingen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. März 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dose
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des 18. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vom 30. Oktober 2003 aufgehoben.
Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengerichts - Überlingen vom 21. Juli 2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der monatliche Ausgleichsbetrag, bezogen auf den 31. August 2002, nicht 468,44 , sondern 455,43 beträgt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der weitere Beteiligte zu 1; die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Beschwerdewert: 500 ?
Gründe:
I. Die Parteien haben am 10. August 1973 geheiratet. Der Scheidungsantrag des Ehemannes (Antragsteller; geboren am 15. März 1941) ist der Ehefrau (Antragsgegnerin; geboren am 17. Oktober 1951) am 12. September 2002 zugestellt worden. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Ehe geschieden (insoweit rechtskräftig) und den abgetrennten Versorgungsausgleich nachfolgend dahin geregelt, daß es zu Lasten der Versorgung des Antragstellers beim Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (LBV; weiterer Beteiligter zu 1) im Wege des Quasisplittings nach § 1587 b Abs. 2 BGB auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; weitere Beteiligte zu 2) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 468,44 , bezogen auf den 31. August 2002, begründet hat.
Dabei ist das Amtsgericht nach den Auskünften der weiteren Beteiligten zu 1 bis 3 von ehezeitlichen (1. August 1973 bis 31. August 2002; § 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften des Antragstellers beim LBV unter Berücksichtigung der Absenkung des Höchstruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 in Höhe von monatlich 1.282,59 sowie der Antragsgegnerin bei der BfA in Höhe von monatlich 339,94 , bezogen auf den 31. August 2002, ausgegangen. Die für die Antragsgegnerin bei der Zusatzversorgungskasse des kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg (KVBW; weitere Beteiligte zu 3) bestehenden Anwartschaften hat das Amtsgericht als insgesamt statisch bewertet und nach entsprechender Dynamisierung anhand der Barwert-Verordnung für die Antragsgegnerin monatlich 5,77 dem Versorgungsausgleich zugrunde gelegt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des LBV hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des LBV, mit der es weiterhin geltend macht, das Oberlandesgericht habe die Neuregelungen des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 fehlerhaft auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs angewandt. Die Parteien, die BfA und die KVBW haben sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.
II. Die nach §§ 621 e Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. Nr. 1, 2. Halbs. in Verbindung mit § 543 Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Zwar ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht den Versorgungsausgleich auf der Grundlage des § 14 BeamtVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 durchgeführt hat.
Der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, daß für die Berechnung des Versorgungsausgleichs bei beamtenrechtlichen Versorgungsanrechten im Hinblick auf den Halbteilungsgrundsatz seit dem 1. Januar 2003 uneingeschränkt der Höchstruhegehaltssatz von 71,75 % gemäß § 14 BeamtVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I, 3926) maßgeblich ist, da diese Fassung nach Art. 20 Abs. 2 Nr. 1 des Versorgungsänderungsgesetzes zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist. Dabei kommt es weder darauf an, ob das Ehezeitende vor oder in der Übergangsphase nach § 69 e BeamtVG liegt, noch ob der Versorgungsfall in oder erst nach der Übergangsphase eintreten wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. November 2003 - XII ZB 75/02 und XII ZB 30/03 - FamRZ 2004, 256 ff. bzw. 259 ff.). Wie der Senat weiter ausgeführt hat, fällt - wenn der Versorgungsfall während der Übergangsphase nach § 69 e BeamtVG eintritt - der degressive Versorgungsbestandteil nach § 69 e BeamtVG (sog. Abflachungsbetrag) nicht unter den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich. Ob der Abflachungsbetrag gegebenenfalls später im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich auszugleichen sein wird, bleibt einer weiteren Prüfung vorbehalten, sofern die Voraussetzungen für einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gegeben sein sollten (vgl. Senatsbeschluß vom 26. November 2003 - XII ZB 30/03 - aaO 261).
Daß der Antragsteller vorliegend die Regelaltersgrenze von 65 Jahren (§ 25 Abs. 1 BRRG) im Jahre 2006 und damit vor dem bisher angenommenen Ende der Übergangsphase nach § 69 e BeamtVG erreichen wird, gebietet keine andere Bewertung.
Zwar unterliegen die Rentenanwartschaften, die für die Antragsgegnerin durch das Quasisplitting - aufgrund des herabgesetzten Höchstversorgungssatzes von 71,75 % - begründet werden, wie alle Anwartschaften der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 1. Juli 2010 zusätzlich der Niveauabsenkung nach § 255 e SGB VI. Dies ist indessen durch die unterschiedlichen Niveauabsenkungsregelungen in der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und der Beamtenversorgung andererseits systemimmanent und kann nicht dadurch korrigiert werden, daß dem Antragsteller unter Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz mehr als die Hälfte der ihm tatsächlich zustehenden ehezeitbezogenen Versorgungsanwartschaften genommen wird. Sollten wegen der systembedingten Unterschiede im Ergebnis Korrekturen erforderlich werden - was im Hinblick auf die gegenwärtigen renten- und pensionsrechtlichen Unsicherheiten nicht abschließend beurteilt werden kann -, müssen diese gegebenenfalls der Abänderung nach § 10 a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG vorbehalten bleiben.
