BGH, Beschluss vom 10. Juni 2025 - 3 StR 561/24

15.09.2025

BUNDESGERICHTSHOF

vom

10. Juni 2025


Nachschlagewerk: ja


BGHST: nein


StGB § 240 Abs. 1 und 2, § 253 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1


Wer sein Opfer mit Nötigungsmitteln zu einer Geldzahlung bewegt, auf die zum Teil ein Anspruch besteht, begeht neben der Erpressung eine tateinheitliche Nötigung.


BGH, Beschluss vom 10. Juni 2025 - 3 StR 561/24 - LG Krefeld


in der Strafsache

gegen

1.

2.

wegen zu 1.: erpresserischen Menschenraubs u.a.

zu 2.: räuberischer Erpressung

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts nach Anhörung der Angeklagten und ihrer Verteidiger am 10. Juni 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 22. Mai 2024, soweit es den Angeklagten K. K. betrifft, im Schuldspruch in Fall II.1. der Urteilsgründe dahin geändert, dass er anstelle einer räuberischen Erpressung einer räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Nötigung schuldig ist.

Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

2. Die Revisionen der Angeklagten K. K. und W. K.

gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen; jedoch werden die Schuldsprüche in Fall II.1. der Urteilsgründe jeweils dahin geändert, dass die Angeklagten anstelle einer räuberischen Erpressung einer räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Nötigung schuldig sind.

3. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten K. K. dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. Die Angeklagten haben die jeweiligen Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

[1] Das Landgericht hat den Angeklagten K. K. wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Den heranwachsenden Angeklagten W. K. hat es wegen räuberischer Erpressung verwarnt und ihm eine Arbeitsauflage sowie eine Weisung erteilt. Außerdem hat die Strafkammer Einziehungsentscheidungen getroffen.

[2] Die zu Ungunsten des Angeklagten K. K. erhobene Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Verurteilung in Fall II.1. der Urteilsgründe und den Strafausspruch beschränkt. Sie führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des diesen Angeklagten betreffenden Schuldspruchs in Fall II.1. der Urteilsgründe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

[3] Die auf Sachbeanstandungen und hinsichtlich K. K. zusätzlich auf Verfahrensrügen gestützten Revisionen der Angeklagten haben insgesamt keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO); allerdings sind auch auf ihre Rechtsmittel hin die Schuldsprüche in Fall II.1. der Urteilsgründe zu ändern.

[4] 1. Nach den in diesem Fall vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen liehen die Angeklagten dem Nebenkläger ihren Hundewelpen. Dessen Mutter war von dem Tier entzückt und wollte ebenfalls ein solches erwerben. Auf Vermittlung der Angeklagten kaufte sie im Folgenden beim Züchter

einen Hund aus demselben Wurf. Kurz darauf bat der Angeklagte K. K.

den Nebenkläger, ihm einen Schweißbrenner zu besorgen. Zu diesem Zweck übergab er ihm 1.700 €. Nachdem dem Nebenkläger Bedenken gekommen waren und er den Kauf des Schweißbrenners abgelehnt hatte, suchten K. K.

und ein Begleiter ihn zu Hause auf. Der Angeklagte verlangte nun vom Nebenkläger im Beisein von dessen Mutter die Zahlung von insgesamt 2.500 €: Zum einen wollte er die 1.700 € für den Schweißbrenner zurückhaben, zum anderen forderte er 800 € "Restkaufpreis" für den Hundewelpen. Eine entsprechende Provisions- oder Vermittlungsgebühr war allerdings nie vereinbart worden. Der Nebenkläger und seine Mutter kamen dem Zahlungsverlangen zunächst nicht nach.

[5] Im Folgenden wollten die Angeklagten der Forderung Nachdruck verleihen. Zu diesem Zweck bestellte K. K. den Nebenkläger in eine Shisha-Bar, wo ihn beide Angeklagten erwarteten. Im Keller der Bar verlangten sie von ihm als Pfand für die 2.500 € sein Mobiltelefon heraus. Anderenfalls werde er nicht aus der Bar herauskommen und man werde ihn "kaltmachen". Dabei war den Angeklagten bewusst, dass die Forderung tatsächlich nur in Höhe von 1.700 € bestand, nicht in Bezug auf weitere 800 €. Aus Angst um seine körperliche Unversehrtheit übergab der Nebenkläger sein Handy. Nachdem seine Mutter angesichts der Bedrohung 2.500 € an die Angeklagten gezahlt hatte, erhielt er es zurück.

