BGH, Urteil vom 10. Dezember 2024 - VI ZR 230/23 in dem Rechtsstreit

19.02.2025

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

10. Dezember 2024

Böhringer-MangoldJustizamtsinspektorinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 Ah, § 1004 Abs. 1 Satz 2


Zur Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil (hier: Vorwurf der zumindest bedingt vorsätzlichen Verbreitung falscher Informationen im Rahmen der kritischen Auseinandersetzung mit einem Presseartikel).


BGH, Urteil vom 10. Dezember 2024 - VI ZR 230/23 - OLG Hamburg, LG Hamburg


Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2024 durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterinnen Dr. Oehler und Müller sowie die Richter Dr. Klein und Böhm

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 11. Juli 2023 aufgehoben.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 13. April 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1 5/6 und die Klägerin zu 2 1/6.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Die Kläger machen gegen den Beklagten Unterlassungsansprüche hinsichtlich im Internet veröffentlichter Äußerungen geltend.

[2] Der Kläger zu 1 ist Journalist und veröffentlicht seine Beiträge u.a. auf der von der Klägerin zu 2 betriebenen Internetseite www.stern.de. Der Beklagte ist Betreiber der Internetseite "B. B. Magazin" (....), auf der er Texte veröffentlicht.

[3] Unter dem Datum vom 5. Dezember 2016 erschien auf der Internetseite der Klägerin zu 2 ein Namensartikel des Klägers zu 1 mit der Überschrift "Sorge um B[..] A[...] - Twitter-Konto von Siebenjähriger aus Aleppo gelöscht". In diesem Beitrag wird über ein siebenjähriges Mädchen berichtet, das aus einem von der syrischen Armee belagerten Teil der Stadt Aleppo Twitter-Nachrichten veröffentlicht habe, jetzt aber aus dem sozialen Netzwerk verschwunden sei.

[4] Hierauf veröffentlichte der Beklagte auf seiner Internetseite unter dem 6. Dezember 2016 den ersten streitgegenständlichen Beitrag mit der Überschrift "#FakeNews: Nachrichtenfälscher M[Vorname des Klägers] D[Nachname des Klägers]". Der Text des Artikels lautet wie folgt:

"M[...] D[...] ist Nachrichtenredakteur des S. und produziert als solcher Falschmeldungen zu Propagandazwecken. Einen solchen haarsträubenden Fake, den neben D[...] noch unzählige andere Qualitätsjournalisten verbreiteten, ist [sic!] die Geschichte um ein angeblich siebenjähriges Mädchen Namens B[...] A[...], welches angeblich aus den von den 'Rebellen' gehaltenen Teilen Aleppos twittert. Letzteres natürlich immer stramm gegen die syrische Regierung und auch gegen Russland. Tweets gegen die 'Rebellen' in Ost-Aleppo, die sich bekanntermaßen zur Terrorgruppe Al Qaida bekennen und vom Westen als Bodentruppen im Syrienkrieg eingesetzt werden, findet man in dem Twitter-Fake-Account 'B[...] A[...]' - der mittlerweile gelöscht wurde - natürlich nicht.

Fake-News-Produzent M[...] D[...] schreibt im S. -Artikel 'Sorge um B[...] A[...]. Twitter-Konto von Siebenjähriger aus Aleppo gelöscht', der von einem Foto der angeblichen oder tatsächlichen B[...] A[...] geziert wird (das gleiche, das sie auch hier oben im Artikel sehen), das irgendwie verdammt nach 'Kind vor Green-Screen' und nicht gerade realistisch aussieht: 'Seit dem 24. September 2016 berichteten B[...] und ihre Mutter F[...] auf Twitter von ihrem Leben in Ostaleppo und gaben so einen Einblick in den Horror des Krieges. Immer wieder appellierten sie an die Weltöffentlichkeit aber auch direkt an US-Präsident Barack Obama, den Menschen in der umkämpften Stadt zu helfen. Der Account @A[...]B[...] hatte fast 200.000 Follower, darunter auch die Schriftstellerin J. K. R[...], die B[...] einen großen Wunsch erfüllte und ihr die Harry-Potter-Bücher als E-Books schickte. Warum das Twitter-Konto am Sonntag stillgelegt wurde und ob B[...] A[...], ihre zwei Geschwister und ihre Mutter tatsächlich den Soldaten des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad in die Hände gefallen sind, ist unklar.'

Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man lauthals darüber lachen: Die Propaganda unserer westlichen Medien und Regierungen behauptet doch tatsächlich, ein siebenjähriges syrisches Kind würde aus dem durch die Offensive der syrischen Armee immer kleiner werdenden 'Rebellen'-Teil von Aleppo 'um sein Leben twittern' und das nicht etwa auf Arabisch, sondern in bestem Englisch. Jedem dürfte klar sein, dass ein siebenjähriges Mädchen vielleicht gerade mal schreiben lernt. Die angebliche kleine B[...] A[...], angeblich aus Aleppo, soll das richtig toll können und das auch noch in der Fremdsprache Englisch. Offenbar verfügt sie in Ost-Aleppo auch über eine tolle Internetverbindung. Außer natürlich dann, wenn sie in Bild und Ton interviewt werden soll ...

