BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 - XII ZB 490/23

05.08.2024

BUNDESGERICHTSHOF

vom

15. Mai 2024

in der Betreuungs- und Unterbringungssache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


FamFG § 323 Abs. 1 Nr. 1


a) Der Typus der Unterbringungseinrichtung muss nach § 323 Abs. 1 Nr. 1 FamFG in der Beschlussformel der gerichtlichen Entscheidung über die Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringung hinreichend genau bezeichnet werden, ohne dass jedoch eine konkrete Einrichtung zu bestimmen wäre.

b) Soll sich die Genehmigung oder Anordnung der Unterbringung des Betroffenen im Einzelfall auf mehrere Einrichtungsarten erstrecken, muss grundsätzlich für jeden gewählten Einrichtungstypus die Erforderlichkeit einer dortigen Unterbringung begründet werden.


BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 - XII ZB 490/23 - LG Traunstein, AG Mühldorf a. Inn


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Mai 2024 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer und Dr. Botur und die Richterinnen Dr. Krüger und Dr. Recknagel

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 15. September 2023 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels hinsichtlich Ziffer 1 der Beschlussformel teilweise aufgehoben und insoweit wie folgt neu gefasst:

Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf a. Inn vom 13. Juni 2023 (Genehmigung der Unterbringung) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Unterbringung des Betroffenen durch die Betreuerin nur insoweit genehmigt wird, als sie in der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung erfolgt.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Die Staatskasse hat dem Betroffenen die Hälfte seiner im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Eine Wertfestsetzung (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.

Gründe:

[1] I. Der Betroffene wendet sich gegen die Verlängerung der für ihn eingerichteten Betreuung und die Genehmigung seiner (weiteren) Unterbringung.

[2] Bei dem im Jahr 1940 geborenen Betroffenen besteht ein multimorbides Krankheitsbild. In psychischer Hinsicht leidet er an einer anhaltenden wahnhaften Störung sowie einer kognitiven Beeinträchtigung, vermutlich auf dem Boden einer nicht näher bezeichneten organischen psychischen Störung aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns. Im Mai 2021 wurde für den Betroffenen eine Betreuung in der Hauptsache eingerichtet, wobei der Aufgabenkreis der Berufsbetreuerin (Beteiligte zu 1) auch die Aufenthaltsbestimmung, die Gesundheitssorge sowie die Entscheidung über eine freiheitsentziehende Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen umfasst. In der Folgezeit wurde der Betroffene mehrfach untergebracht. Am 1. Juni 2021 wurde er in die gerontopsychiatrische Abteilung eines Klinikums aufgenommen; seit dem 26. Juni 2021 hält er sich in der beschützenden Abteilung eines Pflegeheims auf.

[3] Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 13. Juni 2023 die (weitere) Unterbringung des Betroffenen durch die Betreuerin in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung bis einschließlich zum 1. Mai 2025 genehmigt. Durch einen weiteren Beschluss vom selben Tag hat es die Betreuung verlängert. Die gegen beide Entscheidungen eingelegten Beschwerden des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

[4] II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Zutreffend beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass die Unterbringung des Betroffenen durch die Betreuerin (auch) in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses genehmigt worden ist.

[5] 1. Für die Unterbringung eines Betroffenen kommen grundsätzlich mehrere Einrichtungsarten (psychiatrische Krankenhäuser, Rehabilitationskliniken, Altenheime, Pflegeeinrichtungen etc.) in Betracht, die strukturelle Unterschiede aufweisen und mit unterschiedlichen Eingriffsintensitäten verbunden sind. Die Wahl der Einrichtungsart kann ­ anders als die Bestimmung der konkreten Einrichtung ­ nicht dem Betreuer überlassen werden. Vielmehr muss der Typus der Unterbringungseinrichtung nach § 323 Abs. 1 Nr. 1 FamFG in der Beschlussformel der gerichtlichen Entscheidung über die Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringung hinreichend genau bezeichnet werden, ohne dass jedoch eine konkrete Einrichtung zu bestimmen wäre (LG Flensburg Beschluss vom 13. Juli 2020 ­ 5 T 110/20 ­ juris Rn. 12; MünchKommFamFG/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 323 Rn. 4; Sternal/Giers FamFG 21. Aufl. § 323 Rn. 4; vgl. auch BayObLG FamRZ 1994, 320, 322 zu § 70 f Abs. 1 Nr. 2 FGG). Soll sich die Genehmigung oder Anordnung der Unterbringung des Betroffenen im Einzelfall auf mehrere Einrichtungsarten erstrecken, muss grundsätzlich für jeden gewählten Einrichtungstypus die Erforderlichkeit einer dortigen Unterbringung begründet werden.

[6] 2. Dem wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Sie verhält sich ­ wie auch die Entscheidung des Amtsgerichts ­ nicht dazu, weshalb die Unterbringung des Betroffenen durch die Betreuerin nicht nur in der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung, sondern auch in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses erforderlich sein soll.

[7] 3. Im Übrigen bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Der Senat hat die erhobenen Verfahrensrügen geprüft, diese aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG iVm § 564 ZPO). Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

[8] Der Senat kann abschließend in der Sache entscheiden, weil diese zur Entscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen durch die Betreuerin ist auf die beschützende Abteilung einer Pflegeeinrichtung zu beschränken, weil eine Erforderlichkeit der Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses nicht ersichtlich ist. Dies erschließt sich schon daraus, dass sich der Betroffene seit dem 26. Juni 2021 in einem Pflegeheim aufhält und auch in dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten nur von einer beschützenden Unterbringung die Rede ist, ohne dass sich daraus die Erforderlichkeit der Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses ableiten ließe.

Guhling Klinkhammer Botur

Krüger Recknagel

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