[6] 2. Zutreffend hat das Landgericht das Geschehen für beide Angeklagte als gemeinschaftlich begangene räuberische Erpressung gemäß § 253 Abs. 1 und 2, § 255, § 25 Abs. 2 StGB gewürdigt. Allerdings verwirklichten sie, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung zutreffend ausgeführt hat, tateinheitlich hierzu eine Nötigung nach § 240 Abs. 1 und 2, § 25 Abs. 2, § 52 Abs. 1 StGB. Das ergibt sich aus Folgendem:

[7] a) Eine räuberische Erpressung liegt insoweit vor, als die Angeklagten in der Bar unter Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben den Teilbetrag von 800 € beziehungsweise als Pfand (auch) hierfür das Handy des Nebenklägers verlangten. Denn auf diesen Teil ihrer Forderung hatten sie keinen Anspruch. Der Tatbestand war vollendet, als der Nebenkläger ihnen sein Mobiltelefon übergab; denn ein Pfandgegenstand für eine nicht bestehende Forderung ist im Verhältnis zum Ursprungsgegenstand ein stoffgleicher Vermögensvorteil (st. Rspr.; s. BGH, Beschlüsse vom 13. April 2011 - 3 StR 70/11, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 19; vom 5. Juli 2017 - 2 StR 512/16, NStZ 2017, 642 f.; vom 3. Mai 2018 - 3 StR 148/18, NStZ 2018, 712, 713; vom 12. November 2024 - 3 StR 301/24, StV 2025, 466 Rn. 14).

[8] Die spätere Zahlung durch die Mutter (zur Erpressung durch sog. Dreiecksnötigung s. etwa LK/Vogel/Burchard, StGB, 13. Aufl., § 253 Rn. 18 mwN) bildet hiermit eine rechtliche Bewertungseinheit und war deshalb Teil derselben Tat. Sie geht auf denselben Angriff auf die Willensentschließung des Nebenklägers und seiner Mutter zurück, der durchweg auf dieselbe Leistung gerichtet war. Dass die Angeklagten mangels sofortiger Realisierbarkeit der Geldforderung vorläufig auf den Pfandgegenstand auswichen und diesen herausverlangten, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2024 - 3 StR 301/24, StV 2025, 466 Rn. 16).

[9] b) Keine räuberische Erpressung, sondern eine Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 und 2 StGB ist gegeben, soweit die Angeklagten die tatsächlich geschuldeten 1.700 € beziehungsweise die Herausgabe des Mobiltelefons verlangten, das die Forderung (auch) in Höhe dieses Teilbetrags absichern sollte. Denn der Tatbestand der räuberischen Erpressung setzt die Absicht des Täters voraus, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Der Täter muss mithin einen Vermögensvorteil anstreben, auf den er materiellrechtlich keinen Anspruch hat. Besteht ein solcher Anspruch und ist dieser - wie vorliegend - fällig und einredefrei, so wird der Vermögensvorteil nicht dadurch rechtswidrig, dass er durch rechtswidrige oder unlautere Mittel erlangt oder erstrebt wird. Auch das vom Inhaber einer Geldforderung zu deren Durchsetzung angewandte strafbare Mittel der Nötigung bewirkt nicht, dass der erlangte Vermögensvorteil rechtswidrig wird (st. Rspr.; s. BGH, Beschluss vom 14. Juni 1982 - 4 StR 255/82, NJW 1982, 2265; Urteil vom 17. Dezember 1987 - 4 StR 628/87, NStZ 1988, 216; Beschlüsse vom 26. Februar 1998 - 4 StR 54/98, NStZ-RR 1998, 235; vom 5. Juli 2017 - 2 StR 512/16, NStZ 2017, 642, 643; vom 31. Oktober 2023 - 3 StR 282/23, NStZ 2024, 169 Rn. 7 mwN). Die Beitreibung einer bestehenden Forderung mit Mitteln der Drohung oder des Zwangs ist deshalb "nur" verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB; Gläubiger haben sich insoweit staatlicher Hilfe zu bedienen (st. Rspr.; s. BGH, Urteil vom 20. März 1953 - 2 StR 60/53, BGHSt 4, 105, 107; Beschluss vom 14. Juni 1982 - 4 StR 255/82, NJW 1982, 2265, 2266; Urteil vom 15. Dezember 2021 - 6 StR 312/21, NStZ-RR 2022, 47, 48). Nichts anderes gilt, wenn ein Gläubiger seinen Schuldner - wie hier - mit Drohmitteln zwingt, zur Sicherung der Forderung ein werthaltiges Pfand herauszugeben. Ein solches Verhalten erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Nötigung.

