BGH, Beschluss vom 9. Juli 2025 - XII ZB 63/25

14.10.2025

BUNDESGERICHTSHOF

vom

9. Juli 2025

in der Unterbringungssache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BGB §§ 1815 Abs. 1, 1823; FamFG § 335 Abs. 3


Ein Betreuer, der für die Besorgung von "Rechtsangelegenheiten" des Betroffenen bestellt ist, ist jedenfalls dann nicht nach § 335 Abs. 3 FamFG zur Einlegung einer Beschwerde im Namen des Betroffenen gegen eine Entscheidung über die freiheitsentziehende Unterbringung berechtigt, wenn ein anderer Betreuer gerade für diesen Aufgabenbereich bestellt ist.


BGH, Beschluss vom 9. Juli 2025 - XII ZB 63/25 - LG Hildesheim, AG Hildesheim


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juli 2025 durch die Richter Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterinnen Dr. Pernice und Dr. Recknagel

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 9. Januar 2025 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass seine Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hildesheim vom 13. November 2024 verworfen wird.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Eine Festsetzung des Beschwerdewerts (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.

Gründe:

[1] I. Der Betroffene wendet sich gegen die gerichtliche Genehmigung seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und nachfolgend in einer beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung.

[2] Der im Jahr 1974 geborene Betroffene leidet an einer paranoiden Schizophrenie mit Anzeichen einer katatonen Schizophrenie und Residualsymptomatik. Ihm wurden deshalb einerseits ein Berufsbetreuer mit dem Aufgabenkreis Entscheidungen über eine freiheitsentziehende Unterbringung und über freiheitsentziehende Maßnahmen sowie andererseits der Beteiligte zu 3, sein Vater, als weiterer Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge sowie "Rechts-/ Antrags- und Behördenangelegenheiten" bestellt. Seit Februar 2023 ist der Betroffene in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht und wurde wiederholt ärztlichen Zwangsmaßnahmen unterzogen.

[3] Das Amtsgericht hat die freiheitsentziehende Unterbringung des Betroffenen bis längstens 19. September 2026 genehmigt und den Beschluss dahin ergänzt, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und im Anschluss in einer beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung zu erfolgen habe. Die vom Beteiligten zu 3 im Namen des Betroffenen gegen den Ergänzungsbeschluss eingelegte Beschwerde hat das Landgericht "zurückgewiesen". Hiergegen wenden sich der Betroffene und der Beteiligte zu 3 für diesen mit ihrer Rechtsbeschwerde.

[4] II. Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Erstbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts verworfen wird.

[5] 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die vom Beteiligten zu 3 eingelegte Beschwerde sei bereits unzulässig. Er habe die Beschwerde nicht zulässigerweise nach § 335 Abs. 3 FamFG für den Betroffenen einlegen können, weil er nicht für den Aufgabenbereich der Unterbringung bestellt und daher zu einer Vertretung des Betroffenen in dem die Unterbringung betreffenden Verfahren nicht berechtigt sei. Eine Beschwerdebefugnis komme dem Beteiligten zu 3 auch nicht als Vater des Betroffenen nach § 335 Abs. 1 Nr. 1 FamFG zu, weil der Betroffene weder bei dem Beteiligten zu 3 lebe noch bei Einleitung des Unterbringungsverfahrens bei ihm gelebt habe. Zudem sei der Beteiligte zu 3 auch nicht zum erstinstanzlichen Verfahren hinzugezogen und hierdurch beteiligt worden. Die Beschwerde wäre aber auch nicht begründet, weil die Unterbringung zu Recht angeordnet worden sei.

[6] 2. Die Ausführungen des Landgerichts zur Unzulässigkeit der Erstbeschwerde halten rechtlicher Nachprüfung stand.

[7] a) Gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 1 FamFG steht das Recht der Beschwerde im Interesse des Betroffenen unter anderem dessen Eltern zu, wenn der Betroffene bei diesen lebt oder bei Einleitung des Unterbringungsverfahrens bei ihnen gelebt hat und diese bereits im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. Auch der Betreuer kann nach § 335 Abs. 3 FamFG im Namen des Betroffenen Beschwerde gegen eine Entscheidung einlegen, wenn diese seinen Aufgabenkreis betrifft.

[8] b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Beschwerdegericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Beteiligten zu 3 eingelegte Beschwerde unzulässig ist.

