BGH, Urteil vom 3. Dezember 2024 - VI ZR 282/23
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am:
3. Dezember 2024
PasternakJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 249 A, Bb, Hd
Zur Geltendmachung eines Rückstufungsschadens in der Kfz-Kaskoversicherung nach Inanspruchnahme des GAP-Versicherungsschutzes, um nach Beschädigung eines darlehensfinanzierten Fahrzeugs den noch teilweise valutierten Darlehensbetrag abzulösen.
BGH, Urteil vom 3. Dezember 2024 - VI ZR 282/23 - LG Münster, AG Rheine
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2024 durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterin von Pentz, die Richter Dr. Klein und Dr. Allgayer sowie die Richterin Dr. Linder
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 1. August 2023 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[1] Der Kläger nimmt den Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz eines Höherstufungsschadens in Anspruch.
[2] Ein beim Beklagten haftpflichtversichertes Fahrzeug fuhr auf das Fahrzeug des Klägers auf. Der Kläger hatte für sein darlehensfinanziertes Fahrzeug eine Kaskoversicherung mit GAP-Versicherungsschutz abgeschlossen. Dieser GAP-Versicherungsschutz gleicht die Differenz zwischen der Schadensersatzleistung des Schädigers und dem Restwert des Fahrzeugs einerseits sowie der Restdarlehensforderung andererseits aus. Der Kläger nahm den GAP-Versiche-rungsschutz in Anspruch. Nach der Inanspruchnahme stufte der Kaskoversicherer des Klägers diesen höher, wodurch sich die schadensfreien Jahre reduzierten und sich eine Beitragserhöhung für die Dauer von 37 Jahren ergab, die zu einem prognostizierten Mehrbetrag von 2.601,43 € führt. Der Beklagte regulierte die Sachschäden, lehnte die Erstattung der durch die Höherstufung des Klägers entstandenen Kosten jedoch ab.
[3] Der Kläger beantragt festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche weiteren Schäden aus dem Verkehrsunfall in Form des Höherstufungsschadens der Kaskoversicherung vollständig zu ersetzen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Berufungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
[4] I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Feststellungsklage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz weiterer Schäden aus dem Verkehrsunfall in Form eines Rückstufungsschadens in der Kaskoversicherung, da es an einem ersatzfähigen Schaden mangele. Durch den wirtschaftlichen Totalschaden des Fahrzeugs sei der Kläger verpflichtet gewesen, das Darlehen vollständig zu bedienen, ohne die Nutzungsvorteile während der Darlehenslaufzeit zu ziehen. Die entstehende Differenz stelle - jedenfalls bei Leasingfahrzeugen - keinen ersatzfähigen Schaden dar. Dies lasse sich auf darlehensfinanzierte Fahrzeuge übertragen. Der mit dem Totalschaden des Fahrzeugs entstandene Sachschaden sei vollständig durch die Zahlung des Wiederbeschaffungsaufwands ausgeglichen worden. Stelle die Differenz keinen ersatzfähigen Schaden dar, könnten die Kosten einer in Anspruch genommenen Versicherung zur Abwehr eines solchen Risikos ebenfalls keinen ersatzfähigen Schaden darstellen. Eine Rückstufung in der Kaskoversicherung stelle keinen ersatzfähigen Schaden dar, wenn der Geschädigte diese in Anspruch nehme, um aufgrund der Ausgestaltung des Versicherungsvertrags mehr zu erhalten, als ihm haftungsrechtlich zustehe. Der geltend gemachte Schaden stelle sich nicht mehr als Äquivalent des unfallbedingten Sachschadens, sondern als Ergebnis der Disposition des Klägers dar. Es handele sich auch nicht um im Wege des Haftungsschadens zu übernehmende, im Vergleich zur ursprünglichen Verpflichtung entstandene Mehrkosten.
[5] II. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
[6] 1. Der Antrag auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren Schäden aus dem Verkehrsunfall in Form des Höherstufungsschadens der Kaskoversicherung vollständig zu ersetzen, ist zwar zulässig. Das hierfür erforderliche und von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO liegt für einen behaupteten künftigen Schaden vor, weil noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, ob und inwieweit sich die Rückstufung im Vermögen des Geschädigten tatsächlich nachteilig auswirken wird. Soweit der Antrag den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung betrifft, könnte der Kläger den geltend gemachten Schaden zwar beziffern. Die Feststellungsklage ist jedoch insgesamt zulässig, weil sich der geltend gemachte Schaden noch in der Fortentwicklung befände (vgl. Senat, Urteil vom 17. November 2020 - VI ZR 569/19, NJW 2021, 694 Rn. 11; Versäumnisurteil vom 25. April 2006 - VI ZR 36/05, NJW 2006, 2397 Rn. 7; jew. mwN).
[7] 2. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger einen durch die Höherstufung in der Kaskoversicherung entstandenen Schaden zu ersetzen.