All die Schreib- und Fremdsprachfähigkeiten hat sich das siebenjährige Mädchen angeeignet, obwohl die - was selbst das US-Verteidigungs-ministerium manchmal zugibt - von Al Qaida geführten 'Rebellen' nunmehr seit vier Jahren in Ost-Aleppo hausen? Wirklich? Die müssen ja ein tolles Schulsystem etabliert haben, die Al-Qaida-Jihadisten ... Nein, haben sie natürlich nicht. Das Ganze ist ein dermaßen plumper Fake, dass es einem den Atem verschlägt. Und wieder einmal werden kleine Kinder für die Syrien-Propaganda missbraucht, auch wenn das auf den Bildern zu sehende Mädchen vielleicht oder eher wahrscheinlich gar nicht in

Aleppo vor Ort ist, sondern irgendwo anders lebt. Bedienen wird das Mädchen den Propagandakanal bei Twitter wohl kaum, vielleicht stecken die 'Rebellen', vielleicht steckt der britische Geheimdienst dahinter. Oder beide. In England läuft die B[...]-A[...]-Propaganda jedenfalls schon seit zwei Monaten in den Medien."

[5] Die Kläger ließen den Beklagten wegen dieser Veröffentlichung abmahnen. Hierauf reagierte der Beklagte mit dem zweiten streitgegenständlichen Beitrag, den er unter dem 20. Dezember 2016 auf seiner Internetseite veröffentlichte. Diese Veröffentlichung trägt die Überschrift: "Propaganda geht juristisch gegen B. B. Magazin vor" und enthält unter anderem die folgenden Äußerungen:

"M[...] D[...], Journalist des Stern, hatte vor einigen Tagen einen peinlichen Propaganda-Artikel veröffentlicht, mit dem er die offenkundige Lügengeschichte der gemeinsamen Propaganda des Westens und der Al-Qaida-geführten 'Rebellen' verbreitete, ein siebenjähriges arabischsprachiges Mädchen poste in bestem Englisch bei Twitter aus Aleppo [...]"

"Statt wie in einem klassischen autoritären System durch staatliche Maßnahmen zum Schweigen gebracht zu werden, sieht sich ein Kritiker der Propaganda und Kriegslügen nun durch 'privatisierte Propagandadienstleister' - sprich 'Leitmedien' - geknebelt, die solange provozieren und Lügen und Propaganda verbreiten, bis (angeblich) die Antwort von Kritikern und alternativen Medien darauf genug ist, um dagegen juristische Strafmaßnahmen einzuleiten."

[6] Das Landgericht hat dem Beklagten antragsgemäß verboten, im Verhältnis zum Kläger zu 1 die Äußerungen zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, der Kläger sei ein "Nachrichtenfälscher" und "Fake-News-Produzent", produziere "Falschmeldungen zu Propagandazwecken" und verbreite eine "offenkundige Lügengeschichte", wenn dies jeweils geschieht wie in den beiden genannten Beiträgen. Im Verhältnis zu beiden Klägern hat das Landgericht dem Beklagten verboten, die Äußerung zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, die Kläger verbreiteten "Lügen".

[7] Die Berufung des Beklagten ist vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

[8] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt, den Klägern stehe ein auf die konkrete Verletzungsform beschränkter Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 BGB in Verbindung mit dem Persönlichkeitsrecht des Klägers zu 1 bzw. dem (Unternehmens-)Persönlichkeitsrechts der Klägerin zu 2 zu. Die angegriffenen Äußerungen seien unter Abwägung der betroffenen Interessen als rechtswidrig anzusehen. Es handele sich um Tatsachenbehauptungen, hinsichtlich derer der Entscheidung zugrunde zu legen sei, dass sie unwahr seien, an deren Verbreitung kein (überwiegendes) Informationsinteresse bestehe und hinsichtlich derer der Beklagte sich nicht mit Erfolg auf eine Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen könne.

[9] Den angegriffenen Äußerungen sei gemeinsam, dass den Klägern vorgeworfen werde, Nachrichten zu verbreiten, hinsichtlich derer sie gewusst oder es wenigstens für möglich gehalten hätten, dass diese unwahr seien. Die Kenntnis- bzw. Motivlage des Klägers zu 1 und der Verantwortlichen bei der Klägerin zu 2 sei jedoch grundsätzlich einem Beweis zugänglich, etwa durch Befragung der betreffenden Personen. Zwar könnten Äußerungen über die Motive und/oder das Wissen dritter Personen auch von Elementen des Meinens und Dafürhaltens geprägt sein, etwa wenn es für den Rezipienten offenkundig sei, dass der Äußernde lediglich Vermutungen hierüber anstelle. Auch und gerade im Kontext der angegriffenen Äußerungen bleibe entgegen der Ansicht des Beklagten indes kein Raum für ein derartiges Verständnis: Der Beklagte habe in beiden Veröffentlichungen durchgehend und mehrfach den Klägern vorgeworfen, dass sie bewusst und zielgerichtet Meldungen verbreitet hätten, deren Unwahrheit sie gekannt oder für möglich gehalten hätten; dies habe er als gesicherte Tatsache dargestellt.