[9] aa) Eine eigene Beschwerde im Interesse des Betroffenen (§ 335 Abs. 1 Nr. 1 FamFG) hat der Beteiligte zu 3 bereits nach dem eindeutigen Wortlaut der Beschwerdeschrift nicht eingelegt. Unabhängig davon wäre eine solche Beschwerde auch nicht zulässig gewesen, weil der Betroffene weder bei dem Beteiligten zu 3 lebt noch bei Einleitung des Unterbringungsverfahrens bei ihm gelebt hat und der Beteiligte zu 3 auch nicht im ersten Rechtszug zu dem Unterbringungsverfahren hinzugezogen und damit beteiligt worden ist (vgl. zu § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG Senatsbeschluss vom 8. März 2023 ­ XII ZB 283/22 ­ FamRZ 2023, 1154 Rn. 12 mwN). Hiergegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

[10] bb) Ebenso zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass der Beteiligte zu 3 nicht nach § 335 Abs. 3 FamFG berechtigt war, im Namen des Betroffenen Beschwerde gegen den Ergänzungsbeschluss einzulegen.

[11] Im Namen des Betroffenen kann ein Betreuer nur dann nach § 335 Abs. 3 FamFG Beschwerde gegen eine Unterbringungsentscheidung einlegen, wenn diese seinen Aufgabenkreis betrifft. Dies ist hier nicht der Fall. Der Beteiligte zu 3 ist lediglich für den Aufgabenkreis Vermögenssorge sowie "Rechts-/ Antrags- und Behördenangelegenheiten" bestellt, während der Aufgabenkreis "Entscheidung über eine freiheitsentziehende Unterbringung" dem Beteiligten zu 2 als Berufsbetreuer übertragen worden ist.

[12] Ob der so benannte Aufgabenbereich der "Rechts-/ Antrags- und Behördenangelegenheiten" als bloße ­ entbehrliche (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Juni 2021 ­ XII ZB 540/20 ­ FamRZ 2021, 1658 Rn. 8 mwN und vom 27. Januar 2016 ­ XII ZB 519/15 ­ FamRZ 2016, 627 Rn. 15 mwN) ­ Klarstellung zu dem auf den Beteiligten zu 3 übertragenen Aufgabenbereich der Vermögenssorge anzusehen ist oder ob diesem auch in Ansehung der gemäß § 1823 BGB mit dem jeweiligen Aufgabenbereich verbundenen Vertretungsberechtigung des Betreuers eine eigenständige Bedeutung zukommt, kann dabei dahingestellt bleiben. Ebenso wenig bedarf der Entscheidung, ob die Anordnung eines umfassend zu verstehenden Aufgabenbereichs nicht näher spezifizierter "Rechtsangelegenheiten" hinreichend abgrenzbar wäre, um dem Enumerationsprinzip nach § 1815 Abs. 1 Satz 2 BGB in gebotener Weise Rechnung zu tragen (vgl. Jurgeleit/Jurgeleit Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1815 BGB Rn. 6, 40; vgl. auch Erman/Roth BGB 17. Aufl. § 1815 Rn. 3 f.), und damit überhaupt zulässig wäre.

[13] Selbst wenn nämlich der Beteiligte zu 3 wirksam für den Aufgabenbereich der Rechtsangelegenheiten als Betreuer für den Betroffenen bestellt worden wäre und dieser Aufgabenbereich nicht als bloßer Annex zum ebenfalls dem Beteiligten zu 3 übertragenen Aufgabenbereich der Vermögenssorge zu verstehen wäre, würde dies vorliegend die Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen und dessen Vertretung in den Bereich der freiheitsentziehenden Unterbringung betreffenden Verfahren nicht umfassen. Denn dieser Aufgabenbereich ist ausdrücklich dem Beteiligten zu 2 als für den Betroffenen bestelltem Berufsbetreuer und gerade nicht dem Beteiligten zu 3 überantwortet worden. Der hierdurch vorgenommenen Abgrenzung der Aufgabenkreise des Beteiligten zu 2 als Berufsbetreuer einerseits und des Beteiligten zu 3 andererseits (§ 1815 Abs. 1 Satz 2 BGB) würde es zuwiderlaufen, wenn der Beteiligte zu 3 den Betroffenen in Rechtsangelegenheiten vertreten könnte, die den ausdrücklich dem Beteiligten zu 2 zugewiesenen Aufgabenkreis beträfen.

[14] Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Günter Nedden-Boeger Botur

Pernice Recknagel

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