Allerdings ergibt sich hinsichtlich der Anwartschaften des Antragstellers rechnerisch eine Abänderung durch die nunmehr erforderliche Anwendung des baden-württembergischen Bemessungsfaktors von 5,33 % monatlich für 2005 hinsichtlich der Sonderzuwendung (Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. September 2003 - BGBl. I, 1798 - in Verbindung mit § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Gewährung von Sonderzahlungen in Baden-Württemberg - Landesanteil Besoldung <Landessonderzahlungsgesetz - LSZG> vom 29. Oktober 2003 - GBl. S. 693, 694; zur Anwendung des jeweils zur Zeit der Entscheidung geltenden Bemessungsfaktors vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 4. September 2002 - XII ZB 130/98 - FamRZ 2003, 437 ff. m.w.N.). Damit errechnet sich für den Antragsteller ein Ehezeitanteil von 1.260,33 .
2. Indessen hat das Oberlandesgericht die für die Antragsgegnerin bei der KVBW bestehenden Anwartschaften als insgesamt statisch beurteilt. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, daß die Versorgungsanrechte aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der VBL nach der Neufassung der Satzung zum 1. Januar 2002 als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium dynamisch zu bewerten sind (vgl. Senatsbeschluß vom 7.Juli 2004 - XII ZB 277/03 - FamRZ 2004, 1474). Gleiches gilt für Versorgungsanrechte bei der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden und der Bahnversicherungsanstalt, Abteilung B (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. September 2004 - XII ZB 144/04 - FamRZ 2004, 1706 und vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 133/04 - FamRZ 2004, 1959).
3. Ebenso sind die Versorgungsanrechte der Antragstellerin bei der KVBW nach der Neufassung der Satzung der Zusatzversorgungskasse des kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg in der Fassung vom 2. Juli 2002 als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium dynamisch zu bewerten.
Die KVBW hat - wie die VBL - mit Wirkung ab 1. Januar 2002 ihre Versorgungsregelungen grundlegend geändert und anstelle des bisherigen Gesamtversorgungssystems unter Anrechnung gesetzlicher Renten sowie der Regelungen des § 18 BetrAVG ein sogenanntes "Punktemodell" eingeführt. Nach dem Punktemodell bestimmen sich die Anrechte bei der KVBW im Anwartschaftsstadium nach § 34 Abs. 1 Satz 1 a), Satz 2, Abs. 2 der Satzung der KVBW (Neufassung vom 2. Juli 2002) grundsätzlich anhand von Versorgungspunkten, die ab dem 1. Januar 2002 jährlich aus dem Verhältnis eines Zwölftels des zusatzversorgungspflichtigen Jahresentgelts zum Referenzentgelt von 1.000 ?, multipliziert mit einem Altersfaktor, festgestellt werden. Die monatliche Zusatzversorgung ergibt sich nach § 33 Abs. 1 der Satzung der KVBW dann dadurch, daß die Summe der erworbenen Versorgungspunkte mit einem Meßbetrag von 4 ? multipliziert wird. Dies gilt auch für die Versorgungspunkte, die als sogenannte Startgutschrift sich aus den bis zum 31. Dezember 2001 erworbenen unverfallbaren Anwartschaften ergeben. Wie bei der VBL ist in § 34 Abs. 3 der Satzung der KVBW während der Anwartschaftsphase eine jährliche Verzinsung von 3,25 % angesetzt. Darüber hinaus können Versorgungspunkte nach §§ 34 Abs. 1 Satz 1 c), d), 35, 66, 68 der Satzung der KVBW noch für soziale Komponenten (Kindererziehung u.ä.) und durch Bonuspunkte für Überschüsse erworben werden. Daß die KVBW bisher solche Überschüsse erzielt hätte, ist nicht ersichtlich. Im Leistungsstadium wird die Betriebsrente der KVBW nach § 37 der Satzung jeweils zum 1. Juli jährlich um 1 % erhöht.
Danach entspricht die Zusatzversorgung bei der KVBW strukturell derjenigen bei der VBL, so daß Versorgungsanrechte bei der KVBW aus denselben Gründen wie bei der VBL (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 7. Juli 2004 aaO) ebenfalls als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium dynamisch zu bewerten sind.
4. Danach ergibt sich folgende Berechnung:
Bei der Umwertung der KVBW-Anwartschaften in eine dynamische Versorgung kommt Tabelle 1 zu § 2 Abs. 2 BarwertVO zur Anwendung. Dies führt zur Erhöhung des sich daraus ergebenden Faktors 4,9 (Alter der Antragsgegnerin bei Ende der Ehezeit: 50 Jahre) um 65 % auf 8,085 (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 BarwertVO). Aus der Jahresrente von 248,28 errechnet sich demnach ein Barwert von 248,28 x 8,085 = 2.007,34 . Nach Multiplikation mit dem Umrechnungsfaktor der Rechengrößenbekanntmachung für 2002 von 0,0001835894 ergeben sich 0,3685 Entgeltpunkte und nach weiterer Multiplikation mit dem allgemeinen Rentenwert zum Ehezeitende von 25,86 eine dynamische Rente von 9,53 .
Der in der Ehezeit erworbenen Versorgung des Antragstellers in Höhe von 1.260,33 stehen somit Anwartschaften der Antragsgegnerin in Höhe von
insgesamt 339,94 + 9,53 = 349,47 gegenüber, so daß sich eine Ausgleichspflicht des Antragsgegners in Höhe von 455,43 errechnet (1.260,33 ./. 349,47 = 910,86 ; 910,86 : 2 = 455,43 ).
Hahne Sprick Wagenitz
Fuchs Dose