[10] Der Entscheidung sei zugrunde zu legen, dass diese Tatsachenbehauptungen unwahr seien, weil der Beklagte entgegen der ihn in entsprechender Anwendung des § 186 StGB treffenden Darlegungs- und Beweislast keinen Beweis für die Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen angeboten habe. Die Tatsachenbehauptungen des Beklagten seien geeignet, das öffentliche Ansehen der Kläger herabzusetzen. Der mit ihnen erhobene Vorwurf stelle einen der schwerwiegendsten Vorwürfe überhaupt dar, die gegen ein Presseorgan bzw. einen Journalisten erhoben werden könnten, denn eine gezielte Desinformation der Öffentlichkeit stehe im direkten Widerspruch zum Zweck, aus dem die Presse den besonderen Schutz des Grundgesetzes genieße. Damit treffe den Beklagten nach der in das Zivilrecht transferierten Beweislastregel des § 186 StGB die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die von ihm aufgestellten Behauptungen unwahr seien. Beweismittel hierfür habe er indes nicht angeboten. Die beiden vom Beklagten angeführten Veröffentlichungen - ein Tagesschaubericht und vor allem eine eigene Veröffentlichung der Klägerin zu 2 - zeigten nicht mehr, als dass man sich im Hause der Klägerin zu 2 darüber klar gewesen sei, dass in Teilen der Öffentlichkeit Zweifel an der Authentizität der Berichte um das Mädchen B[...] bestanden hätten. Das heiße indes nicht, dass die Kläger damit gerechnet hätten, dass diese Berichte auch falsch gewesen sein könnten. Vor allem aber sei darauf hinzuweisen, dass der Bericht der Kläger, auf den sich der Beklagte in den angegriffenen Veröffentlichungen bezogen habe, gerade nicht die - vom Beklagten in den Mittelpunkt seiner Argumentation gestellte - Aussage enthalte, dass das siebenjährige Mädchen B[...] allein die beschriebenen Meldungen über Twitter verfasst und verschickt habe. Vielmehr werde im Artikel der Kläger an mehreren Stellen deutlich, dass B[...] gemeinsam mit ihrer Mutter getwittert habe. Schon deshalb gingen die Vorwürfe des Beklagten von einer unzutreffenden tatsächlichen Prämisse aus.

[11] Im vorliegenden Verfahren könne dahinstehen, ob der Beklagte substantiiert vorgetragen habe, dass die Berichte der Kläger über das syrische Mädchen B[...] objektiv unwahr gewesen seien. Hinzu komme, dass - wie ausgeführt - der Beklagte den Klägern vorwerfe, berichtet zu haben, dass das Mädchen B[...] allein getwittert habe, obwohl der Leser dem Bericht der Kläger sehr wohl entnehmen könne, dass sie dies mit Hilfe ihrer Mutter getan habe. Auch insoweit fehle es dem Vorwurf des Beklagten, dass die Kläger bewusst unwahre Berichte verbreitet bzw. damit gerechnet hätten, dass die von ihnen verbreiteten Berichte unwahr seien, an einer tatsächlichen Grundlage.

[12] Der Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf eine Wahrnehmung berechtigter Interessen entsprechend § 193 BGB berufen. Hierbei könne dahinstehen, wie weit genau die den Beklagten treffenden Sorgfaltspflichten reichten, wenn es zutreffe, dass er - wie er vortrage - seine Veröffentlichungen als reine Privatperson verfasst und in das Internet gestellt habe. Denn selbst wenn man zu seinen Gunsten annehme, dass ihn deshalb geringere Sorgfaltspflichten träfen als ein Presseorgan, entbinde ihn das nicht von der Verpflichtung, keine Behauptungen aufzustellen, deren Wahrheit er objektiv nicht beurteilen könne. Hier behaupte der Beklagte indes nicht, dass er mehr getan habe, als die subjektive Gewissheit zu empfinden, dass die Kläger selbst ihre "B[...]-Geschichten" schlicht nicht geglaubt haben könnten. Ob er derartige Zweifel oder Vermutungen hätte äußern dürfen, könne hier dahinstehen, denn er habe sich stattdessen dafür entschieden, die streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen aufzustellen.

[13] Es sei dem Beklagten unbenommen, den Klägern eine nicht ausreichend kritische Berichterstattung und vor allem eine mangelnde kritische Hinterfragung der von ihnen verbreiteten Inhalte vorzuwerfen. Es könne aber aus der in den Augen des Beklagten unverständlichen Kritiklosigkeit der Kläger und dem damit nach seiner Ansicht fehlenden Problembewusstsein nicht der Schluss im Sinne einer Tatsachenbehauptung gezogen werden, dass die Kläger absichtlich unwahre Nachrichten verbreitet hätten bzw. die Unwahrheit ihrer Berichterstattung für möglich gehalten hätten. Nur diese Behauptung sei streitgegenständlich, nicht dagegen, ob den Klägern Leichtfertigkeit in Bezug auf die vom Beklagten angegriffene Berichterstattung vorzuwerfen oder ob die Berichterstattung der Kläger über das Mädchen B. aus Aleppo wahr oder unwahr sei.

[14] II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Den Klägern steht gegen den Beklagten kein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen nicht um unzulässige Tatsachenbehauptungen, sondern um zulässige Werturteile, also um zulässige Meinungsäußerungen.