[10] c) Die räuberische Erpressung und die Nötigung stehen hier im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB). Zwar ist die Nötigung dem Tatbestand der (räuberischen) Erpressung immanent und deshalb in der Regel nicht zusätzlich auszuurteilen; es besteht grundsätzlich Gesetzeskonkurrenz (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 1999 - 4 StR 467/99, NStZ-RR 2000, 106; vom 12. November 2024 - 3 StR 301/24, StV 2025, 466 Rn. 19). Art und Intensität der angewandten Nötigungsmittel sind regelmäßig lediglich bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.

[11] Anders liegt es aber, wenn der Nötigung ein eigenständiger Unrechtsge-halt zukommt, etwa wenn sie über die Vollendung der Erpressung hinaus andauert oder der Täter mit ihr einen anderen, von § 253 StGB nicht erfassten Zweck verfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 - 4 StR 512/90, BGHSt 37, 256, 259; Beschlüsse vom 19. Oktober 1999 - 4 StR 467/99, NStZ-RR 2000, 106; vom 27. August 2002 - 1 StR 287/02, NStZ-RR 2002, 334; vom 24. Februar 2005 - 1 StR 33/05, NStZ 2005, 387; LK/Vogel/Burchard, StGB, 13. Aufl., § 253 Rn. 62; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 253 Rn. 42; TK-StGB/Bosch, 31. Aufl., § 253 Rn. 30a; zum Verhältnis Nötigung/Vergewaltigung vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Februar 1996 - 1 StR 32/96, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Konkurrenzen 12; Urteil vom 6. Februar 2014 - 3 StR 315/13, NStZ-RR 2014, 139). Allein durch die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung ist der Unrechtsgehalt der Nötigung dann nicht erfasst.

[12] So ist es hier. Denn die Angeklagten zwangen den Nebenkläger und seine Mutter auch zu einem Verhalten, auf das sie einen Anspruch hatten. Sie verfolgten also mit der Drohung ebenso ein von § 253 StGB nicht umfasstes Ziel. Wer sein Opfer - wie die Angeklagten - mit Nötigungsmitteln zu einer Zahlung bewegt, auf die zum Teil ein Anspruch besteht, begeht deshalb neben der Erpressung eine tateinheitliche Nötigung. Dem steht angesichts der Teilbarkeit einer Geldleistung nicht entgegen, dass die Angeklagten hier mit demselben Angriff auf die Willensrichtung des Opfers von diesem ein einziges Verhalten - nämlich zunächst die Übergabe des Pfandgegenstands, letztlich aber die Zahlung einer Gesamtsumme - anstrebten und erlangten.

[13] 3. Somit ist der Schuldspruch in Fall II.1. der Urteilsgründe auf die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten K. K. zu ändern. Da das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO nicht für Schuldspruchänderungen zum Nachteil von Angeklagten gilt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 22. August 2024 - 3 StR 121/24, juris Rn. 11 mwN), ist der sie betreffende Schuldspruch in Fall II.1. der Urteilsgründe auch auf ihr jeweiliges Rechtsmittel hin zu korrigieren.

[14] § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

[15] 4. Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts haben der Einzelstrafausspruch für den Angeklagten K. K. - Freiheitsstrafe von

einem Jahr und zwei Monaten - und die gegenüber dem Angeklagten W.

K. angeordneten jugendgerichtlichen Sanktionen Bestand. Denn das Landgericht hat bei seiner Strafzumessung ausweislich der Urteilsgründe einerseits die Gesamtsumme der Forderung im Blick gehabt, andererseits bedacht, dass ein Großteil davon tatsächlich geschuldet war. Danach ist auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung mildere oder schärfere Sanktionen verhängt hätte.

[16] 5. Soweit die Staatsanwaltschaft weitere Einwendungen gegen die den Angeklagten K. K. betreffenden Einzelstrafen und dessen Gesamtfreiheitsstrafe erhoben hat, dringen diese aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgeführten Gründen nicht durch. Gleiches gilt für die von den Angeklagten in ihren Revisionsbegründungen näher ausgeführten Beanstandungen.

[17] 6. Die Kostenentscheidung für die Revision der Staatsanwaltschaft folgt angesichts deren nur geringen Teilerfolgs aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StPO (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Juni 2020 - 5 StR 671/19, juris Rn. 21; LR/Kurtze, StPO, 27. Aufl., § 473 Rn. 47). Soweit dem Nebenkläger Auslagen durch dieses Rechtsmittel entstanden sind, hat er sie selbst zu tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2016 - 3 StR 232/16, juris Rn. 3 mwN; Urteil vom 15. Dezember 2021 - 3 StR 441/20, StV 2022, 486 Rn. 61; Schmitt/

Köhler/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 472 Rn. 3, § 473 Rn. 14/15).

[18] Hinsichtlich der Revisionen der Angeklagten beruhen die Kostenentscheidungen auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO.

Schäfer Erbguth Kreicker

Voigt Munk

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