XII ZR 217/04

04.05.2005

BUNDESGERICHTSHOF

vom

4. Mai 2005

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


GKG § 21 (= § 8 a.F.); EGZPO § 7; EGGVG § 8 Abs. 2


Zu den Voraussetzungen der Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung (Rücknahme eines bei einem unzuständigen Gericht eingelegten Rechtsmittels).


BGH, Beschluß vom 4. Mai 2005 - XII ZR 217/04 - LG München I, AG München


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Mai 2005 durch die

Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, die Richter Fuchs und Dr. Ahlt und die Richterin Dr. V‚zina

beschlossen:

Die Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 23. Dezember 2004 (Kostenrechnung vom 30. Dezember 2004 Kassenzeichen: 780041048355) wird zurückgewiesen.

Gründe:

1. Das Amtsgericht hat die Klage auf Schadensersatz wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Ziff. 4 des Tenors lautet: "Die Revision wird zugelassen". Gegen das ihnen am 30. August 2004 zugestellte Berufungsurteil haben die Klägerinnen Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt. Mit Beschluß vom 2. November 2004 hat das Landgericht Ziff. IV seines Tenors dahin geändert, "daß die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen wird". Nach Abgabe des Verfahrens an den Bundesgerichtshof haben die Klägerinnen die Revision zurückgenommen. Der Senat hat mit Beschluß vom 22. Dezember 2004 den Klägerinnen die Kosten der Revision auferlegt.

Mit Kostenrechnung vom 23. Dezember 2004 hat der Kostenbeamte die Kosten der Klägerin zu 1 mit 73 ? angesetzt. Dagegen wenden sich die Prozeßbevollmächtigten der zwischenzeitlich verstorbenen Klägerin zu 1, mit ihrer Erinnerung, der der Kostenbeamte nicht abgeholfen hat. Sie beantragen von der Kostenerhebung gemäß § 21 GKG abzusehen. Sie machen geltend, das Berufungsgericht habe in seiner Entscheidung zwar die Revision zugelassen, es aber versäumt festzulegen, bei welchem Gericht die Revision einzulegen sei. Die Klägerinnen hätten von Anfang an keine Revision beim Bundesgerichtshof durchführen wollen, deshalb das Rechtsmittel zum Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt und es wieder zurückgenommen, nachdem das Berufungsgericht nachträglich entschieden habe, daß die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen werde.

2. Die zulässige Erinnerung (vgl. Hartmann Kostengesetze 34. Aufl. § 21 GKG Rdn. 65) bleibt ohne Erfolg.

Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG (= § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.) werden Kosten nicht erhoben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Jedoch reicht ein leichter Verfahrensverstoß in der Regel nicht, um von der Erhebung der Kosten nach dieser Bestimmung abzusehen. Um zu verhindern, daß es zu einer Kette nicht endender Nichterhebungsverfahren kommt (Hartmann aaO Rdn. 11), verlangt die Rechtsprechung vielmehr einen schweren Verfahrensverstoß (BGH, Beschluß vom 10. März 2003 - IV ZR 306/00 - NJW-RR 2003, 1294; Hartmann aaO Rdn. 10 m.w.N.). Zwar hätte das Landgericht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 EGZPO mit der Zulassung der Revision gleichzeitig - und nicht erst später mit Ergänzungsbeschluß - über die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel entscheiden müssen. Hierin liegt aber kein schwerer Verfahrensverstoß. Die Klägerinnen hätten das Rechtsmittelverfahren und die damit entstandenen Kosten durch einen Antrag auf Urteilsergänzung vermeiden können. In solchen Fällen besteht kein ausreichender Grund, die angefallenen Gerichtskosten nicht zu erheben (Meyer GKG 6. Aufl. § 21 Rdn. 9).

Auch die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann bei Zurücknahme eines Antrages von der Erhebung der Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht. Die Bestimmung gilt auch bei Rücknahme eines Rechtsmittels (Meyer aaO Rdn. 11). Weil das Landgericht es versäumt hatte, im Urteil über die Rechtsmittelzuständigkeit zu entscheiden, durften die Klägerinnen nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz die Revision sowohl beim Bundesgerichtshof als auch beim Bayerischen Obersten Landesgericht einlegen (BGH, Beschluß vom 26. November 1980 - IVb ZR 592/80 - NJW 1981, 576, 577). Sie konnten aber nicht darauf vertrauen, daß das Landgericht bei der von ihm nachzuholenden Zuständigkeitsbestimmung das Bayerische Oberste Landesgericht als Revisionsgericht bestimmen würde. Sie mußten vielmehr davon ausgehen, daß es den Bundesgerichtshof als Revisionsgericht bestimmen würde. Nach § 8 Abs. 2 EGGVG ist bei Anwendung von Bundesrecht eine Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts nämlich nur gegeben, wenn der landesrechtliche Rechtsstoff überwiegt (Zöller/Gummer ZPO 24. Aufl. § 8 EGGVG Rdn. 3). Das war hier nicht der Fall. Bei der Entscheidung des Berufungsgerichts ging es ausschließlich um mietrechtliche Fragen, somit um Bundesrecht und nicht um Landesrecht.

Die Klägerinnen müssen sich das Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (Meyer aaO Rdn. 11).

Hahne Weber-Monecke Fuchs

Ahlt V‚zina

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