[15] 1. Den der rechtlichen Prüfung zugrunde zu legenden - im Revisionsverfahren in vollem Umfang überprüfbaren (vgl. nur Senatsurteil vom 20. Juni 2023 - VI ZR 262/21, AfP 2023, 417 Rn. 13 mwN) - Aussagegehalt der angegriffenen Äußerungen hat das Berufungsgericht zutreffend ermittelt.

[16] a) Der Bezeichnung des Klägers zu 1 als "Nachrichtenfälscher" und "Fake-News-Produzent" sowie den Vorwürfen, der Kläger zu 1 produziere "Falschmeldungen zu Propagandazwecken", verbreite eine "offenkundige Lügengeschichte" bzw. dem Vorwurf, beide Kläger verbreiteten "Lügen", ist unter Berücksichtigung des Kontextes nach dem maßgeblichen Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers die Aussage zu entnehmen, die Kläger verbreiteten Nachrichten, hinsichtlich derer sie gewusst oder es wenigstens für möglich gehalten haben, dass diese unwahr seien, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Isoliert betrachtet könnte dies zwar hinsichtlich des Vorwurfs der Verbreitung von "Lügen" bzw. einer "offenkundigen Lügengeschichte" fraglich sein, da unwahre Tatsachen grundsätzlich auch "gutgläubig" verbreitet werden können. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf der "Nachrichtenfälschung" und der Produktion von "Falschmeldungen zu Propagandazwecken", der vom Beklagten gegenüber den Klägern selbst und nicht lediglich hinsichtlich der als eigentliche Urheber der Tweets vermuteten Drahtzieher ("Rebellen", "britische[r] Geheimdienst") erhoben wird und der ein zielgerichtetes Handeln beschreibt, kommt eine solche Deutungsvariante hier jedoch nicht in Betracht. Anders als der Beklagte meint, versteht der Durchschnittsleser die Texte nicht dahingehend, dass der Beklagte mit den angegriffenen Äußerungen nur "in überspitzter Form" kritisieren will, dass die Kläger ihren journalistischen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen seien, dabei aber "gutgläubig" gehandelt hätten.

[17] Selbst wenn man jedoch ein solches Verständnis der streitgegenständlichen Äußerungen für nicht fernliegend halten wollte, bliebe ihr Aussagegehalt in Bezug auf die innere Einstellung der Kläger zum Wahrheitsgehalt ihrer Berichterstattung zumindest mehrdeutig, so dass im Rahmen der Prüfung des Bestehens von Unterlassungsansprüchen nach dem sogenannten "Stolpe-Beschluss" des Bundesverfassungsgerichts die das Persönlichkeitsrecht der Kläger stärker verletzende Deutungsvariante - also diejenige des Berufungsgerichts - zugrunde zu legen wäre (vgl. BVerfGE 114, 339, 349 ff., juris Rn. 33 ff.).

[18] b) Aus dem Gesamtzusammenhang des Artikels ergibt sich zudem, dass mit der Bezeichnung des Klägers zu 1 als "Nachrichtenfälscher" und "Fake-News-Produzent" sowie dem Vorwurf, der Kläger zu 1 produziere "Falschmeldungen zu Propagandazwecken" hier nicht der - bei isolierter Betrachtung der Begriffe in Erwägung zu ziehende - Aussagegehalt verbunden ist, der Kläger sei primäre Quelle der vom Beklagten als unwahr bezeichneten Informationen, habe also falsche Nachrichten "erfunden". Für den Durchschnittsleser geht bereits aus der im zweiten Satz des ersten streitgegenständlichen Beitrags verwendeten Formulierung eindeutig hervor, dass der Beklagte dem Kläger zu 1 lediglich die Verbreitung von "Fake-News" vorwirft ("Einen solchen haarsträubenden Fake, den neben D[...] noch unzählige andere Qualitätsjournalisten verbreiteten, [...]"). Zudem benennt der Beklagte am Ende des Artikels die seiner Ansicht nach in Betracht kommenden Urheber der in Rede stehenden Meldungen ("[...] vielleicht stecken die 'Rebellen', vielleicht steckt der britische Geheimdienst dahinter. Oder beide.").

[19] 2. Dieser nach dem somit maßgeblichen Verständnis mit den streitgegenständlichen Äußerungen verbundene Vorwurf beeinträchtigt den Kläger zu 1 in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in seinen Ausprägungen der (Berufs-)?Ehre und der sozialen Anerkennung (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2016 - VI ZR 250/13, VersR 2017, 104 Rn. 17 mwN). Er greift auch in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin zu 2 ein. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin zu 2 als Wirtschaftsunternehmen (vgl. Senatsurteil vom 27. April 2021 - VI ZR 166/19, AfP 2021, 336 Rn. 10 mwN).

[20] 3. Der mit den angegriffenen Äußerungen verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger ist jedoch nicht rechtswidrig, weil ihre Schutzinteressen die schutzwürdigen Belange des Beklagten nicht überwiegen.

[21] a) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 5. Dezember 2023 - VI ZR 1214/20, AfP 2024, 55 Rn. 19 mwN).