[8] a) Der aus der Inanspruchnahme der Kaskoversicherung folgende Rabattverlust (Höherstufungs-/Rückstufungsschaden) des Geschädigten kann als adäquate Folge der Beschädigung des Fahrzeugs vom Schädiger bzw. von dessen Haftpflichtversicherer zu ersetzen sein (vgl. dazu Senat, Urteile vom 17. November 2020 - VI ZR 569/19, NJW 2021, 694 Rn. 11; vom 19. Dezember 2017 - VI ZR 577/16, NJW 2018, 1598 Rn. 4; Katzenstein, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl., Kap. 3 Rn. 221 f.; jew. mwN). Im vorliegenden Fall nahm der Kläger seine Kaskoversicherung jedoch nicht zur Behebung der durch den Verkehrsunfall verursachten Substanzschäden in Anspruch. Diese wurden vom Beklagten reguliert.
[9] b) Der Kläger begründet seine Klage mit dem aus der Inanspruchnahme des GAP-Versicherungsschutzes folgenden Rabattverlust. Er meint, ohne den Verkehrsunfall wäre er nicht gezwungen gewesen, den noch teilweise valutierten Darlehensbetrag sofort zu entrichten. Aufgrund des Darlehensvertrags habe er wegen des eingetretenen Totalschadens den noch teilweise valutierten Darlehensbetrag zwingend ablösen müssen. Diese Verpflichtung sei durch die GAP-Versicherung abgedeckt. Ohne Inanspruchnahme der GAP-Versicherung hätte er den Differenzbetrag aus eigenem Vermögen ausgleichen müssen.
[10] c) Aus diesem Vortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass er den GAP-Ver-sicherungsschutz in Anspruch nahm, um einen vom Beklagten zu ersetzenden Haftungsschaden auszugleichen oder abzuwenden. Der Kläger hat nicht dargelegt, durch den Unfall einen Haftungsschaden erlitten zu haben.
[11] aa) Die fortbestehende Belastung mit Darlehensraten als solche stellt für den Darlehensnehmer keinen mit der Beschädigung des darlehensfinanzierten Fahrzeugs zusammenhängenden Schaden dar, weil die Darlehensraten Gegenstand der mit dem Darlehensgeber getroffenen Vereinbarung sind und der Darlehensnehmer diese Zahlungen ohne Rücksicht auf den Untergang des finanzierten Objekts ohnehin bis zum Ablauf des Vertrages hätte entrichten müssen (vgl. zu Leasingraten Senat, Urteil vom 5. November 1991 - VI ZR 145/91, BGHZ 116, 22, juris Rn. 12; Koch/Harnos, in: MüKoBGB, 9. Aufl., BGB Finanzierungsleasing (Anh. § 515) Rn. 140; jew. mwN). Zwar kann der durch den Verkehrsunfall verursachte Totalschaden des darlehensfinanzierten Fahrzeugs dazu führen, dass der Darlehensnehmer die Restdarlehenssumme sofort bezahlen muss (vgl. zum Leasingvertrag Senat, Urteil vom 5. November 1991 - VI ZR 145/91, BGHZ 116, 22, juris Rn. 14). Gleichwohl ergibt sich kein Haftungsschaden, soweit das Vermögen des Darlehensnehmers durch die vorzeitige Vertragsbeendigung im Vergleich zu seiner Erfüllungspflicht bei ungestörtem Vertragsverlauf insgesamt nicht mit höheren Verbindlichkeiten belastet ist. Vielmehr kommt ein vom Schädiger zu übernehmender Haftungsschaden des Darlehensnehmers nur insoweit in Betracht, als durch die unfallbedingte Beendigung des Darlehensvertrages die Pflicht zur vollständigen Restzahlung sofort ausgelöst wird und deshalb - unabhängig von der Inanspruchnahme des GAP-Versicherungsschutzes - im Vergleich zur ursprünglichen Verpflichtung Mehrkosten entstehen (vgl. zum Leasingvertrag Senat, Urteil vom 5. November 1991 - VI ZR 145/91, BGHZ 116, 22, juris Rn. 15). So kann der Darlehensnehmer Schäden in Gestalt von Kreditkosten oder entgangener Kapitalnutzung liquidieren, wenn er infolge vorzeitiger Fälligstellung zur sofortigen Zahlung aller noch offenen Darlehensraten vertraglich verpflichtet ist und dieser Nachteil durch die gebotene Abzinsung nicht aufgefangen wird (vgl. zum Leasingvertrag Koch/Harnos, in: MüKoBGB, 9. Aufl., BGB Finanzierungsleasing (Anh. § 515) Rn. 140; siehe weiter zur Schadensminderungsobliegenheit, den eigenen Kaskoversicherer in Anspruch zu nehmen Senat, Urteil vom 17. November 2020 - VI ZR 569/19, NJW 2021, 694 Rn. 9 ff. mit Anm. Heßeler).
[12] bb) Einen derartigen, aus der unfallbedingt vorzeitigen Fälligstellung des Darlehens sich ergebenden Haftungsschaden hat der Kläger nicht dargelegt. Er hat lediglich vorgetragen, dass er den (Differenz-)Betrag ohne die Inanspruchnahme des GAP-Versicherungsschutzes hätte aus eigenem Vermögen begleichen müssen. Die Revision zeigt auch nicht auf, dass das Berufungsgericht insoweit weiteren Vortrag des Klägers übergangen hat.
Seiters von Pentz Klein
Allgayer Linder