[22] b) Im Streitfall sind deshalb das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse der Kläger am Schutz ihres Persönlichkeitsrechts mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen. Der Senat kann diese Abwägung selbst vornehmen, weil hierfür keine weiteren tatsächlichen Feststellungen erforderlich sind.

[23] aa) Weichenstellend für die Abwägung ist dabei zunächst die Qualifikation der in Rede stehenden Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Werturteil. Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind verkannt, wenn die Gerichte eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinne einstufen mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1, 14, juris Rn. 42; BVerfGE 82, 272, 281, juris Rn. 34; jeweils mwN). Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil, also als Meinung, einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, welche vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist (vgl. nur Senatsurteile vom 2. Juli 2019 - VI ZR 494/17, AfP 2019, 434 Rn. 41; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, VersR 2005, 277, juris Rn. 23 mwN).

[24] (1) Während Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt werden und der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich sind, handelt es sich bei einer Meinung um eine Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist. Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an (vgl. zur st. Rspr. des BVerfG nur BVerfG, NJW 2021, 1585 Rn. 20 mwN; zur Senatsrechtsprechung vgl. etwa Urteile vom 2. Juli 2019 - VI ZR 494/17, AfP 2019, 434 Rn. 41; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, AfP 2009, 137 Rn. 11; jeweils mwN).

[25] Grundsätzlich ist dabei von einem weiten Verständnis des Meinungsbegriffs auszugehen. Sofern eine Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, fällt sie in den Schutzbereich des Grundrechts. Dies muss auch dann gelten, wenn sich diese Elemente, wie häufig, mit Elementen einer Tatsachenmitteilung oder -behauptung verbinden oder vermischen, jedenfalls dann, wenn beide sich nicht trennen lassen und der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung in den Hintergrund tritt. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden. Im Zweifel ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes davon auszugehen, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt (BVerfG, NJW 2021, 1585 Rn. 21 mwN).

[26] Bei Schlussfolgerungen über Beweggründe oder etwaige Absichten Dritter handelt es sich eher um Werturteile als um den Beweis zugänglicher Tatsachenbehauptungen (vgl. EGMR, AfP 2016, 24 Rn. 63 [Axel Springer AG v. Deutschland (Nr. 2)]; BVerfG, AfP 2023, 142 Rn. 28 mwN). Da solche inneren Tatsachen anderen verschlossen bleiben, solange sie nicht kundgetan werden, basiert ihre Behauptung zwangsläufig auf Schlussfolgerungen aus dem Verhalten der betroffenen Person, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens des Äußernden geprägt sind (vgl. BVerfG, AfP 2023, 142 Rn. 24).

[27] (2) Nach diesen Grundsätzen ist der in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger eingreifende Aussagegehalt der angegriffenen Äußerungen, wonach die Kläger zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung Nachrichten verbreitet (s.o. unter Ziff. 1) haben, hinsichtlich derer sie gewusst oder es wenigstens für möglich gehalten haben, dass diese unwahr sind, nicht als Tatsachenbehauptung im Rechtssinne, sondern als Werturteil bzw. Meinungsäußerung einzustufen. Es handelt sich insoweit nach dem Gesamtkontext der angegriffenen Artikel um Schlussfolgerungen des Beklagten, die dieser aus der - seiner Ansicht nach aufgrund gewisser tatsächlicher Anhaltspunkte offensichtlichen - Unglaubwürdigkeit des Ausgangsberichts der Kläger zieht. Der Beklagte gibt in dem ersten streitgegenständlichen Beitrag den Inhalt des Ausgangsartikels zunächst teilweise - wörtlich - wieder und legt dann dar, warum er ihn für einen "Fake", für "Propaganda" hält. Der Beklagte macht diese Bewertung vor allem daran fest, dass ein siebenjähriges syrisches Kind aus dem "Rebellen"-Teil von Aleppo seiner Meinung nach mangels hinreichender Schreib- und Fremdsprachenfähigkeiten sowie ausreichender Internetverbindung in einem Krisengebiet kaum in "bestem Englisch" twittern könne. Zur Begründung zieht er zudem das seiner Ansicht nach manipulierte Bild des Mädchens, das den Ausgangsartikel illustriert, heran. Der zweite streitgegenständliche Beitrag knüpft hieran inhaltlich an. Geprägt werden die streitgegenständlichen Äußerungen daher durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens. Ihr tatsächlicher Gehalt tritt dahinter zurück. Nach den oben dargelegten Maßstäben sind die angegriffenen Äußerungen daher insgesamt als Meinung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.

[28] bb) Die in Rede stehende Meinungsäußerung stellt keine unzulässige Schmähkritik dar, weshalb auf eine alle Umstände des Falles berücksichtigende Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen nicht verzichtet werden kann.

[29] Das Berufungsgericht weist zwar zu Recht darauf hin, dass der vom Beklagten erhobene und bezüglich des Klägers zu 1 auch personalisierte Vorwurf der Desinformation (Berufs-)Ehre und soziale Anerkennung der Kläger in hohem Maße beeinträchtigt, wobei die Bezeichnung des Klägers zu 1 als "Nachrichtenfälscher" und "Fake-News-Produzent", der "Falschmeldungen zu Propagandazwecken" produziere, besonders belastend ist. Der Charakter einer Äußerung als Schmähung oder Schmähkritik folgt aber nicht schon aus einem besonderen Gewicht der Ehrbeeinträchtigung als solcher und ist damit nicht ein bloßer Steigerungsbegriff. Auch eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik macht eine Äußerung noch nicht zur Schmähung, so dass selbst die Annahme der Unzulässigkeit von Äußerungen, die die persönliche Ehre erheblich herabsetzen, in aller Regel eine Abwägung erfordert. Eine Äußerung nimmt den Charakter als Schmähung vielmehr erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. zur st. Rspr. nur BVerfG, NJW 2020, 2622 Rn. 18 mwN).

[30] Das ist hier aber nicht der Fall. Der inhaltliche Schwerpunkt der streitgegenständlichen Beiträge des Beklagten liegt in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Berichterstattung der Kläger, die er für einen Teil der "gemeinsamen Propaganda des Westens" im Hinblick auf die Zustände im von der syrischen Armee belagerten Teil der Stadt Aleppo hält. Den streitgegenständlichen Äußerungen fehlt daher nicht jeglicher Sachbezug. Sie zielen nicht allein auf die persönliche Kränkung oder ein Verächtlichmachen der Kläger.

[31] cc) Da es sich bei den angegriffenen Äußerungen um Werturteile und nicht um Tatsachenbehauptungen handelt, kann sich das Ergebnis der Abwägung zwar nicht - wie die Kläger meinen - danach richten, ob sie "wahr" sind oder alle nach der Senatsrechtsprechung für die Zulässigkeit von Tatsachenbehauptungen mit ungeklärtem Wahrheitsgehalt erforderlichen Voraussetzungen einer Verdachtsberichterstattung (vgl. zu diesen etwa Senatsurteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, AfP 2014, 135 Rn. 25 f. mwN) vorliegen. Auch für die hier in Rede stehenden, einem Werturteil gleichkommenden und das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Schlussfolgerungen über Beweggründe

oder etwaige Absichten Dritter muss es aber eine ausreichende Tatsachengrundlage geben (vgl. EGMR, AfP 2016, 24 Rn. 63 [Axel Springer AG v. Deutschland (Nr. 2)]; BVerfG, AfP 2023, 142 Rn. 28 mwN). Innerhalb der Abwägung macht es daher einen Unterschied, ob es sich bei der Einschätzung von Beweggründen und Absichten eines anderen um eine auf Tatsachen fußende Schlussfolgerung handelt oder um eine willkürlich aus der Luft gegriffene Wertung (BVerfG aaO mwN). Zudem ist bei Meinungsäußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente so vermengen, dass sie insgesamt als Werturteil anzusehen sind, im Rahmen der Abwägung die Richtigkeit der tatsächlichen Bestandteile von Bedeutung (vgl. BVerfG aaO Rn. 30 mwN; Senatsurteil vom 27. September 2016 - VI ZR 250/13, VersR 2017, 104 Rn. 35 mwN).

[32] Den hiernach zu stellenden Anforderungen an eine ausreichende Tatsachengrundlage werden die angegriffenen Äußerungen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gerecht.

[33] (1) Das Berufungsgericht meint, dem Vorwurf des Beklagten, die Kläger hätten zumindest bedingt vorsätzlich unwahr berichtet, fehle es schon insoweit an einer tatsächlichen Grundlage, als der Beklagte den Klägern vorwerfe berichtet zu haben, dass das Mädchen B. allein die beschriebenen Meldungen über Twitter verfasst und verschickt habe, obwohl der Leser dem Bericht der Kläger entnehmen könne, dass sie dies mit Hilfe ihrer Mutter getan habe. Die Vorwürfe des Beklagten gingen daher von einer unzutreffenden tatsächlichen Prämisse aus.

[34] Daran ist im Ausgangspunkt richtig, dass es im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung relevant wäre, wenn der Beklagte in seinen Beiträgen den Inhalt des Ausgangsartikels der Kläger falsch dargestellt und gerade auf der Grundlage dieser falschen Darstellung den Vorwurf der "Nachrichtenfälschung", "Propaganda", "Lüge" etc. erhoben hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

[35] (a) Der Ausgangsartikel der Kläger enthält nicht die Aussage, das Mädchen B. sei beim Verfassen und Versenden der ihm in dem Beitrag zugeordneten Twitter-Nachrichten von seiner Mutter unterstützt worden. Zwar heißt es einleitend in dem Beitrag, die siebenjährige B. twittere gemeinsam mit ihrer Mutter F. aus Aleppo. Im Folgenden wird dann aber zunächst eine namentlich der Mutter von B. zugeordnete Nachricht zitiert ("We are sure the army is capturing us now. We will see each other another day dear world. Bye. - F[...]"). Danach werden dem Mädchen B. zugeschriebene Meldungen wiedergegeben, die auf demselben Twitter-Account gepostet wurden, inhaltlich aber von Äußerungen der Mutter getrennt werden: "'Ich wurde verschüttet. Ich sah Tote und bin selbst beinahe gestorben', postete B[...]. 'Wir haben kein zu Hause mehr. Ich wurde leicht verletzt. Ich habe seit gestern nicht geschlafen, bin hungrig. Ich möchte leben, ich möchte nicht sterben.' Ihre Mutter berichtete dem US-Sender CNN zufolge später, dass das Haus, in dem sie lebten, einen direkten Treffer abbekommen habe und sie keine Unterkunft mehr hätten. Ende letzter Woche verschlechterte sich offenbar auch B[...]s Gesundheitszustand: 'Ich bin jetzt krank, ich habe keine Medikamente, kein Zuhause kein sauberes Wasser. Dies wird mich sogar töten, bevor eine Bombe mich umbringt', schilderte die Siebenjährige auf Twitter ihre Lage." In einer Bildunterschrift zu einer auf Englisch wiedergegebenen Nachricht ("This is my reading place where I wanted to start reading Harry Potter but it's bombed. I will never forget. - B[...]") heißt es: "Ende November teilte B[...] mit, dass sie ausgebombt worden sei".

[36] (b) All diese Formulierungen lassen nicht erkennen, dass die B. zugeschriebenen Meldungen mit Hilfe der Mutter des Mädchens erstellt worden sein sollen. Soweit es in dem Artikel der Kläger im Anschluss an die Wiedergabe der Meldungen heißt, B. und ihre Mutter F. hätten auf Twitter von ihrem Leben in Ostaleppo berichtet und Einblick in den Horror des Krieges gegeben, was der Beklagte in seinem ersten streitgegenständlichen Beitrag auch zitiert, kann dies im Gesamtzusammenhang des Berichts durchaus dahingehend verstanden werden, dass Mutter und Tochter zwar denselben Twitter-Account genutzt, aber jeweils selbständig ihre Meldungen auf Englisch verfasst und versendet haben sollen. Dem Beklagten kann daher nicht vorgeworfen werden, er habe den Inhalt des Ausgangsartikels falsch erfasst oder wiedergegeben.

[37] (2) Die Bejahung einer hinreichenden Tatsachengrundlage für den streitgegenständlichen Vorwurf einer zumindest bedingt vorsätzlichen Verbreitung unwahrer Nachrichten ist vorliegend nicht davon abhängig, dass der Ausgangsbericht der Kläger tatsächlich falsche Informationen hinsichtlich des Urhebers der Twitter-Meldungen enthielt, diese also in Wahrheit wie vom Beklagten angenommen nicht von einem im von der syrischen Armee belagerten Teil der Stadt Aleppo lebenden siebenjährigen syrischen Mädchen stammten. Daher bedarf es zu dieser Frage, die das Berufungsgericht offengelassen hat, keiner weiteren Feststellungen.

[38] Der in den Beiträgen des Beklagten erhobene Vorwurf, der Ausgangsartikel der Kläger enthalte unwahre Informationen, ist nämlich ebenfalls nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung einzustufen. Für den durchschnittlichen unvoreingenommenen Leser liegt auf der Hand, dass der Beklagte auch insoweit lediglich seine Schlussfolgerungen aus den von ihm für die Unglaubwürdigkeit des Ausgangsberichts sprechenden Umständen (Zweifel an den Schreib- und Fremdsprachenfähigkeiten des Mädchens und an hinreichender Internetverbindung, als unrealistisch empfundenes Foto) mitteilen will, aber nicht den Anspruch erhebt, er habe weitere "objektive" Erkenntnisse über die Existenz des Mädchens und die Urheberschaft der Twitter-Meldungen, was hinsichtlich der Beurteilung des Wahrheitsgehalts einer Berichterstattung über die Vorgänge in einem Krisen- bzw. Kriegsgebiet auch fernliegt. Auch insoweit wird der Aussagegehalt der Artikel daher durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt.

[39] (3) Die streitgegenständlichen Schlussfolgerungen des Beklagten zum Wahrheitsgehalt des Ausgangsartikels und zu der diesbezüglichen inneren Haltung der Kläger stellen keine willkürlich "aus der Luft gegriffenen" Wertungen dar. Die vom Beklagten zur Begründung seiner Meinung, der Ausgangsartikel der Kläger enthalte unrichtige Informationen, vorgebrachten Zweifel daran, dass ein siebenjähriges syrisches Mädchen im umkämpften Teil der Stadt Aleppo über die für die Verfassung und Versendung der ihr zugeschriebenen Meldungen notwendigen Fremdsprachenfähigkeiten und die erforderliche Internetverbindung verfügen könne, haben einen nachvollziehbaren sachlichen Bezug. Auch die Vermutung des Beklagten, bei dem den Ausgangsartikel illustrierenden Bildnis des Mädchens handele es sich um eine Fotomontage ("Kind vor Green-Screen"), ist dem ersten Anschein nach nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Für die Einschätzung des Beklagten, dass die auf dem in dem Ausgangsartikel genannten Twitter-Account veröffentlichten Meldungen nicht von einem siebenjährigen Mädchen stammen, spricht zudem der dort erschienene, vom Beklagten in seinem ersten streitgegenständlichen Beitrag zitierte Post "Dear world, it's better to start 3rd world war instead of letting Russia & assad commit #HolocaustAleppo". Diese Meldung bietet auch für die Auffassung des Beklagten einen tatsächlichen Anhaltspunkt, der dem Mädchen angeblich zugeordnete Twitter-Account werde von Dritten (nicht den Klägern) für "Propaganda" im Sinne einer zielgerichteten Beeinflussung der öffentlichen Meinung genutzt.

[40] Bedeutsam ist auch, dass bereits vor dem Erscheinen des Ausgangsartikels der Kläger und der streitgegenständlichen Beiträge des Beklagten in einem am 4. Oktober 2016 auf der Internetseite der Klägerin zu 2 erschienenen Beitrag berichtet wurde, manche glaubten, dass es sich bei dem Profil des Mädchens B. um einen "Fake" handele, weil es in dem Stadtteil, in dem die Familie lebe, gar keinen Strom mehr gebe; andere gingen von Propaganda aus. In einem vom Beklagten vorgelegten Beitrag der Tagesschau vom 1. Dezember 2016 wird ebenfalls die Frage diskutiert, ob hinter dem Twitter-Account tatsächlich nur ein siebenjähriges Mädchen und ihre Mutter stünden oder dahinter gezielte Propaganda stecke. Der Beklagte konnte - wie es auch das Berufungsgericht getan hat - davon ausgehen, dass im Hause der Klägerin zu 2 dies und damit die in Teilen der Öffentlichkeit bestehenden Zweifel an der Authentizität der Twitter-Meldungen des Mädchens B. bekannt waren. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass in dem Ausgangsartikel der Kläger - anders als in den genannten Vorberichterstattungen - keinerlei Hinweis auf mögliche Zweifel an der "Echtheit" der wiedergegebenen Meldungen enthalten ist, hat auch die weitere im Vorwurf der Produktion von "Falschmeldungen zu Propagandazwecken" zum Ausdruck kommende Schlussfolgerung des Beklagten, die Kläger hätten die Unwahrheit der im Ausgangsbericht verbreiteten Informationen zumindest in Kauf genommen, um ein bestimmtes Bild der Lage in Aleppo zeichnen und damit die öffentliche Meinung beeinflussen zu können, einen - auch unter Berücksichtigung der Schwere des erhobenen Vorwurfs - hinreichenden Sachbezug und erscheint nicht als willkürlich.

[41] dd) Bei der Abwägung der betroffenen schutzwürdigen Interessen ist hinsichtlich der Intensität des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger festzuhalten, dass der vom Beklagten - im Internet und damit gegenüber einer potentiell hohen Zahl an Rezipienten - gegenüber den Klägern erhobene Vorwurf einer zumindest bedingt vorsätzlichen Verbreitung von Falschinformationen zum Zwecke der Beeinflussung der öffentlichen Meinung - wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt - den Kern der beruflichen Integrität eines Journalisten oder Presseorgans betrifft und zudem in scharfer Form formuliert ist ("Nachrichtenfälscher", "Fake-News-Produzent"). Der soziale Geltungsanspruch der Kläger ist daher erheblich beeinträchtigt.

[42] Ein Journalist bzw. Presseorgan muss aber nach der Senatsrechtsprechung im Zusammenhang mit seinen Veröffentlichungen das Hinterfragen seiner Motivation und deren kritische Beleuchtung durch andere - vorbehaltlich des Bestehens einer ausreichenden Tatsachengrundlage (vgl. dazu oben unter cc)) - grundsätzlich in weitem Umfang hinnehmen. Die Gewährleistung der Meinungsfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 GG dient nämlich auch dazu, den Einfluss, den die journalistische Arbeit durch das öffentliche Medium hindurch unmittelbar auf die öffentliche Meinungsbildung nimmt, durch Einsichten in die Einstellung von Journalisten zu Nachrichten und ihrem Publikum in der Öffentlichkeit bewusst zu machen und durch Diskussion kontrollierbar zu halten (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2016 - VI ZR 250/13, VersR 2017, 104 Rn. 21, 36 mwN).

[43] Das berechtigte Interesse des Beklagten am Schutz seines Rechts auf Meinungsfreiheit wird zudem vorliegend dadurch gestärkt, dass die von ihm in den streitgegenständlichen Beiträgen angesprochene Thematik, nämlich die Verlässlichkeit von Presseberichten über die Geschehnisse in Kriegs- und Krisengebieten und die Gefahr der Instrumentalisierung von - angeblichen - Kinderschicksalen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung, von erheblichem öffentlichen Interesse ist. Die Frage, wer Urheber der angeblichen Twitter-Meldungen des Mädchens B. gewesen ist, war bereits Gegenstand der öffentlichen Debatte. Die angegriffenen Äußerungen betreffen eine thematisch einschlägige Berichterstattung der Kläger. Zudem legt der Beklagte die für ihn maßgeblichen Gründe für seine Beurteilung in einer Weise offen, die es dem Leser ermöglichen zu beurteilen, ob er sie für ausreichend hält, um die Schlussfolgerungen des Beklagten zu rechtfertigen. Der Artikel liefert daher einen - wenn auch zugespitzten - Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage.

[44] ee) Nach alldem überwiegt das Interesse der Kläger am Schutz ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts hier nicht das Interesse des Beklagten am Schutz seines Rechts auf Meinungsfreiheit. Die Kläger müssen die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerungen hinnehmen.

[45] III. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur

Endentscheidung reif ist, hat der erkennende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO auch in der Sache zu entscheiden.

Seiters Oehler Müller

Klein Böhm

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